Rocksängerin Catz hat einen schrägen Ruf, aber sie steht für 
ihre Freunde ein. Dazu gehört Clubbesitzer Stu Cole, der in San 
Francisco als einer der Letzten der Mafia trotzt und seinen Club 
unabhängig zu halten versucht. Eines Nachts taucht bei Catz' 
Konzert ein unheimlicher Mann auf. Während er durch die 
Menge geht, ändert sich seine Kleidung, seine Hautfarbe, seine 
Statur, nur eines nicht: die undurchsichtige Spiegelbrille, die 
ihm direkt aus den Schläfen wächst ... 
Er ist die fleischgewordene Persönlichkeit der Stadt. Und er hat 
die allgegenwärtige Korruption satt. Für Stu und Catz beginnt 
eine höllische Achterbahnfahrt durch die Halbweltmilieus der 
siechen Metropole: Stadt räumt auf! 
 
Der große Vorreiter der Cyberpunk-Literatur in Neufassung, 
von John Shirley überarbeitet, dann vollständig neu übersetzt, 
mit einem Vorwort von William Gibson: ein radikaler Roman, 
hart, rhythmisch, provokant. 
 
 
»Die protoplasmische Mutter 
aller Cyberpunkromane« 
William Gibson 


 
John Shirley 
 
Stadt geht los 
 
Mit einem Vorwort von William Gibson 
 
Deutsch von Hannes Riffel 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
SF ­ Social Fantasies 2054 
ariadne 


 
SF ­ Social Fantasies 
Herausgegeben von Else Laudan und Hannes Riffel 
www.socialfantasies.de
 
Titel der amerikanischen Originalausgabe: City Come A-Walkin' 
Copyright © 1996 by John Shirley 
Vorwort © 1996 by William Gibson 
 
 
 
 
Von John Shirley bei ariadne erschienen 
 
Es werde Licht 
Social Fantasies 2046; ISBN 3-88619-946-0 
 
John Shirley, Stadt geht los 
Social Fantasies 2054; ISBN 3-88619-954-1 
 
 
 
 
 
Deutsche Erstausgabe der vom Autor überarbeiteten Neufassung 
Alle Rechte vorbehalten 
© Argument Verlag 2000 
Eppendorfer Weg 95a, 20259 Hamburg 
Telefon 040 / 4018000 ­ Fax 040 / 40180020 
www.argument.de
Lektorat: Else Laudan 
Texterfassung durch den Übersetzer 
Umschlaggestaltung & Satz: Martin Grundmann 
Belichtung: Satzwerk, Göttingen 
Druck: Alfa Druck, Göttingen 
Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier 
ISBN 3-88619-954-1 

 
 
 
 
 
Für jede Frau, die sich je mit mir abplagen musste 
 

Vorwort 
von William Gibson 
 
John Shirley war der prototypische Patient des Cyberpunk, 
die erste Manifestation des Virus, erwiesenermaßen hochgradig 
ansteckend. Ein Überträger. Stadt geht los ist Beweis dafür und 
mehr. (Als ich es kürzlich nochmals las, stieß mir schon ein 
wenig auf, wie sehr all meine frühen Texte diesen Roman nach-
ahmen.) 
Aufgepasst, Bildung winkt: Die Stadt-Avatare in Stadt  sind 
wahrscheinlich die Vorläufer sowohl des vernunftbegabten 
Cyberspace als auch der KIs1 in Neuromancer,  und ja, es sieht 
eindeutig so aus, als wäre Mollys chirurgisch eingepflanzte 
Spiegelbrille der nachempfunden, die City an den Schläfen 
direkt in Haut und Schädelknochen wächst. (Shirley selbst 
wurde bald stolzer Besitzer eines Kassengestells von Bausch & 
Lomb: eine Ur-Spiegelbrille.) Die Atmosphäre des Buches, nahe 
Zukunft im Post-Punk-Milieu, ist auf die Spitze getriebener 
Cyberpunk, satte zwei Jahre vor Bladerunner2. 
So ist dies also ­ und zwar in jedem Sinn ­ ein zukunftswei-
sendes Werk; fast alle Elemente der noch ungeborenen Bewe-
gung treiben hier in den schimmernden Wirbeln von Shirleys 
literarischer Verve. 

Dieser Junge aus Oregon mit seiner Spiegelbrille. 
Der Junge aus Oregon in der Rückschau mit einer strähni-
gen, schmutzigblonden Locke in der Stirn, um seinen Hals ein 
Gürtel aus Zeiten einer längst ausgestorbenen Lackglanz-Mode: 
orangefarbene Schweinshaut, zünftig verrottet, um die rohen 
Glieder einer sich hindurchziehenden Metallfeder zu zeigen: 
>Johnny Paranoid<3 zuckte wie ein galvanisierter Frosch auf der 
Sperrholzbühne einer Kellerkneipe in Portland herum. Wirk-
lich außergewöhnlich. Und,  sagte er, er hatte bei Clarion4 mit-
gemacht. Ob ich beeindruckt war? Und wie! 
 
Ich lernte Shirley kennen, als ich mich erstmals am Schreiben 
versuchte. Oder besser gesagt, ich hatte angefangen und das 
ganze Projekt dann hingeschmissen, aber dieser Mensch aus 
Portland beschämte mich derart, dass ich wieder anfing ­ dieser 
Frontmann einer Punkband, der tagsüber Sciencefiction 
schrieb. Zu diesem Zeitpunkt auf Shirley zu treffen war absolut 
entscheidend, wurde zum Dreh- und Angelpunkt meiner 
Karriere. Er glich einem Totem: Er war einfach da, zimmerte 
diese Geschichten zusammen und montierte sie mitten in der 
Wüste der Norm, wo ihre hastig gestalteten, doch oft atembe-
raubend wild wachsenden Gliedmaßen den Weg in Andere 
Welten wiesen. 
Allein die Tatsache, dass ein Autor wie Shirley überhaupt 
verlegt wurde, wie unangemessen auch immer, war ein unüber-
treffliches Gegengift für das flaue Gefühl, das mich überkam, 
wann immer ich im Laden an der Ecke George Scithers' Asi-
mov's SF5 durchblätterte. Die Erstausgabe von Stadt geht los war 
im Juli 1980 als Taschenbuch bei Dell erschienen und unterlief 

damit den Radar der Genreleser. Angesiedelt in einer >nahen 
Zukunft<, die sich beunruhigend wie die Gegenwart anfühlte 
(eine Wirkung, die ich seither zu erzielen suche), gespickt mit 
für Shirley typischen Obsessionen (die Gegenkultur des Punk, 
faschistische Bürgerwehrler, panoptische Überwachungssyste-
me, ekstatische Bewusstseinszustände) entspricht Stadt weniger 
einem Sciencefictionroman, der in einer Rock-Halbwelt spielt, 
als vielmehr einer Rock-Gebärde,  die zufällig in Gestalt eines 
Taschenbuchs daherkommt. 
Shirley ließ das mit Plastikfolie verhüllte Sofa, das für die 
Sciencefiction der Siebziger steht, aufs Schönste in der Versen-
kung verschwinden. Seine Schreibe zu entdecken war wie zum 
ersten Mal Patti Smiths Horses  zu hören: die archetypische 
Form mit großer Leidenschaft neu eingenommen von verdor-
benen und doch eigentümlich unschuldigen Machern, deren 
Fähigkeit  an sich, dies überhaupt zu tun, unablässig in Frage 
gestellt wurde durch die Anforderungen dessen, was im Grunde 
eine schamanische Handlung war. Beiden ist eine unbändige 
zerlumpte Verwegenheit gemeinsam, ein Gefühl, als suche der 
Künstler Verbindung zum Jenseits. Sie beschwören ihre jeweili-
gen Götter herauf (die sich gelegentlich überschneiden, tatsäch-
lich gehörte sie zu den seinen) und stürzen sich aus unterprivi-
legierten Teenager-Schlafzimmern, in der hoch erhobenen 
Hand zersplitterte Metaphern, so eigentümlich geformt wie 
Gefängnisbesteck. 
 
Mr. Shirley, der mich so lässig auf das Schreiben von Geschich-
ten stieß wie einen Partygast in den Swimmingpool. Rings um 
ihn herrschte ein gewisses Chaos, ein Gefühl, als gäbe es zu viele 

Möglichkeiten ­ einige davon immer  gefährlich: wie als jene 
Freundin, die Alice in Tenniels6 Zeichnungen lächerlich ähnlich 
sah, sich umdrehte und die puertorikanischen Quartalssäufer 
übel und gänzlich unverdient beschimpfte, lange nach Mitter-
nacht in Alphabet City7, während der Besuch aus Vancouver 
schreckgelähmt dabeistand und seinen Ohren nicht traute. 
»Ignorier sie, Mann«, empfahl J. S. den Puertorikanern, »sie 
ist eben aufgedreht.« 
Und ja, das war sie. Dazu neigten sie, die Shirleyschen Mä-
dels. 
Ich schaue mir Shirley heute an, den erwachsenen Mann, der 
sich selbst zum Trotz noch lebt und weiß, dass das keine leichte 
Sache war. Eine Katze mit noch ein paar zusätzlichen Leben. 
Was mich heute verwundert, ist, wie schnell ich etwas wie 
Stadt geht los als gegeben hinnahm. Es gab nichts, was diesem 
Roman auch nur im Entferntesten gleichkam, aber ich ging 
wohl einfach davon aus, dass es eben Johns Buch war, und John 
kam schließlich auch niemand gleich. Stadt zischte und knister-
te, mit einer gottlosen, elektrisch auberginefarben glühenden 
Aura, irgendwo zwischen Neon und einem einen Tag alten 
Bluterguss ­ Stadt war Beweismaterial für gewisse Möglichkei-
ten, die bis dahin noch niemals benannt worden waren. 
 
Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bevor das, was später 
Cyberpunk genannt wurde, aus Städten wie Austin und Van-
couver sickerte. Shirley hatte es zu diesem Zeitpunkt irgendwie 
in seiner Abfolge von Beziehungen (na ja, eigentlich Ehen ­ 
unser Junge war der Typ, der sich kopfüber hineinstürzt) von 
New York nach Paris verschlagen, von Paris nach Los Angeles 

(wo er heute lebt) und weiter nach San Francisco (hallo, City). 
Er machte mir Höhenangst. Ich glaube, mit der Zeit erwarteten 
wir genau das von ihm als dem magnetisch anziehenden Ver-
rückten unseres Stammes, und wir blinzelten überrascht, als er 
allmählich sein Leben in sichere Bahnen lenkte. Heute lebt er 
im Valley8 und schreibt für Film und Fernsehen, doch es gibt 
Gerüchte, dass er ein neues Buch9 in Arbeit hat. Darauf freue 
ich mich sehr. Unterdessen können wir uns bei dem Verlag 
bedanken, der die protoplasmische Mutter aller Cyberpunk-
Romane neu herausbringt: Stadt geht los. 
 
Vancouver, 31. März 1996 
 
 
1 »Künstliche Intelligenzen«, vernunftbegabte Computer 
2 bahnbrechender SF-Film (1982, Literaturvorlage: Philip K. Dick) mit 
Harrison Ford, Rudger Flauer; Regie: Ridley Scott 
3 kurz darauf schreibt William Gibson seine Erzählung Johnny Mnemonic 
(1981 erschienen) 
4 Clarion Writers Workshop: angesehener Autoren-Workshop für Science-
fiction in den USA 
5 Asimov's SF: einflussreiches SF-Magazin im Digest-Format, unter Schirm-
herrschaft des gleichnamigen Autors gegründet 
6 John Tenniel, der klassische Illustrator von Alice in Wonderland 
7 Stadtteil von New York, wo die Straßen mit Buchstaben bezeichnet sind 
8 in der Gegend um Hollywood 
9 Silicon Embrace, deutsch: Es werde Licht (Argument/Ariadne 1999) 
 

Intro 
 
In einem Aufnahmestudio
 rückte eine junge Frau ihren 
Kopfhörer zurecht und gab dem Mann am Mischer ein Zeichen. 
Der Tontechniker auf der anderen Seite der Glasscheibe nickte 
und drückte auf einen Knopf, der die Instrumentalbegleitung 
abspielte. Sie bevorzugte Kopfhörer. 
Das erste Stück, harter improvisierter Rock ­ ein Stil, der 
manchmal seltsamerweise als Angstrock bezeichnet wird ­, war 
bereits vor einigen Wochen aufgenommen worden. Die junge 
Frau war die Sängerin der Band. Es war das erste Mal, dass 
jemand diese Aufnahmen zu hören bekam; sie hatten das Geld 
für das Tonstudio selbst auftreiben müssen. Sie hatte noch 
keinen Plattenvertrag. Vielleicht würde sie nie einen bekom-
men. 
Ihr Name war Sonja Pflug, doch ihr Künstlername lautete 
Catz Wailen. Inzwischen wurde sie von allen nur noch Catz 
genannt, sogar von ihrer Familie. Während Catz den Aufzeich-
nungen zwei Minuten lang zuhörte, sanken ihre Mundwinkel 
langsam herab und ihre Stirn legte sich in Falten. Sie rutschte 
auf ihrem Stuhl hin und her. Sie schien es sich auf dem harten 
Plastikstuhl im Aufnahmestudio nicht bequem machen zu 
können. Sie wurde zusehends angespannter. Sie konzentrierte 

sich auf die Aufnahmen und schüttelte den Kopf. Sie klopfte 
gegen die Scheibe, die den Aufnahmeraum vom Mischraum 
trennte, und der Techniker schaltete das Band ab. Sie legte 
einen Kippschalter um und sprach über die Gegensprechanlage. 
»Da ist eine Stimme im Hintergrund. Die stammt nicht von 
uns. Klingt nicht nach jemand aus der Band. Ich kann auch 
nichts verstehen. Was zum Teufel ist das? Diese Stimme ... Was 
soll das Schulterzucken, Mann? Was? Komm schon. Ähm ­ das 
muss irgendein Sprechfunkkanal sein oder so `n Scheiß, der 
durch die Isolierung dringt. Wenn wir das, ähm, aus unseren 
Aufnahmen rausmischen wollen, weißt du, sollten wir besser 
rauskriegen, was das ist. Was für eine Frequenz. Warum schüt-
telst du den Kopf ­ hör zu, die verdammte Luft wird von Über-
tragungen nur so durchdrungen, Radio und Fernsehen und 
Mikrowelle, alles zischt unablässig durch uns hindurch, un-
merklich ... So eine Art Äther, so haben es die Wissenschaftler 
früher genannt, ein Medium für den angesagten geistlosen 
Kommerz. Stimmt's? Ich nehme an, wir haben uns irgend so 
eine bescheuerte Nachrichtensendung eingefangen oder eine 
Bierreklame. Verdammt, ich kann es hören.  Es ist da, jawohl. 
Also filter das mal ­ misch es neu ab, damit ich es deutlicher 
hören kann und rauskriege, was es ist, ein Radiosender oder so, 
vielleicht sagen sie ihre Telefonnummer durch ... Das versaut 
uns wirklich die ganzen Aufnahmen ­ oh, schon klar? Du hast 
es rausgefiltert? Gut ... ich ...« 
Sie setzte den Kopfhörer wieder auf und gab dem Tontechni-
ker das Startzeichen. 
Und die Stimme auf dem Band, die sich jetzt klar und deut-
lich von der Musik abhob, sagte: »Hallo, Catz.« Dann lachte sie. 

Ein ziemlich verrücktes Lachen. »Ich hoffe, du kannst mich gut 
verstehen. Die anderen hier haben mit äußerst gemischtem 
Erfolg versucht, ihre Stimmen bis in deine Welt dringen zu 
lassen. Tote haben keinen Kehlkopf. Zumindest nicht aus eurer 
Perspektive, denn aus eurer ­« Die Stimme unterbrach sich und 
lachte. Es klang eindeutig hysterisch. 
Sie kannte diese Stimme. 
»­ Tut mir Leid. Immer wenn ich an Perspektive denke, 
muss ich lachen, wegen allem, was passiert ist. Wie ich die 
Dinge jetzt sehe. Und wie ich sie früher sah. Vor dem Großen 
Kehraus. Bevor ich das große Bewusstsein gesehen habe. Das 
große Bewusstsein ist das Bewusstsein aller. Aber ich sollte dir 
besser eins nach dem anderen erzählen. Ich bin herumgelaufen 
­ gelaufen? ­ und ob, denn ich habe einen Körper, im Dort, wo 
ich mich jetzt befinde. Aus deiner Perspektive betrachtet natür-
lich nicht. Halt, eins nach dem anderen. Ich muss mich erst in 
die richtige Bewusstseinsstufe versetzen, um dir diese Geschich-
te zu erzählen, denn ... ich muss sie dir ja aus der, hihi, Per-
spektive  deiner Welt erzählen. Ich laufe seit Tagen herum und 
denke darüber nach, verknüpfe alles in Gedanken miteinander, 
kehre zurück, um mich zu beobachten ­ zurück in die Vergan-
genheit, will ich damit sagen, wozu sich um klare Worte drük-
ken ­ um mich zu beobachten, wie ich alles durchlebe. Um 
endlich zu begreifen. Ich habe genügend Zeit, alles zu verstehen, 
denn ich werde deiner Welt noch weitere vierzig relative Jahre 
erhalten bleiben. Ich befinde mich fast in deiner Welt, nur eben 
nicht ganz. Nur eine Phasenverschiebung entfernt. Ich harre 
hier aus wegen City, und wegen der anderen. Ich bin ihnen 
behilflich. Sie sind alle miteinander verbunden, unmittelbar 

oder mittelbar. Der herrschende Geist jeder Stadt mündet in 
einen gemeinsamen Strang ... New York, San Francisco, Los 
Angeles ­ auch wenn die Verbindung zu L. A. eher diffus ist, 
bruchstückhaft und gefährlich. All diese Städte sind auf einer 
psychischen Ebene miteinander verknüpft. Ein gewaltiger 
Bewusstseinsspeicher, so hässlich und zugleich schön. Du bist 
wirklich schön, Catz. Das habe ich dir glaube ich noch nie 
gesagt. Du bist schön. Ich wollte dir das immer schon sagen. Ich 
hatte befürchtet, du würdest mich auslachen und behaupten, 
ich wäre übermäßig sentimental oder blind. Du hättest mich 
verspottet. Doch jetzt ist alles anders. Ich kann dir sagen, dass 
ich dich liebe. 
Und ich kann dir erklären, warum ich das alles getan habe. 
Warum ich dich nach Chicago habe gehen lassen ­ ich wusste, 
du würdest Verbindung mit dem Bewusstsein aufnehmen, das 
Chicago ist. Irgendwie wusste ich schon die ganze Zeit, was alles 
passieren würde. Catz, ich erfülle jetzt eine Funktion. 
Jesus Maria, Catz, du bist so schön. Ich kann in dein Inner-
stes hineinsehen, in dein Energiefeld, bis in den Brennpunkt 
deines Feldes, wo sich dein ­ wie haben sie es genannt? ­ der 
Sitz deines Bewusstseins befindet. Ich sehe es in dir leuchten wie 
ein Lichtbogen in einer Vakuumröhre. 
Hoffentlich erkennst du meine Stimme. Ich wende eine Art 
Psychokinese an, um die entsprechenden Schallwellen zu erzeu-
gen. Hoffentlich erkennst du meine Stimme überhaupt. Das 
alles ließe sich vielleicht als interdimensionales Bauchreden 
beschreiben. Hörst du mich? Ich bin's,  Stu!  Wer  auch  sonst, 
was?« 
Catz nahm den Kopfhörer ab. Sie gab dem Tontechniker ein 

Zeichen. Er hielt das Bandgerät an. Sie blieb sitzen und starrte 
mit bleichem Gesicht das Mischpult an. Dann stand sie auf, 
ging zu ihrer Tasche und holte ein Medikamentenfläschchen 
heraus. Sie nahm ein Beruhigungsmittel und atmete tief durch. 
Er ist es wirklich, dachte sie. 
Sie kehrte an ihren Platz zurück, nahm den Kopfhörer in die 
Hand und setzte ihn wieder auf. Sie zögerte, blieb eine Weile 
reglos sitzen und nahm schließlich ihren ganzen Mut zusam-
men. Sie gab dem Techniker ein Zeichen und hörte weiter zu. 
»Catz, ich möchte, dass du mich verstehst. Warum ich dich 
nicht begleiten konnte. Weshalb ich zugelassen habe, dass City 
das alles getan hat. 
Seltsamerweise hat die Zeit keine Bedeutung mehr für mich. 
Wenn du das Labyrinth erst einmal durchschaut hast, kannst 
du dich in jede Richtung fortbewegen. Wir können aus uns 
heraus treten und zuschauen, wie wir geboren werden. Ich habe 
­ unsichtbar ­ neben dem Krankenhausbett meiner Mutter 
gestanden und meiner Geburt zugesehen! Ich habe mich auf-
wachsen sehen. Ich bin zurückgereist und habe mir alles noch 
einmal angeschaut. Um Zeugnis abzulegen, als objektiver 
Beobachter. Ich werde dir die ganze Geschichte erzählen, ob-
wohl du das Meiste selbst miterlebt hast. Ich hoffe, es passt alles 
auf dein Band. Ich will mit jener Nacht im Club anfangen, am 
zweiten Abend deiner San Francisco-Tour. Da warst du gerade 
aus Chicago zurück. Dieser Abend, an dem ich dich gebeten 
habe, den Kerl auszuchecken, den ich als Rausschmeißer ein-
stellen wollte. Ich betrete jetzt die entsprechende Bewusstseins-
ebene. Ich kann es fühlen. In der dritten Person. Ich bin die 
dritte Person, ganz klar.« 

Er lachte. Catz verzog das Gesicht. Nur ein kleines bisschen 
verrückt. 
»Das war so um den 10. Mai des Jahres 2008. Im guten alten 
San Francisco ... dem San Francisco von damals, vor den 
Veränderungen, dem großen Kehraus, und ­ na, egal. Ist schon 
komisch ­ nach meinem Zeitgefühl stand ich erst vor Kurzem 
mitten im Zentrum einer Explosion, ein Teil des Kehraus. Um 
mich herum flog ein Haus in die Luft. Ich bin nicht verletzt 
worden. Es hat mir Spaß gemacht. Ich schlenderte davon und 
fühlte mich, als hätte ich bei hohem Wellengang im Meer 
gebadet. 
So, jetzt eins nach dem anderen. Ich gehe zurück. In die Ellis 
Street. Der Club Anesthesia. Mein Club, und es ist mir egal, was 
für Gerüchte im Umlauf waren. Die Bewertung im Chronicle 
lautete: >... ein Stern, wenn Sie auf eine angenehme und 
menschliche Atmosphäre Wert legen; vier Sterne, wenn Sie auf 
pausenlosen Lärm, Schlägereien, Exzentriker, Huren und 
bewaffnete Überfälle aus sind.< Scheiß auf den Chronicle. Das 
war mein Club und ich mochte ihn ...« 
Catz hörte zu und hatte das Gefühl, innerlich zu zerlaufen. 
Auf ihrer Stirn perlte Schweiß. Im Hintergrund, unter der 
körperlosen Stimme, heulte und dröhnte und tobte der Angst-
rock  ihrer Band, nackter, abgespeckter Metal, schnelle und 
wütende Musik wie das Echo einer U-Bahn, die in einen Bahn-
hof donnert. 
Die Stimme auf dem Band erzählte eine Geschichte. 
 

EINSSS! 
 
Samstagabend, zehn Uhr,
 und der Club war randvoll. 
Nicht einfach nur voll, er platzte fast. Die Leute quollen aus den 
Fenstern. Stuart Cole war das nur recht. Der Club war auf die 
zusätzlichen Einnahmen angewiesen, die die überfüllten Sams-
tagabende brachten. Allerdings bedeutete das auch, dass er in 
dieser einen Nacht drei, zählt ruhig nach, drei Rausschmeißer 
anheuern und, was schlimmer war, bezahlen musste. Und Cole 
hatte nur einen Rausschmeißer auftreiben können, der völlig 
überlastet war. Der arme Kerl hatte schon wunde Fingerknö-
chel. Cole war auf der Suche nach zwei weiteren und hatte sich 
schon bei zwei Schwarzgurten, einem ehemaligen Green Beret 
und einer riesigen Lederlesbe einen Korb geholt. Sie schienen 
alle keinen Wert auf zerschlagene Gesichter zu legen. Das 
Anesthesia hatte so seinen Ruf. 
Cole mixte sich einen Rusty Nail und machte sich Gedanken 
über Rausschmeißer, als ihm der Mann mit der Sonnenbrille 
auffiel. Der Mann fiel ihm auf, wie der Blick von einer Boje in 
den Wellen angezogen wird, weil sich die Boje nicht von der 
Stelle bewegt: ein verankerter Gegenstand im fließenden Trei-
ben. Menschenmassen verhalten sich wie Wasser, sie sind voller 
Strömungen und Strudel. Menschen sind weich, sie bestehen 

fast ausschließlich aus Wasser und ihre Bewegungen sind eher 
fließend als ruckartig. Dieser Mann dagegen bewegte sich wie 
ein Eisbrecher ­ hart und unerbittlich, doch mit einer ganz 
eigenen beharrlichen Anmut. Er war nicht wuchtig oder steif, 
aber er strahlte eine gewisse Unbeugsamkeit aus. Beständigkeit. 
Der ideale Rausschmeißer. 
Cole musterte den Mann eingehend und kam zu dem 
Schluss, dass er nicht gut bei Kasse war: der lange schwarze 
Trenchcoat des Fremden war an zwei Stellen eingerissen, der 
Gürtel fehlte und der braune breitrandige Hut, den er sich tief 
ins Gesicht gezogen hatte, war zerbeult. Die Spiegelbrille sah 
neu aus und ihre Gläser versprühten die wirbelnden Lichtrefle-
xe der altmodischen Facettenkugel über der Tanzfläche. Viel-
leicht ein Polizist in Zivil, dachte Cole. Oder schlimmer, ein 
Vigilant, ein Auftragskiller einer rechtsradikalen Bürgerwehr. 
Die Vigs drohten immer wieder damit, die Prostituierten mit 
weiteren Blitzüberfällen auszuräuchern, und hier im Club gab 
es jede Menge Huren. 
Er hatte ein kantiges Gesicht, blass und makellos, dabei grob 
wie ein Eckstein aus Marmor, der sich zur Gestalt eines Mannes 
abgenutzt hatte. Sein gespaltenes Kinn ragte weiter vor als seine 
Knollennase. Seine Haar war kurz, lockig, mit blauschwarz 
metallischem Schimmer. Er war knapp einsachtzig und mittel-
gewichtig. Aber er hielt sich kerzengerade, ragte auf wie ein 
Wolkenkratzer, und das wirkte auf selbstgefällige Art bedroh-
lich. 
Cole beobachtete ihn und dachte: Pass auf, wen du einstellst 
...  In San Francisco ließ man sich nicht mit jedem beliebigen 
Irren ein ­ es musste schon die richtige Sorte Irrer sein. 

Daher behielt Cole den Mann im Auge, ohne es sich anmer-
ken zu lassen. Er überließ Bill Wallach das Getränkemixen und 
gab vor, die Anlage auf der Bühne überprüfen zu wollen. Von 
der Bühne aus hatte er bessere Sicht. 
Also stellte er Mikro-Ständer fest und verzurrte Kabel, an 
denen es nichts zu verzurren gab, und beobachtete. Der Mann 
mit der Spiegelbrille war im Schatten neben dem Zigarettenau-
tomaten stehen geblieben, am Rand der Menge, ein regloser 
Zuschauer. Cole hätte zu gern seine Augen gesehen. Doch sein 
Blick blieb ständig an den Lippen des Mannes hängen. Seine 
Lippen waren farblos, zusammengepresst, eingezogen und ­ sie 
bewegten sich nicht. Nicht das kleinste Zucken. Catz kam auf 
die Bühne und wollte wissen, ob mit der Anlage alles in Ord-
nung war und warum Cole an einem Gitarrengurt herumspielte 
...? 
»Ich, äh, stell ihn nur ein, Catz. Hey ­ könntest du mal den 
Kerl da neben dem Zigarettenautomaten unter die Lupe neh-
men? Mit der Spiegelbrille. Der ist entweder gefährlich oder der 
ideale Rausschmeißer. So oder so wüsste ich es gern. Ich möchte 
ihm keinen Job anbieten, bevor ich nicht weiß, ob er Ärger 
macht, ich kann keinen Spion der Vigs gebrauchen ...« 
Catz zuckte die Achseln und nickte. Ihr kurzes silbrig ge-
flecktes Haar wippte wie ein Plastikvorhang um ihr wölfisches 
Gesicht. Ihre goldenen Augen wurden schmal ­ wie immer, 
wenn sie eine Frage stellen wollte. Cole schüttelte den Kopf und 
kehrte an die Bar zurück, um auf »Catz' Bericht« zu warten. 
Die Mitglieder von Catz' Band folgten ihr auf die Bühne, und 
als sie ihre Instrumente gestimmt und eingestöpselt hatten, 
legte Cole den Schalter um, der die Dosenmusik abschaltete, 

und brüllte ins Barmikrophon: »Verehrte Samen und Huren ­ 
CATZ WAILEN!« Die Hälfte der Leute auf der Tanzfläche 
stöhnte und die andere Hälfte jubelte. Alles raunte erwartungs-
voll. Selbst diejenigen, die Catz nicht mochten, hatten Ge-
schichten über sie gehört. 
Während sie ihre Gitarre stimmte, beugte sich Catz vor und 
flüsterte einer Kellnerin etwas zu, die nickte und sich durch die 
grabschende Menge zu Cole durchschlängelte. 
»Catz lässt dir ausrichten, ihr >Bericht steckt im Songtext<. 
Was zum Teufel redet sie da?« 
»Erklär ich später«, antwortete Cole, obwohl er das keines-
wegs vorhatte. Sie belud ihr Tablett mit Gläsern und ging die 
Schweine tränken. Cole wartete. Der Bericht steckt im Songtext? 
Ein Schauer überlief ihn. Er gehörte zu den wenigen Menschen, 
die bei Catz' Songs die Texte verstanden. Weil er sie seit Jahren 
kannte? Vielleicht. Aber es gab auch eine gewisse Nähe zwi-
schen ihnen. Kaum jemand wusste, dass Catz ihre Texte impro-
visierte. Sie spontan erdichtete. Sie änderten sich von Abend zu 
Abend. Manchmal reimten sie sich sogar. 
Die Band war eingestimmt, gestimmt, eingestöpselt und war-
tete ­ eine fünfköpfige Angstrock-Band  mit Catz im Brenn-
punkt. Sie blinzelte, als die Bühnenbeleuchtung aufflammte, 
dann klopfte sie gegen das Mikrophon, um zu sehen, ob es 
funktionierte und bellte ins Publikum: »MAUL HALTEN!« 
Cole hatte noch keine andere Figur auf der Bühne gesehen, 
die damit durchkam. 
Das Publikum war heute besonders lärmig, Gläser splitterten 
und Plastikflaschen flogen herum, alles lachte und kreischte. Im 
Lauf des Abends nahm das hemmungslos zu: Um Mitternacht 

würde sich die Menge völlig gehen lassen, die Wände würden 
unter ihrem Ansturm erbeben. Nur ­ Catz, eine dürre, schlaksi-
ge kleine Frau, hatte gerade Maul halten gesagt. 
Und sie hielten das Maul. 
Es war ein Wunder: Es war still. Hier hustete, dort kicherte 
jemand, Feuerzeuge klickten. Der verqualmte Raum leuchtete 
hier und dort auf, als einige Zuschauer in Erwartung des Auf-
tritts einen Joint anzündeten. Die Menschen auf der Tanzfläche 
standen still, ließen ihre Muskeln spielen und warteten auf den 
Rhythmus der Musik. 
Die Stille schien unnatürlich und alle warteten darauf, dass 
sie endete. Die Erwartung wurde mehr als erfüllt, als die Band 
mit der Eröffnungsnummer loslegte. Es gab eine Explosion aus 
Rauschen und Feedbacks und die Leadgitarre fegte durch ein 
wildes Solo wie das Quietschen einer ungeölten Winde, die 
unter einer Tonne losen Altmetalls stöhnt. 
Das Donnern des Basses zwang das Mahlen des Heavy Metal 
zu einer zusammenhängenden vorwärts preschenden Einheit, 
wie Schrauben einen rasenden Panzer zusammenhalten. Catz 
schob ihre Rhythmusgitarre beiseite und fing zu singen an. Cole 
entschlüsselte stirnrunzelnd ihr Kreischen. 
 
All ihr miesen Wichser und all ihr miesen Schlampen 
seid abgesagt, ihr seid abgesagt 
ihr winselnden Weiber und dumpfgeilen Deppen 
du Stricher, dein einziger Freund ist das Neppen 
ihr seid abgesagt, seid abgesagt 
weil die Straße euch zum Teufel jagt 
ihr seid jetzt abgesagt 

 
Denn die Straße hat das satt, die Straße hat euch über 
Schluss mit Pisse auf Asphalt und Autoreifen drüber 
Weiß wird die Nacht und schwarz wird der Tag 
Denn die City geht jetzt los 
Stadt geht los und räumt ab ... 
 
Die Leadgitarre spielte ein langes Solo, definierte Jugend in der 
Sprache der Elektrizität. Catz tanzte Hunderte von Permutatio-
nen der letzten Zuckungen einer Motte durch, die in der Flam-
me einer Kerze brannte. Catz trat den Bassisten in den Arsch 
und lachte, schlug Räder mit ihren Armen und sprang einen 
Meter in die Luft, warf sich herum, versetzte der Leadgitarre 
noch in der Luft einen Tritt, schlug sich auf die Knie, klatschte 
in die Hände, landete mitten auf der Bühne, schlängelte ihren 
Hals, wackelte mit Arsch und Schultern in doppelter Provokati-
on, ohne je aus dem Takt zu geraten. 
Schlagzeug und Bass wurden leiser, ein dramatisches Vor-
spiel, und ihre übergroßen Augen wurden noch größer, ihr 
koboldgleich geschnittenes platinfarbenes Haar klebte schweiß-
nass an ihrem Kopf. Ihr Gesicht verlor jede Ungewissheit und 
sie nickte dem Mann mit der Spiegelbrille zu; sie sang: 
 
Stadt geht los um aufzuräumen 
Hindus und ihre Avatare 
Catz und ihre E-Gitarre 
Zeus beschwant Leda 
manchmal kommt die Welt in Göttergestalt 
manchmal kommen Götter in Menschengestalt 

manchmal gehn Götter wie Sterbliche um 
und heut Nacht geht die Stadt los 
und wir sind abgesagt ... 
 
Catz kreischte das knapp an der Tonart vorbei und gerade noch 
im Rhythmus und die Menge hatte keinen Schimmer, was sie 
sang. Aber sie waren hingerissen. Denn sie gab ihnen das Ge-
fühl, dass sie wirklich ernst meinte, was auch immer sie da sang. 
Das Stück eskalierte, so wie ein Krieg, die Facettenkugel 
drehte sich und warf Lichtgarben in den Raum, Plastikflaschen 
flogen umher, Rauch wirbelte empor und Catz blickte Cole 
direkt in die Augen (Cole wünschte, er wäre keine zweiundvier-
zig mit einem Hang zur Dickleibigkeit) und sprach ins Mikro-
phon: »Dieser Teil des Songs ­ hey, ihr Wichser, HÖRT ihr mir 
ZU ­« Die Menge brüllte mit fröhlicher Wut zurück. »Na also! 
Ihr Wichsratten, dieser Abschnitt des Songs erzählt eine Ge-
schichte in zehn Teilen, wie zehn Kapitel in einem Buch. Ich 
werde jedem Kapitel einen Namen geben und ihr müsst selber 
rausfinden, was passiert, indem ihr euch die unsichtbare Archi-
tektur der Musik vorstellt (wenn ihr Dummköpfe mir so weit 
folgen könnt), also PASST VERDAMMT NOCH MAL AUF!« 
Sie holte tief Luft, die Band hielt inne, der Lärm der Menge 
flaute ab, und sie schrie: 
»EINSSS!«  Die Leadgitarre erwürgt ein sich windendes 
Schlangenriff und Cole hat den Eindruck, sich und den Mann 
mit der Spiegelbrille zusammen auf der Straße zu sehen. 
»­ ZWO!« Der Bass stimmt dröhnend mit ein und erzeugt 
Bilder des Mannes mit der Spiegelbrille auf einem Fernseh-
schirm. 

»Drr-EIII!« Das Schlagzeug entwirft ein Bild von Vigilanten, 
die bei einem Rockkonzert wild in die Zuschauermassen feuern. 
»VIE-jah!« Der Synthesizer schüttelt die Hirnrinde durch mit 
Unterschall- und Überschall-Klangbildern, Bilder von Catz und 
Cole, die auf einem Holzboden verbluten, umgeben von la-
chenden Männern. 
»FÜÜÜ-hünf!« Die Rhythmusgitarre schafft eine Vision von 
Cole und Catz, wie sie miteinander schlafen. 
»Uuh-SEX!«  Die Rhythmusgruppe arbeitet Hand in Hand 
mit den Leadinstrumenten, bildet einen Kontrast wie schwarz 
und weiß und zeigt Cole, der auf einem Bett liegt, daneben Catz, 
die einen Koffer packt. 
»SIE-bähn!«  Das Schlagzeug beschwört ein Bild von Cole 
herauf, der einen Schritt zurücktritt, als ihm ein guter Freund 
die Tür vor der Nase zuschlägt. 
»A-A-acht!«  Die Keyboards zeigen Cole einen Schnapp-
schuss, er in einer Gefängniszelle. 
»NEU-ihn!«  Cole sieht sich selbst, wie er nackt vor einem 
Spiegel steht und sich die Augen reibt. 
»ZEHNNN!« Alle Instrumente verschmelzen zu einem einzi-
gen Akkord, beschwören eine Vision von Cole herauf, der sich 
im Zentrum einer Explosion befindet ... 
Plötzlich war der Song zuende. Cole rannte auf die Toilette, 
er konnte nicht anders. 
Nachdem er sich übergeben hatte, fühlte er sich etwas besser. 
Er mixte sich einen Drink, um das anhaltende Gefühl der 
Desorientiertheit zu vertreiben. Warum hat sie mir das alles 
gezeigt? 
Cole begab sich hinter die Bar und ging an die Arbeit, zur 

Beruhigung, wie eine Art Yoga. Catz und die Band stimmten 
einen neuen Song an. 
Der Mann mit der Spiegelbrille betrachtete nachdenklich die 
Bühne ­ er war der einzige Mensch im ganzen Raum, der sich 
nicht im Rhythmus bewegte. Selbst die Barkeeper klopften mit 
den Fingern auf die Theke. Der fremde Mann starrte einfach 
nur hin. Und rührte sich nicht. 
Cole nahm Bestellungen entgegen und fütterte die tausend 
Mäuler des Monsters, das kaum von der hölzernen Theke in 
Schach gehalten wurde ­ goss ihm Drinks in den Rachen und 
die Mäuler schrien nach mehr ... Entlang der Bar standen in 
regelmäßigen Abständen Intercash-Automaten und nahmen 
von den Gästen Karten entgegen, zeigten an, ob das Guthaben 
den Verzehr deckte, transferierte blitzartig entsprechende 
Beträge vom Konto des Inhabers auf das Konto des Empfän-
gers, bestätigte den Vorgang auf seinem digitalen Zahlendisplay 
... 
Mindestens einmal pro Abend knallte jemand anstatt der In-
tercash-Karte Bargeld auf den Tresen. Heute war es ein alter 
Mann mit einer schmutzig weißen Haarmähne und nässenden 
blauen Augen. »Wo hast du dein Geld, Opa?«, sagte Cole. 
»Richtiges Geld, verstehst du? IC-Karte.« 
»Gottverdammt noch mal, das hier ist richtiges Geld, die be-
schissenen Karten sind die Fälschung ­« 
»Ja, ja, ich weiß, was du meinst, aber für Bargeld bekommst 
du hier nichts, Schlamper, und sonst auch nirgends. Nicht mal 
Erdnüsse. Kaffee oder Schnaps, egal was ­ du brauchst für alles 
eine IC-Karte ... ich weiß wirklich nicht, wie ihr mit diesem 
Zeug klarkommt. In der ganzen City gibt es noch höchstens 

drei Läden, die Bargeld akzeptieren. Blitzüberweisung ­« 
»SCHEISSDRAUF!«, knurrte der alte Mann, leckte sich die 
trockenen Lippen und kramte seine Scheine zusammen. »Die 
Musik hier drin ist eh für 'n Arsch!« 
Dann ging er hinaus. »Tut mir Leid, Opa«, rief ihm Cole 
traurig hinterher. Manche Leute können sich einfach nicht 
anpassen. 
Der Rest des Auftritts schien an ihm vorbei zu rasen, so be-
schäftigt war er. Catz kündigte eine Pause an und stapfte von 
der Bühne. Cole schaltete wieder auf Dosenmusik um und 
mixte Catz einen Drink. Sie kippte ihren trockenen doppelten 
Martini auf Ex und Cole stellte ihr zwei weitere hin. Catz war 
überdreht und zitterte ­ wie immer nach einem Auftritt aufge-
heizt bis zum Siedepunkt. 
»Hast du's gehört?«, fragte sie. 
Cole beugte sich über die Bar, pflanzte seine Ellbogen auf das 
Holz und fragte: »Wie zum Teufel soll ich das verstehen?« 
»Warst du am College nicht auf Lyrik spezialisiert, Stu?«, 
fragte sie halb spöttisch zurück. 
»Und? Ich bitte dich um einen Bericht über einen Kerl, ob 
ich ihm trauen und ihn als Rausschmeißer anstellen kann, und 
du erzählst mir irgendwelchen Scheiß, von wegen >heute Nacht 
geht die Stadt los< oder so was.« 
»Hast du die Psi-Bilder empfangen, die ich dir geschickt ha-
be?« 
»Ja, aber ­ so richtig verstanden hab ich sie nicht.« 
»Na  ja  ­  ich  auch  nicht.  Du  willst  wissen,  ob  du  dem  Kerl 
trauen kannst?« Sie lachte. »Du sprichst von einem >Kerl<. Ob 
du ihm >trauen< kannst. Himmel noch mal! Ja, klar, du könntest 

diesem Kerl deine Kinder anvertrauen, wenn du welche hättest, 
oder dein Geld, oder einen Job als Rausschmeißer. Wenn er sich 
drauf einlassen würde, könntest du auf ihn bauen. Aber er 
würde sich nie darauf einlassen. Er hat für so was keine Zeit ­ er 
muss was erledigen und ihm bleibt nur eine Nacht ... Und 
überhaupt, das ist nicht eine  Person. Verstehst du das nicht? 
Das ist die City. Höchstpersönlich. Die schlafenden Bestandtei-
le, die erwacht sind und sich einen Echtkörper träumen, 
Schlamper. Kapiert? Das ist die Fleisch gewordene Gestalt von 
all dem hier, dieser ganzen verdammten City, in einen Mann 
gebannt. Manchmal kommt die Welt in Göttergestalt und 
manchmal kommen Götter in Menschengestalt. Manchmal. 
Jetzt. Das ist eine ganze Stadt, dieser Mann, und ich meine das 
nicht metaphorisch.« 
Das sagte sie, ohne eine Miene zu verziehen. Bei jedem ande-
ren hätte Cole nur die Augen verdreht. Niemand kann einen 
Fremden ansehen und ihn begreifen, als würde er ihn ein Leben 
lang kennen. Niemand außer Catz. Catz hatte eine besondere 
Fähigkeit. Ein Mann von der Duke-Universität hatte ihr mal 
einen Haufen Geld angeboten, damit sie mit in den Osten kam 
und sich einem Esper-Test unterzog. Doch Catz hatte abge-
lehnt. Catz hat ihre Visionen, wenn sie es sagt, wenn ihre Intui-
tion meldet, dass etwas kommt. Cole wusste, dass er sich auf 
Catz' Urteil verlassen konnte ­ es war das Urteil ihrer besonde-
ren Fähigkeit. Also wusste Cole nun, wer der Fremde war. Und 
hatte Angst. 
Catz ging wieder auf die Bühne. Mit einem Mal schien es im 
Club Anesthesia sehr stickig zu sein. Der Qualm von Dope und 
Zigarettensmog und der vielfältige menschliche Gestank drück-

ten Cole die Kehle zu ­ fast musste er würgen. Er ließ sich von 
Bill ablösen und ging nach draußen. 
Auf dem Bürgersteig blieb er stehen und atmete die frische 
Frühlingsluft ein. 
Cole konnte nicht still stehen. Er lief vor dem Club auf und 
ab, um überschüssige Energie abzubauen. 
Er war nicht nur der frischen Luft wegen hier raus gekom-
men. Er wollte sich von etwas überzeugen. 
Er betrachtete die City. 
Es herrschte starker Verkehr, größtenteils Freier auf der 
Pirsch nach billigen Mösen und Jugendliche, die in der Gegend 
herumfuhren. Die Autos hupten und knurrten, Scheinwerfer 
duellierten sich, Kids brüllten unzusammenhängende Wörter 
aus den Wagenfenstern. Jemand warf beiläufig eine Flasche 
nach Cole. Sie prallte neben ihm gegen die Wand. »Arschlö-
cher«, murmelte er geistesabwesend. Die Betonadern waren mit 
Leuchtpunkten bedeckt ­ fahlblaue Lichtflecke von Fernseh-
schirmen in finsteren Wohnzimmern, helle weiße Lichtflecke 
von Badezimmern, bunte Lichter von Partys. Pornoschuppen 
glommen in lüsternem Neonpink und ein schwacher Wind 
spielte müßig mit Konfetti im Rinnstein. 
»Bruder, kannst du mir vielleicht was abgeben ­« 
Cole warf dem Penner einen kurzen Blick zu, ging die zwei 
Schritte zum IC-Automaten an der Ecke und tippte eine Freiga-
be für zwei Dollar ein. Die schmutzige Karte des Penners ­ jede 
Karte, die als nächstes in den Schlitz gesteckt wurde ­ war nun 
für einen halben Liter Wein gut. 
Der Penner lud sich den Betrag herunter und stolperte da-
von. Cole schob die Hände in die Hosentaschen und machte ein 

missmutiges Gesicht. Seine Schürze flatterte im Wind. Es roch 
nach Abgasen und schalem Wein und noch schalerer Pizza aus 
dem Laden an der Ecke, der eine Viertelpizza für einen Viertel-
dollar verkaufte. Der Gehweg wimmelte von Huren, dazwi-
schen ein paar Designer-Punks, Geldverleiher und eine Frau, 
die ihren Pudel spazieren führte, eine Hand in der Tasche, wo 
wahrscheinlich eine Waffe steckte. 
Aus dem Club dröhnte immer noch Dosenmusik. Catz hatte 
noch nicht mit ihrem zweiten Set angefangen. Er lächelte, als er 
sich an ihre Debatten über Mainstreampop erinnerte. Sie be-
stand darauf, dass das Zeug inzwischen ausschließlich per 
Computer gemacht wurde, basierend auf Umfragen, psycholo-
gischen Trendprofilen, immer der neueste Stand nach gerade 
gültigem gesellschaftlichen Status Quo. So war Mainstreampop 
zu einem Mittel der Repression geworden, einem Betäubungs-
mittel, das dazu beitrug, dass ja alles blieb, wie es war. Der 
Rock'n'Roll der herrschenden Verhältnisse. Cole lachte darüber 
und hielt dagegen, dass jede populäre Musik den bestehenden 
Status Quo widerspiegelte oder doch die Sehnsucht danach, in 
die bestehenden Verhältnisse hineinzupassen, und er führte 
seinen Club nach Möglichkeit entsprechend der Vorlieben 
seiner Gäste ­ er ließ die Kellnerinnen zweimal im Jahr Umfra-
gen durchführen, was für Musik seine Gäste zwischen den 
Liveauftritten am liebsten hören wollten, und größtenteils 
wollten sie handelsüblichen Mainstreampop. Das gab Cole die 
Möglichkeit, von Zeit zu Zeit ungewöhnlichere Bands zu bu-
chen, radikalere Bands wie Catz Wailen ­ weil er auf anderen 
Gebieten Kompromisse einging. Eben weil die meisten Bands, 
die er buchte, konventionelle Barmusiker waren und spielten, 

was gerade angesagt war. Catz fauchte nur, dass er sich der 
faschistischen Mentalität anpasste, und fügte hinzu: »Unterm 
Strich,  Cole  mein  Freund,  bist  du  eben  doch  nur  ein  Kollekti-
vist. Du machst die Hure für Volkes Wille. Ich bin Individuali-
stin.« Und Cole widersprach ihr, und so drehten sich ihre 
Debatten im Kreis und kamen nicht von der Stelle, wie Main-
streampop. 
Die Dosenmusik brach abrupt ab, als Catz ins Mikrophon 
kreischte ­ ihre Stimme hallte über die Anlage die Straße hinauf 
und hinunter, die Huren mussten lachen und die Streuner 
erschraken: »Macht das hirnlose Gedudel AUS!« 
Catz' Musik dröhnte auf die Straße, dass die Laternenpfähle 
bebten ­ Cole lehnte mit der Hand an einem und spürte, wie die 
Bässe in der Stahlsäule vibrierten. Ihm war danach, den Krach 
eine Weile hinter sich zu lassen und dem Beigeschmack von 
Anklage  in  Catz'  Gesang  zu  entkommen, der sich heute Nacht 
unterschwellig gegen ihn zu richten schien. Er schlenderte 
Richtung Süden, die Hände in den Taschen, blieb von Zeit zu 
Zeit stehen und flachste mit den Dealern und Streunern, auf-
gemotzt sinnloses Gewäsch unter Straßenlampen ... Cole nickte 
und sagte: »Echt wahr? Klingt gut, wenn du das nötige Kapital 
zusammenkratzen kannst«, als Mario ihm erzählte, er würde in 
der Modewelt »fett Kohle« machen, denn seine Alte hatte sich 
Jeans ohne Hosenboden ausgedacht, mit durchsichtigem Mate-
rial über dem Hintern, er musste jetzt nur noch einen Geldge-
ber auftreiben, dann würde er wirklich abzocken.  Und Cole 
sagte: »Na, Mario, du hast schon immer jedem Arsch nachge-
schaut.« Alle lachten ­ Filipinos aus dem benachbarten Viertel, 
die auf Abenteuer aus waren. Cole spendierte ein paar Zigaret-

ten, lehnte Marios Angebot ab, seinen Sturmangriff auf die 
Bekleidungsindustrie zu finanzieren, mimte einen Zug an 
einem Zelluloid-Stäbchen und ging seiner Wege. 
Er unterhielt sich mit dem schwarzen Klumpfuß in der 
Hardcore-3D-Videothek, sah sich höflich die neuesten Live-
Abspielgeräte an, betrachtete mit zurückhaltendem Interesse 
die Regale ­ all die Leiber, in der Vielzahl menschlicher Paa-
rungen zu Fleischknoten verschmolzen. Bei näherer Überle-
gung kam ihm der Verdacht, dass er den Pornohändler auf-
suchte, weil er sich eine Kostprobe der Erregung erhoffte, und 
sei es nur ein winziges Zucken beim Betrachten der holographi-
schen Fruchtbarkeitsriten. Bloß um sich zu überprüfen, ob sich 
nicht doch etwas geändert hatte. Aber nein, keine Erregung, 
nicht einmal eine halbe Erektion ... Er lachte höflich über den 
Stapel alter Bücher, die ihm der Verkäufer im Hinterzimmer 
zeigte. Niemand las mehr Pornoromane. Die Leute wollten 
Magazine und 3D-Videos und Filme und Multisimulatoren. 
»Die schlappen Teile liegen jetzt schon fünf Jahre hier rum und 
keiner kauft sie«, sagte der Verkäufer und stampfte wieder nach 
vorne. »Vergisses. Ich verbrenn den ganzen Scheiß, wenn sie 
mir dieses Jahr das Gas abdrehen. Gottverdammte Gasrationie-
rung.« 
Cole pflichtete ihm bei und kehrte auf die Straße zurück. Er 
kam an einer Gruppe von drei schwarzen Huren vorbei. Die 
eine, die ihn noch nicht kannte, machte ihm das obligatorische 
Angebot: »Wie wär's mit uns?« Die anderen beiden taten aus 
Spaß so, als würden sie ihn anmachen, und Cole spielte den 
interessierten Freier. »Ihr verkauft euch aber unter Wert, meine 
Damen. Für so wunderschöne Beine würde ich glatt 737.000 

Dollar abbuchen. Das könnte ich euch allerdings nicht antun. 
Die Jungs von der Steuer würden euch auseinander nehmen.« 
»Scheiße, ich mach's für einen kostenlosen Drink in deinem 
Rattenloch, Cole.« 
»In einem Rattenloch gibt's nichts zu trinken, Miststück.« 
»Ich hab natürlich das vornehme stadtbekannte Lokal ge-
meint, das du da betreibst, Schätzchen.« 
»Schätzchen, ja? Vornehmes stadtbekanntes Lokal, ja? 
Komm mal nach Mitternacht vorbei, und ich spendier dir einen 
Brandy mit Seven-Up.« 
Die anderen beeilten sich, seinen  Club  zu  loben:  »Ich  hab 
über den Laden im Bon Appetit gelesen. He, ich hab dein Bild 
sogar in einer Zeitschrift gesehen, Mann.« 
»Was?« 
»Im Überblick, Mann.« 
»Schon wahr, die liest die ganze Zeit so 'n Kram«, sagte eine 
der anderen Frauen und zündete sich einen Joint an. 
»In dem Artikel stand, was du doch für ein Alleskönner bist, 
Cole. Du hast gesagt, dass ein paar Dinge in deinem Club die 
Vigilantenwichser ganz schön auf die Palme bringen werden.« 
»Wie bitte? Davon weiß ich gar nichts. Der Kerl hat mir ein 
paar Fragen gestellt, ich hab sie beantwortet und gleich wieder 
vergessen. Ich hätte mich da nicht drauf einlassen sollen.« 
»Du hast gesagt, dass die Vigs für die Schläger des Viertels 
arbeiten, die die Huren organisieren wollen, doch die Huren-
gewerkschaft hat das nicht zugelassen, also haben sie diese 
Typen angeheuert, die die Huren und Stricher belästigen und so 
tun, als wären sie moralisch entrüstet, dabei geht es ihnen nur 
um Schutzgelder ...« 

»Genau so läuft's«, sagte jemand, doch Cole schenkte dem 
keine Aufmerksamkeit. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich 
Sorgen zu machen. Die Vigs hatten einen Club in Oakland in 
die Luft gejagt, weil er Huren reinließ ... 
Er sagte: »Bis später, die Damen«, und setzte seinen Spazier-
gang fort. Als er durch den Inhalt einer umgestoßenen Abfall-
tonne stapfte, rannte eine Kakerlake von der Größe einer Maus 
über  seinen  Stiefel.  Wütend  trat  er  nach  dem  Insekt  und  es 
klatschte auf die Windschutzscheibe eines parkenden Mini-
Dampfcad. 
Er suchte sich eine Kombination aus Telefonzelle und Zei-
tungskiosk, setzte sich auf den Stahlhocker, steckte seine IC-
Karte in den Schlitz und tippte den Code für die Zeitschriften 
ein. Eine Übersicht der verfügbaren Blätter erschien auf dem 
Bildschirm über dem Telefon. Er wählte den Überblick vom Mai 
2008. Das Inhaltsverzeichnis erschien; er klickte die entspre-
chende Seite an: 
 
DREI MÄNNER UND DREI NACHTCLUBS 
Ich habe drei Abende lang mit drei Nachtclubbesitzern 
gesprochen, und ich habe drei unterschiedliche Facetten 
unserer City kennen gelernt. Am Freitag habe ich mich 
mit Billy Russiter getroffen, dem Besitzer des renommier-
ten Carlton an der ... 
 
Cole verzog das Gesicht und klickte weiter, bis er zu dem Ab-
schnitt kam, der sich um den Club Anesthesia drehte. 
 
 

... Stuart Coles eigentümlicher Sinn für Humor zeigt sich 
einerseits im Namen seines Clubs, andererseits in der Aus-
stattung der Räumlichkeiten. Natürlich gehen wir alle in 
eine Bar, um uns zu betäuben, um den Schmerz mit Alko-
hol zu lindern und uns von der Show ablenken zu lassen ­ 
eine Gelegenheit, sich in der Menge zu verlieren. Dieser 
Club ist ­ oder war, bevor der größte Teil des Mobiliars 
zerschlagen und die Dekoration verwüstet wurde ­ wie die 
Station eines Krankenhauses gestrichen und eingerichtet. 
Die mittlere Tischreihe besteht aus Krankenhausbetten, 
deren Matratzen durch Tischplatten ersetzt sind, hier und 
dort stehen Ständer für IV-Flaschen und Medikamenten-
schränkchen, an den Wänden hängen Patientenberichte. 
Natürlich geht der größte Teil der Wirkung verloren, ein-
schließlich der gedämpft weißen Wandfarbe, wenn die 
Beleuchtung heruntergedreht wird und die Band auf der 
kleinen Bühne durchstartet. 
Stu Cole ist ein Mann mittleren Alters, jünger vielleicht als 
er aussieht, von harten Jahren und einer Vielfalt harter 
Arbeiten gezeichnet. Seine Haare werden dünner und sein 
wohlwollender Gesichtsausdruck kann die tiefen Sorgen-
falten nicht verbergen. 
 
Cole machte ein finsteres Gesicht und sprang weiter zum Inter-
view. 
 
Überblick:  Sie sind vor zehn Jahren aus New York hierher 
gekommen ? 
Cole:  Richtig, in New York habe ich acht Jahre gelebt, aber 

eigentlich bin ich hier in der Gegend aufgewachsen, größten-
teils in Oakland und Berkeley. Früher habe ich von San Fran-
cisco geträumt ­ äußerst lebhaft! ­, sogar noch, als ich bereits 
sechs Jahre in New York wohnte. Vielleicht bin ich deshalb 
hierher zurückgekehrt. 
Überblick: Was haben Sie denn in New York so getan? 
Cole:  Das ist eine sehr allgemeine Frage. Wenn Sie wissen 
möchten, wovon ich gelebt habe, nun ja ... ich habe als Stri-
cher angefangen. 
Überblick: Eine männliche Prostituierte? 
Cole: Ja, klar. Sie wollten doch ehrliche Antworten, oder? Mei-
stens hatte ich es mit schwulen älteren Männern zu tun, 
manchmal auch mit Heteropärchen. Ich war nicht unbedingt 
schwul, aber wenn ich dafür bezahlt wurde, konnte ich da 
schon mit. Allerdings war es auch eine harte Zeit. Ich habe 
aufgehört, nachdem mich ein Widerling draußen in Queens 
in einem Rangierbahnhof im Regen zurückgelassen hat. Er 
hat mich einfach aus dem Auto gestoßen, als ich mich anzog. 
Also habe ich mich um ein Stipendium beworben und bin 
wieder zur Schule gegangen. 
Überblick:  Und Sie haben Ihr Examen mit Auszeichnung be-
standen, wenn ich mich nicht irre, doch dann haben Sie Ih-
ren Titel ausgeschlagen. Warum? 
Cole:  Ich fand die Examenstitel elitär und bedeutungslos mit 
ihrem ausschließlichen Zweck, einen aus der Masse hervor-
zuheben. Ich wollte nie aus der Masse hervorgehoben wer-
den. Ich habe mich immer ein bisschen, na ja, wie ein Au-
ßenseiter gefühlt, und umso mehr habe ich mir gewünscht, 
dazuzugehören. Also kann man sagen, ich habe mein ganzes 

Leben nach einem Umfeld gesucht, wo ich hingehöre. Ich 
habe wohl irgendeine Art von Familie gebraucht. Mit meinen 
Eltern habe ich mich nie besonders gut verstanden. Meine 
Schwester ist seit längerer Zeit verschwunden. Alles, was ich 
habe, ist mein Club und meine ... na, im Grunde die ganze 
verdammte City. 
Überblick:  Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich langjährige 
Bewohner von San Francisco in ihrer Stadt zu Hause fühlen. 
Manche werden dabei richtiggehend fanatisch. 
Cole:  Das geht mir ähnlich. Ich bin wohl auch ein Fanatiker, 
allerdings kein Bekehrer oder Eiferer. Viele Leute regen sich 
über die Touristen auf, die über die City herfallen. Für mich 
gehören Touristen zum Mobiliar. Die Stadt ist auf sie ange-
wiesen. Diese City ist auch deswegen so ungewöhnlich, weil 
sie so dicht bevölkert ist. Was ich damit sagen will ­ das Zen-
trum ist völlig überlaufen, alles passiert auf dieser kleinen 
Halbinsel und an den Steilhängen der Hügel. Die Latinos 
und die schwarze Bevölkerung und die Filipinos und die 
Chinesen und die Japaner und die Schwulen, all die Homos 
hier, und die Araber und die Inder und die weiße Mittelklas-
se ­ alles lebt hier dicht an dicht, von morgens bis abends, 
und die diversen »Ghettos« haben fließende Grenzen. So hat 
sich ein starkes Gemeinschaftsgefühl entwickelt, glaube ich. 
Überblick: In Ihrer Ausdrucksweise liegt eine starke Spannung, 
Stu. Sie schwanken zwischen Straßenslang und der Wortwahl 
eines gebildeten Mannes. 
Cole: (lacht) Nun ja, es gibt Bildung und Bildung. Mir hat das, 
was ich auf der Straße gelernt habe, mehr gebracht. Aber 
klar, es ist eine seltsame Mischung. Ich habe etliche Leute 

kennen gelernt, die von den Medien wohl eher der »Unter-
welt« zugeordnet werden, und viele Künstler und Fotografen 
... ich suche wohl immer nach dem alles umfassenden Be-
greifen dieser Stadt. All die verschiedenen Bruchstücke. Als 
ich vor zehn Jahren diesen Haufen Kredite aufgenommen 
und mich bis zum Arsch verschuldet habe, um den Club auf 
die Beine zu stellen, ging es mir wohl auch darum, neutralen 
Boden zu schaffen, um mit der City als Ganzes Kontakt auf-
zunehmen. Eine Zeit lang sah der Club genauso aus wie alle 
anderen. Aber mir schwebte etwas anderes vor. Sie würden 
sich wundern, wie viele verschiedene Leute zu uns kommen. 
Modezombies, Neopunks, Transen, Künstler, Mechaniker, 
eine ganze Reihe superkonventionelle Gestalten und haufen-
weise Durchgeknallte ... 
Überblick: Mit ihrem Programm scheinen Sie es ja genau darauf 
anzulegen. Multimedia-Shows, Stegreifkomiker, Soulmusi-
ker, Rockbands, Jazzformationen, Popgruppen ... und jetzt 
Catz Wailen ... 
Cole: Nun, ich kenne Catz schon recht lange. So jemanden wie 
sie  muss  es  am  Anfang  jedes  Jahrzehnts  geben.  Um  reinen 
Tisch zu machen. In den Sechzigern waren das Bob Dylan 
und Lou Reed und Hendrix, in den Siebzigern Patti Smith, in 
den Achtzigern John Lydon ... 
Überblick: Damit heben Sie sie aber in erlauchte Gesellschaft. 
 
»Du verdammter Rotzbengel«, murmelte Cole. Er zwang sich 
zum Weiterlesen. 
 
 

Cole: Das hat sie mehr als verdient, mein Freund. Sie ­ 
Überblick: Vor einigen Jahren haben Sie sich in der Stadtpolitik 
engagiert, inzwischen haben Sie sich allerdings wieder 
zurückgezogen. 
Cole: Ach, ich habe Unterschriften gesammelt, ein paar Volks-
entscheide angeregt, ein paar Artikel geschrieben, einen 
Kandidaten unterstützt ... nichts Besonderes ... 
Überblick: Immerhin gab es Gerüchte, Sie würden für das Amt 
des Polizeipräsidenten kandidieren. 
Cole:  Ich habe das in Erwägung gezogen. Und bin zu dem 
Schluss gekommen, dass meine Chancen nicht gut standen. 
Aber klar, mich interessiert stadtinterne Politik, Verwaltung, 
Fragen, die über die Interessen der Unterhaltungsindustrie 
hinausgehen. Ich identifiziere mich mit der City. Also sind 
ihre Probleme auch meine. 
Überblick:  Sie haben einige Leute ziemlich auf die Palme ge-
bracht, als Sie sich um einen Gesetzesentwurf bemühten, der 
es kleinen Geschäften erlauben sollte, weiterhin Bargeld zu 
verwenden. 
Cole: Der Siegeszug der AEA-Lobby hat die Leute verängstigt. 
Überblick: Wovor haben sie Angst? 
Cole: Die schiere Macht dieser Organisation. Sie hat uns alle in 
der Hand, denn sie kontrolliert unsere finanziellen Transak-
tionen. Das ist eine gefährliche Situation. Stellen Sie sich nur 
mal vor, das organisierte Verbrechen ­ bloß als Beispiel ­ 
würde über Intercash die Kontrolle über die AEA erlangen. 
Da alle Transaktionen elektronisch durchgeführt werden und 
dies einen Zugriff aus der Ferne ermöglicht, könnte das zu 
einer Veruntreuung ... nun, vielleicht sollte ich das nicht zu 

weit ausführen. 
Überblick:  Ich habe gehört, dass auch Ihr Club eine Drohung 
aus den Reihen der Vigilanten erhalten hat. 
Cole:  Stimmt. Sie haben sie an die Tür geklebt. Ich habe zwei 
Stunden gebraucht, um sie wieder runterzukriegen. Aber sie 
liegen falsch ­ ich »rechtfertige« die Prostitution nicht. Al-
lerdings verurteile ich sie auch nicht. Die Menschen sind, wie 
sie sind, es wird immer Prostituierte geben. Seit es jetzt halb 
legal ist, wie Kiffen, mit einer eigenen Gewerkschaft, ist alles 
viel sicherer geworden. Dieser neue Puritanismus ist absurd, 
Mann. Er ist verdächtig. 
Überblick: Was meinen Sie mit verdächtig? 
Cole:  Diese Typen sind viel zu gut organisiert. Sie nehmen die 
Laster ins Visier, mit denen das große Geld verdient wird ­ 
Geldspiele, Prostitution ­, lassen andererseits das neue, von 
der Regierung subventionierte Drogenprogramm unangeta-
stet ­ die Ausgabe von H an Junkies und Speed an Speed-
freaks, um alle im Visier zu behalten. Ich glaube, dass die für 
jemanden arbeiten, der an all dem verdient und noch mehr 
verdienen möchte ... 
 
Der Bildschirm wurde schwarz bis auf die Wörter ZAHLEN SIE 
NOCHMALS $1 FÜR WEITERE ZEHN MINUTEN. Cole 
zuckte die Achseln und wandte sich ab. In Gedanken versunken 
schlenderte er zum Club zurück. Der Lärm aus den Kneipen 
schwoll an und ab, während er vorüberging. 
Die Nacht war angenehm mild. Er näherte sich dem Anes-
thesia. Catz' verstärkte Stimme hallte von den umliegenden 
Gebäuden wider. Er musste an die Psi-Bilder denken, die sie 

ihm übermittelt hatte. Etwas Kaltes kroch seinen Rücken hinab. 
Er blieb vor dem Eingang des Clubs stehen, als die Band eine 
Pause einlegte, damit Catz eins ihrer Gedichte vortragen konn-
te. Cole lauschte der City, filterte Geräusche. Er schaute um 
sich, sortierte Eindrücke. Und fand, was er gesucht hatte. Die 
Präsenz der City, das alle Schattierungen einbeziehende Ge-
staltmuster, die unsichtbare Beziehung zwischen den Glas-
scherben im Rinnstein und der Antenne einer Limousine, die 
unmerkliche Verbindung zwischen dem Geruch erbrochenen 
Weines und dem Duft der Blumenstände ... diese Präsenz, nach 
der nur ein Narr nicht suchen würde. Denn war man erst 
empfänglich für die Präsenz, dann spürte man für gewöhnlich, 
ob um die Ecke eine gefährliche Gang auf der Lauer lag oder ob 
im eigenen Mietshaus ein Brand auszubrechen drohte. Man 
verließ aus einer Eingebung heraus unvermittelt das Gebäude, 
ohne den Grund zu kennen ­ bis man ihn am nächsten Tag aus 
der Zeitung erfuhr. Und diese Präsenz war jetzt hier. Doch 
wenn der fremde Mann war, was Catz behauptete ... 
Dann verstand Cole. Die Präsenz war da, hier draußen. Doch 
ihre Persönlichkeit, dieser Faktor aus eigensinniger Intelligenz, 
der das geschäftige Summen der City begleitete ­ war fast 
verschwunden. Er hatte sich materialisiert. Hier draußen auf 
der Straße war er gedämpft. Denn die Persönlichkeit der City 
befand sich drinnen, verkörpert von einem Mann, der in Coles 
Club wartete. Dort drinnen, und er trug einen zerbeulten brau-
nen Hut und eine Spiegelbrille. 
Cole nickte nachdenklich. 
Es ging mir darum, neutralen Boden zu schaffen, um mit der 
City als Ganzes Kontakt aufzunehmen ... 

Cole betrat seinen Club. 
Da stand er. Cole entdeckte den Mann mit der Spiegelbrille 
auf Anhieb. 
Catz sprach mit ihm, sie standen beisammen wie alte Freun-
de. Cole schob sich durch die Menge, den Blick auf den Frem-
den geheftet. Er wollte unbedingt mit ihm sprechen. Er hatte 
keine Ahnung, was er ihm sagen würde. 
Cole blieb einen Meter entfernt stehen und betrachte sein 
doppeltes Spiegelbild in den Brillengläsern. Catz sprach leise, 
dicht am Ohr des Mannes; die endlos stereotypen Schnörkel des 
Konservenpops überlagerten ihre Stimme. Ein Dutzend Fragen 
lagen Cole auf der Zunge. Alle kamen ihm völlig blödsinnig vor. 
Er  hätte  gern  gefragt:  >City,  wo  hast  du  meine  Schwester  Perle 
versteckt? Sie ist Alkoholikerin und ich habe seit acht Monaten 
nichts von ihr gehört. Sie muss tot sein oder in Oakland. Oak-
land ist nicht der Tod, aber es ist schon eine Art Koma.< Und: 
>City, gibt es für mich nicht eine schönere Wohnung als diese 
Zweizimmerbude im Mission-Viertel?< Und: >City, warum 
musste mein bester Freund auf der Autobahn unter den Rädern 
eines Sattelschleppers sterben? Hast du was gegen Tramper?< 
Doch er behielt all diese Fragen für sich. Er starrte in die ver-
spiegelten Gläser und verspürte den Drang, in Tränen auszu-
brechen. Er zog die Schürze aus und warf sie auf den Boden. 
Für heute Nacht hatte er genug. 
Eine Kellnerin sagte etwas zu City. Die Dosenmusik wurde 
für einen Augenblick leiser, und Cole hörte: »Sir, die Gäste an 
Tisch Fünf würden Sie gerne zu einem Drink einladen.« City 
nickte und folgte ihr durch einen Wald aus durchsichtigen 
Plastikmänteln und Sträflingshaut-Leggings zu Tisch Fünf, wo 

ein paar Modezombies mit ausdruckslosen Gesichtern saßen 
und sich verzweifelt amüsieren wollten. Sie prunkten in durch-
sichtigen Kunststoffanzügen mit Bordüren in dezentem Blau 
und Neonrot. City war noch gut zehn Meter von den vier 
Zombies entfernt, als Cole ihn vorübergehend aus den Augen 
verlor. Als er im Gewühl der Menge verschwand, trug er seinen 
Hut und den abgetragenen Trenchcoat. Zehn Sekunden später 
tauchte er wieder auf und trug eine glitzernde Maschendraht-
Weste, ein durchsichtiges Webplastik-Jackett und gelbe Satin-
leggings, keinen Hut und an den Füßen Sträflingshautstiefel 
(negro) mit Spikes ­ und noch dieselbe stahlgerahmte Spiegel-
brille. 
Catz hatte Recht. Eine Stadt wandelte unter Menschen. 
Catz stand im Hintergrund und hörte zu, wie City mit den 
Leuten am Tisch redete. Cole konnte das Gesicht von City nicht 
sehen,  konnte  aber  an  der  angewiderten Faszination der vier 
Spießer ablesen, dass er etwas zu ihnen sagte. Catz lachte. Cole 
kämpfte sich zu dem Tisch durch. Je näher er kam, desto lauter 
wurde die Musik, obwohl er sich immer weiter von den Boxen 
entfernte ... 
Wenn er sonst an der Bar arbeitete, hörte er die Musik aus 
den 2-Meter-Boxen, die um die Tanzfläche herum standen, gar 
nicht mehr. Er hatte gelernt sie auszublenden. Ein Mensch, der 
immer wieder die gleichen Nummern von einem neunzigminü-
tigen Endlosband hört, wird entweder hysterisch oder teil-
nahmslos. Die maschinelle Perfektion ununterbrochener Beats, 
die gefühllose Beschwörung von Gefühlen, die hypnotische 
Unerbittlichkeit von tausend Varianten erotischer Zuckungen ­ 
der verschlungene Stoff, aus dem Alpträume wuchern und 

Paranoia sich nährt. 
Aber jetzt hörte Cole hin. Die Musik brachte ihn City näher. 
Je  dichter  er  an  Tisch  fünf  herankam ­ die Zombies waren 
aufgestanden und brüllten herum ­, desto lauter gellte die 
Musik in seinen Ohren, und die Stimme vom Band intonierte: 
IMMER IM KREIS BIS ZU ALLERLETZT / HORCH WIE DER 
MANN DAS RASIERMESSER WETZT / IMMER IM KREIS 
BIS ZU ALLERLETZT / HORCH WIE DER MANN DAS 
RASIERMESSER WETZT / IMMER IM KREIS ... 
Das war der ganze Text, computergeneriert wie die Musik, 
und er wiederholte sich bis zum Fadeout. 
Cole erreichte den Tisch. City schwieg jetzt. Er sah zu, wie 
einer der kunstvoll gekleideten Zombies einen Nadeldolch aus 
einem seiner kniehohen Sträflingshautstiefel zog und einem 
anderen Glitzerzombie zwischen  die  Rippen  stach.  Der  Emp-
fänger dieses eisigen, spitz zulaufenden Geschenkes fiel hinten-
über und stieß gegen einen anderen Zombie, der offenbar im 
Begriff war, die Frau des Messerstechers zu vergewaltigen. Die 
Frau schlug mit einer Gummiflasche auf Kopf und Schultern 
des Vergewaltigers ein. Catz und die Menge sahen zu. Rich, der 
Rausschmeißer, ging leicht ärgerlich dazwischen und schleifte 
die Beteiligten nach draußen. 
City  wandte  sich  Cole  zu.  City trug keine Plastikklamotten 
mehr. Er trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd, eine 
blaue Spiralkrawatte ­ wie Cole. City machte sich auf den Weg 
zur Tür. Cole folgte ihm, ohne irgendetwas in Frage zu stellen. 
Catz gab ihrer Band ein Zeichen, den Abend mit einer Instru-
mentalsession zu beenden, und schloss sich an. 
Als City den Bürgersteig betrat, krachten auf der Straße fünf 

Autos ineinander, als wolle sich der Verkehr vor ihm demüti-
gen, ein Kniefall aus zerknautschtem Blech. Ein Stück ver-
chromte Stoßstange zischte an Coles Kopf vorbei und blieb im 
Mauerwerk stecken. Die urbane Spannung der Großstadt lag 
fast greifbar in der Nacht. City warf einen Blick auf die Auto-
wracks, nickte und wandte sich ab. Catz und Cole stiegen über 
die Modezombies, die noch auf dem Gehweg zappelten und 
bluteten, und folgten City, knapp links hinter ihm, sodass sie 
ihn aus den Augenwinkeln beobachten konnten. 
Zurück blieben ein blauer gasoholbetriebener Ford Stampfer 
Lieferwagen, ein gelber VW Schuft  Elektro, ein goldener 69er 
Ford Falke, ein weißer dampfbetriebener Lincoln Continental 
und ein roter VW Käfer, mit zerknautschten Schnauzen inein-
ander verschlungen, aus fünf Richtungen miteinander verheira-
tet, ein Pentagramm aus verbogenem Stahl, zerfetztem Gummi, 
loderndem Treibstoff, Glasscherben und rot triefendem Fleisch. 
Das Dosenmusik-Endlosband schien City auf die Straße ge-
folgt zu sein, ja aus seinem Körper zu dringen. Zielstrebig, 
unablässig, die vertonte Blaupause des Stadtplans einer Groß-
stadt. 
Die Computermusik hallte von den Mauern, rüttelte an 
Schaufenstern und entlockte Cole einen Seufzer. Catz pfiff mit, 
hüpfte fröhlich umher und trat nach Abfalleimern. 
»Was hat er den Zombies erzählt, dass sie übereinander her-
gefallen sind?«, flüsterte Cole Catz zu, die vor sich hin summte 
und den Reißverschluss ihrer schwarzen Lederjacke zuzog. 
Sie lachte. »Er hat dem Mann mit dem Messer erzählt, dass 
sein bester Freund ­ der mit dem Messer zwischen den Rippen 
­ ein Verhältnis mit seiner Frau hat. Daraufhin hat er seinen 

besten Freund ermordet, weil der sein Liebhaber war und ­ 
soweit ich das mitbekommen habe ­ nur mit ihm  schlafen 
sollte. Weil er aber mit der Frau des Messerstechers gevögelt 
hat, ist er gleichzeitig ihm untreu geworden.« 
»Schon gut. Was war mit dem Vergewaltiger?« 
»Der Vergewaltiger war der Bruder des Opfers. Er begehrt 
seine Schwester schon sein Leben lang. City hat ihm erklärt, 
dass seine Schwester ein Verhältnis mit seinem älteren Bruder 
hat, ihn aber ziemlich widerlich findet und ihn nur an der Nase 
herum führt, weil sie Gefallen an seiner Lüsternheit gefunden 
hat, ihn aber nie an sich heranlassen würde.« 
»Und sie wussten, dass er die Wahrheit sagt. Sie haben keine 
Sekunde an seinen Worten gezweifelt.« 
»Nein, das haben sie nicht. Er ist ungefähr so überzeugend 
wie ein Dreißigtonner mit Höchstgeschwindigkeit. Hast du 
vielleicht Zweifel?« 
»Nein. Schließlich bin ich hier, oder? Wohin gehen wir ei-
gentlich? Warum ist er heute Abend hier? Warum zeigt er sich 
unter uns? Und wie?« 
»Er möchte sich selbst in- und auswendig kennen lernen. Ei-
ne nur zu verständliche Motivation. Er klopft sich selbst ab, 
überprüft seine Reflexe, forscht und schmeckt, sucht nach 
Selbstbestätigung. Wie? Das kollektive Unterbewusstsein hat 
von einem Menschen Besitz ergriffen und ihn verwandelt. Er 
lässt Dinge wahr werden, er löst Spannungen, er rechtfertigt die 
Dramen des Lebens, indem er unser Schicksal erfüllt.« 
»Du sprichst absichtlich in Rätseln, um mich auf die Folter 
zu spannen. Catz, dir macht es Spaß, mich zu verwirren.« 
»>Please allow me to introduce myself ... ahnt Ihr endlich, 

wer  ich  bin?  ­  Was  euch  so  verwirrt, ist mein Spiel im besten 
Sinn.<« 
Die Nacht hatte ihren Höhepunkt erreicht. Alle Leute ver-
folgten irgendwelche persönlichen Ziele und waren ganz auf 
diese Ziele fixiert, nahmen sonst nicht viel wahr, Ziele wie ein 
Knochen für einen Hund. Niemand bemerkte, dass City Pop-
musik verströmte, obwohl er keinerlei Abspielgerät bei sich 
hatte. 
In der Ferne überlappten sich die strengen Gesichtszüge der 
City in einer Patina betörender Schuppen, brach sich das Licht 
der Neonröhren, Autoscheinwerfer, Straßenlaternen und Me-
talloberflächen; funkelte durch Wolken von Zigarettenqualm, 
Dampf aus Kanaldeckeln und Kohlenmonoxyd. 
Die warme Brise vermischte Gerüche von gekochtem Fleisch 
und Abfällen. Cole wurde übel. 
Und er war nervös. Die City kam ihm unnatürlich energiege-
laden vor; die Geräusche, pfeifende Knaben, knirschende Kol-
ben, einrastende Gänge ­ alles zu laut. 
Kopfschmerz und Brechreiz drückten ihn nieder, Elend er-
fasste ihn. Cole wünschte sich nur noch, diese widerliche Pop-
musik möge endlich aufhören. Doch er kam nicht auf den 
Gedanken, von Citys Seite zu weichen. 
Sie durchquerten Chinatown und die Hälfte der Straßen-
schilder zeigten Ideogramme, Rätsel in Neon; der Hügel wurde 
steiler, Coles Kopfschmerz pochte stärker. Auf dem Kamm des 
Hügels blieben sie stehen und bewunderten die Skyline. Das 
eckige Diagramm der Lichter der Großstadt spiegelte sich in 
Citys gläsernen Augen. Er öffnete leicht den Mund und hauchte 
unhörbar einen Namen. 

Von links hallte jungenhaftes Gelächter herüber. Diese Rich-
tung schlug City ein, folgte einer finsteren Seitenstraße. Abfall 
häufte sich auf dem Gehweg um die Hintertüren chinesischer 
Lebensmittelgeschäfte, es roch nach Fisch und verfaultem 
Gemüse. 
Sie liefen schnell, in aller Stille, fünfzehn Häuserblocks wei-
ter, bis sie Chinatown verließen und zwischen eng aneinander 
gedrängten, hochmütigen viktorianischen Häusern einen steil 
abfallenden Hügel hinab schlidderten. 
Unvermittelt blieb City stehen und betrachtete nachdenklich 
die Häuser zu ihrer Rechten. Die ewig gleiche Musik dämpfte 
sich zu einem Flüstern. 
Die Haustüren dreier nebeneinander stehender Häuser wur-
den aufgestoßen. Fünf Menschen stürzten heraus, zwei Paare 
und eine ältere Frau. Mit hochroten Gesichtern stürmten sie 
ihre Holztreppen hinunter und hasteten über ihre Vorgarten-
Kieswege auf City, Cole und Catz zu, die unter einer Straßenla-
terne warteten. Cole warf City einen Seitenblick zu. Dann 
starrte er ihn an. City trug jetzt einen konservativen grauen 
Anzug und auf Hochglanz polierte, teuer aussehende braune 
Schuhe. 
Beide Paare waren mittleren Alters und obere Mittelschicht. 
Einmal Mann und Frau mit eckigen deutschen Gesichtern und 
kurz geschnittenen grauschwarzen Haaren; der Mann trug eine 
lose schwarze Krawatte, die er eilig zurechtrückte. Das andere 
Paar steckte in Schlafanzügen und Morgenmänteln. Der Mann 
neigte zu Glatze und Korpulenz, sein Mund unter dem 
Schnurrbart stand offen und die behausschuhten Füße rutsch-
ten nervös auf dem Pflaster; seine Frau blinzelte City durch 

dicke Brillengläser an, ihr mausbraunes Haar steckte in einem 
Haarnetz. Die fünfte Person, eine alte Frau, trug ein weißes 
Nachthemd, einen abgewetzten blauen Bademantel, Haus-
schlappen und ein Haarnetz, das über und über mit roten 
Plastikrosen  bedeckt  war.  In  ihrer rechten Hand hielt sie eine 
Taschenlampe, in ihrer Linken eine kleine, vernickelte Pistole. 
Ihre dunkel umschatteten Augen waren schwarz mit bitteren 
Falten ringsherum. Sie sprach als Erste: 
»Was für ein Notfall denn?« Sie wandte sich ihrem Haus zu, 
als würde sie jeden Moment damit rechnen, dass es in Flammen 
aufging. »Ich habe gehört ­« Sie runzelte die Stirn. 
Die andere Frau im Morgenmantel sprach mit zitternder 
Stimme: »Was haben Sie gehört? Wir haben gehört, wie jemand 
>Ein Notfall! Gehen Sie sofort nach draußen!< gerufen hat. So 
verdammt laut, dass ich dachte, mir platzen die Trommelfelle. 
Mein Gott, ich habe schon gedacht, es wäre ein Bombenalarm ­« 
»Ja, ja, genau das habe ich auch gehört«, sagte der ältere 
Mann mit leicht deutschem Akzent. »Es klang irgendwie offizi-
ell. >Ein Notfall! Gehen Sie nach draußen!<« Alle starrten City 
böse an und warteten auf eine Erklärung. 
»Möchten Sie heute Nacht Ihre Kinder sehen?« Das war das 
erste Mal, dass Cole City sprechen hörte. Eine kalte, aber klang-
volle Stimme. Citys Gesicht hatte sich erneut verändert. Sein 
Kinn war immer noch breit, doch plötzlich hatte er eine Ha-
kennase und seine Lippen bildeten einen misstrauischen 
Schnörkel wie bei einem einflussreichen Bürokraten. Dieselbe 
undurchsichtige Brille. Mit einer fließenden Handbewegung 
zog er eine lange schwarze Brieftasche aus seiner Jacke. Als er 
sie aufklappte, kam eine Marke der Polizei von San Francisco 

zum Vorschein. Sittendezernat. 
»Unsere ... Kinder?«, fragte die alte Frau und versuchte, sich 
ihre Wissbegier nicht anmerken zu lassen. 
»Ja. Wenn Sie bitte mitkommen wollen. Lassen Sie Pistole 
und Taschenlampe in Ihrem Briefkasten und folgen Sie mir.« 
»Jetzt? Zu dieser nachtschlafenden Zeit?«, fragte die Matrone 
im schwarzen Morgenmantel. 
City nickte. Er wies auf die Straße hinter sich. 
Cole  wandte  sich  um  und  bemerkte überrascht zwei Taxen, 
die mit leuchtenden Scheinwerfern und offenen Türen auf sie 
warteten. Er hatte sie nicht heranfahren hören. 
Die Gesichter beider Taxifahrer lagen im Schatten. 
Es gab keine weitere Debatte. Alle stiegen in die Taxen. Die 
alte Frau saß im selben Fahrzeug wie Cole, auf dem Vordersitz. 
Die Ehepaare folgten ihnen mit dem anderen Taxi. Die Musik 
von City, der sich neben Cole gezwängt hatte, klang leise, wie 
aus weiter Ferne. Cole ahnte, dass die alte Frau sie gar nicht 
hörte. 
Catz saß rechts neben City. Cole klemmte zwischen City und 
der Tür. Sein Arm wurde gegen Citys Körper gepresst ­ ein 
Körper, so hart und kalt wie Granit. Citys Ellbogen ruhte mit 
dem Gewicht eines Stahlträgers auf Coles Hüfte. City saß reglos 
da, den Blick nach vorn gerichtet. Zum ersten Mal sah Cole die 
Spiegelbrille aus der Nähe. Die Bügel der Brille lagen nicht auf 
seinen Ohren auf. Einen Zentimeter hinter dem Rahmen ver-
schwanden sie in seinen Schläfen, verschmolzen nahtlos mit 
Haut und Knochen. Der Rahmen der undurchsichtigen Gläser 
schmiegte sich so in die Augenhöhlen, dass Cole die Augen 
dahinter nicht sehen konnte. Falls da Augen waren. Zwischen 

den Gläsern gab es keinen Steg. Stattdessen war der Rahmen in 
Haut und Knorpel des Nasenrückens implantiert. Die Spiegel-
brille war Teil seines Schädels. 
Niemand hatte dem Taxifahrer die Richtung angegeben. Er 
sprach kein Wort, keine Silbe. Er schien zu wissen, wohin er 
wollte. Cole konnte kaum den Umriss seines Kopfes erkennen. 
Das Taxameter war nicht eingeschaltet. Es stand auf Null. 
Lichtkreise zogen an ihnen vorbei. Das Auto ­ ein brasiliani-
scher Sabo, der mit Alkohol aus Rohrzucker betrieben wurde ­ 
schnurrte fast lautlos über den Asphalt. Die alte Frau auf dem 
Beifahrersitz schluchzte. Cole hörte ein leises: »Marie ...« 
Die Taxen hielten hintereinander am Straßenrand und alle 
stiegen aus. 
Sie befanden sich auf der Hyde Street, nur wenige Häuser-
blocks vom Anesthesia entfernt, im Bezirk Tenderloin, im 
Hurenmekka. 
Ohne auf Entlohnung zu warten fuhren die Taxen davon. 
Der Mann mit dem dünnen Schnurrbart zog seinen Morgen-
mantel fester um sich und sah den Taxen erstaunt nach. Aus 
seiner Überraschung wurde Angst, als er bemerkte, dass der 
Polizist mit der Spiegelbrille verschwunden war und ihn um 
Mitternacht an einer Straßenecke zurückgelassen hatte, im 
Schlafanzug und umgeben von Huren und Zuhältern und Catz 
und Cole. 
Cole tippte ihm auf die Schulter und lächelte ihn an ­ beru-
higend, wie er hoffte. Cole hätte ihm gerne eine Erklärung 
gegeben. Aber es war sinnlos, ihm zu erklären, dass der Schwar-
ze mit der umgedrehten Baseballmütze und der Spiegelbrille, 
der da mit dem schwarzen Zuhälter sprach, der Polizist war, der 

sie hierher gebracht hatte und der gar kein >Polizist< war, son-
dern ein Mann, der gar kein Mann war, sondern von Catz mit 
der Stadt gleichgesetzt wurde. Sinnlos. 
Stattdessen also: »Ihr Name, Sir?«, fragte Cole freundlich. 
»Chester Jones, und ich warne Sie, ich bin Anwalt, und wenn 
das hier ­« 
»Warum um Himmels willen sind wir hier?«, fuhr der ältere 
Mann im dunklen Anzug dazwischen. 
Cole drehte sich um und sah, wie City mit dem Zuhälter in 
dem alten Mietshaus verschwand. 
Cole war auf sich gestellt. »Ich bin, äh, Dubois von der Kri-
po«, improvisierte er. »Ich ­ ich ermittle verdeckt. Was wir hier 
machen ­« Er zögerte. Warum waren  sie hier? »Wir möchten 
Sie wieder mit ihren Kindern zusammenbringen«, sagte er 
hastig. 
»Mein Roy? Haben Sie ihn gesehen? Roy Jones? Er ist ­«, leg-
te Mrs. Jones los. »Er ist groß, ein etwas blässlicher Junge ­« 
»Mein Roy! Mein Roy!«, kreischten die Huren und kicherten 
los. Eine schwarze Frau mit blonder Perücke und Sternenstaub 
auf den Augenlidern und ein weißes Mädchen mit schwarzer 
Perücke und Mitternachtsstaub auf den Augenlidern klatschten 
schallend die Hände aneinander ­ im Wechselspiel äfften sie 
Mrs. Jones nach, rangen die Hände und sangen im Chor: »Mein 
Royie! Mein kleiner Royie!« 
Die Dame im schwarzen Nachthemd ignorierte die Huren 
und fragte Cole: »Lucille Schmidt?« Sie beugte sich mit flehen-
dem Blick vor. »Sie haben sie gesehen?« 
»Ähm, wir werden uns um sie kümmern, Ma'am«, sagte Co-
le, da ihm nichts Besseres einfiel. Er zog Catz beiseite. »Hey, 

Catz, kannst du mal deine Antennen befragen: Irgendeinen 
Schimmer, was er mit ihnen vorhat? Ich weiß nicht, wenn die 
Kinder auf den Strich gehen, was bringt das alles ­« 
»Er wird sie miteinander aussöhnen, so oder so. Entweder 
gehen sie mit ihren Eltern und sie suchen gemeinsam einen 
Weg, oder sie beenden ihre Beziehung zu ihren Eltern auf 
andere Art ­ sie zerstören sie. Das ist ihm gleichgültig, wenn die 
Sache damit nur erledigt ist, auf die eine oder andere Art. Er 
überprüft Schaltkreise. Darin liegt keine Wertung. Huren sind 
ein Teil der City, er hat nichts gegen sie.« 
»Hey, hast du schon mal erlebt, dass jemand vom Strich weg 
einfach nach Hause gegangen ist, so einfach über Nacht? Be-
sonders wenn alle anderen zuschauen? Als ich damals ­« 
»Verdammt, weißt du nicht mehr, wie du mit diesen Idioten 
in New York in der Dreiundfünfzigsten Straße gehaust hast? 
Gab es da nicht Zeiten, wo du dich so fertig und beschissen 
gefühlt hast, wenn deine Eltern genau dann aufgetaucht wären, 
vielleicht  warst  du  zehn  Minuten  lang  so  einsam,  dass  du  mit 
ihnen gegangen wärst ... oder? War es nicht so?« 
»Ja. Klar. Immer mal wieder ein paar Minuten lang. Wenn 
mein alter Herr den richtigen Zeitpunkt erwischt hätte ... Ich 
versteh schon. City wird am besten wissen, wann die Zeit reif 
ist.« 
Catz deutete in ein Treppenhaus: City schob einen Teenager 
vor sich her. 
»Mama, was zum Henker machst du  denn hier?«, rief das 
Mädchen und kam die Stufen herunter. Sie war klein, mollig 
und blond. Sie trug Leggings und ein eng anliegendes Sweat-
shirt, die Haare in Zöpfen und fast keine Schminke. Der Schüle-

rinnen-Look ­ darauf flogen die Freier. 
Sie warf ihrem Vater einen wütenden Blick zu. Ihre Mutter 
rannte zu ihr und Lucille ließ sich widerstrebend umarmen, 
schaute entschuldigend zu den anderen Huren hinüber und 
rollte mit den Augen ... Doch zwei Minuten später wollte sie 
ihre Mutter nicht mehr loslassen. Sie heulte. Und zischte die 
feixenden Stricherinnen wütend an: »Verpiss dich, Fotze!« Ihr 
Vater stand steif daneben und wollte seiner Tochter gerade die 
Leviten lesen, als City ­ der sich wieder in den Zivilpolizisten 
zurückverwandelt hatte ­ zu ihm sagte: »Ihre selbstgerechte 
Einstellung ist unangemessen, Herr Schmidt. Im Juni des Jahres 
2002 haben sie einem jungen Mann in einem blauen Chevrolet 
fünftausend Dollar gezahlt. Wissen Sie noch, wofür?« 
Schmidt schaute City an. Angesichts der Unerbittlichkeit der 
Stadt San Francisco, die dieser Mann ausstrahlte, war Leugnen 
zwecklos. 
Schmidts Gesicht, bis dahin der Inbegriff der Missbilligung, 
ein steinernes Mahnmal seiner Verachtung für seine Tochter, 
fiel zusammen, und er brach in Tränen aus. Er warf die Arme 
um seine Frau und seine Tochter. 
Mr. und Mrs. Chester Jones warteten Hand in Hand unter 
einer Laterne. 
»Sie wollen doch nicht etwa behaupten, unser Junge sei hier ­
«, setzte Jones an. 
»Die Bar dort«, sagte City ruhig und zeigte auf den Back 
Door Club, einen Block weiter nördlich. »Dort verkauft er 
seinen Arsch für Drogen. Auch jetzt. Suchen Sie ihn ...« City 
streckte eine Hand aus und berührte Jones an der Schulter. 
Jones schauderte und zog seine Frau an sich. »Ich fühle mich 

komisch«, murmelte er und rieb sich die Schulter. »Als ob etwas 
in mir ist ...« 
»Roy wird sich Ihnen nicht widersetzen: Meine Autorität be-
gleitet Sie. Nehmen Sie ihn einfach in die Arme, und er wird mit 
Ihnen kommen. Er ist reif. Berühren Sie ihn, aber sagen Sie 
nichts und verurteilen Sie ihn mit keinem Wort.« 
»Ich kann da nicht einfach so reingehen«, widersprach Jones. 
»Schon gar nicht in diesem Aufzug. Ich bin Anwalt, ich bin der 
Hausanwalt von Ivory Meats und mit dieser Tätigkeit ist eine 
gewisse Verantwortung für das Image der Firma verbunden 
und wenn sich da drin Männer treffen, die auf die Straße gehen, 
also damit will ich nichts zu tun haben ­« 
»Wir alle gehen auf diesen Straßen«, erwiderte City. »Oder 
können Sie fliegen? Los, gehen Sie.« 
Langsam gingen Mr. und Mrs. Chester Jones die Straße ent-
lang, zogen ihre Morgenmäntel enger um sich und verschwan-
den durch die Vordertür des Back Door Club. 
Es war ein Uhr morgens. Es waren kaum noch Autos unter-
wegs, die Straße war fast leer, ihre Stimmen hallten über den 
Asphalt. Dann: 
»Marie!«, schrie die alte Frau, die sich auf die Stufen vor ei-
nem Hauseingang gesetzt hatte. Sie sprang auf und drängte sich 
durch eine Gruppe erstaunter Huren. Ein Stück die Straße 
hinunter blieb eine abgemagerte Silhouette stehen und starrte 
sie an. »Marie!«, rief die alte Frau und rannte unbeholfen auf 
die verschwommene Gestalt zu. 
Marie drehte sich um und rannte in die entgegengesetzte 
Richtung davon. »Verpiss dich, lass mich in Ruhe!«, drang es 
leise durch das Knurren der Stadt. 

Sie hatte einen halben Block Vorsprung vor ihrer Mutter und 
entfernte sich immer schneller. City senkte kaum merklich den 
Kopf. Der Boden erbebte kurz. Marie stolperte. Sie fiel aufs 
Gesicht und blieb eine halbe Minute lang benommen liegen, bis 
ihre Mutter sie eingeholt hatte. 
Der Zuhälter kam in großen Sprüngen die Treppe herunter 
und rammte City einen Finger in die Brust. »Für wen zum 
Teufel hältst du dich, Arschloch? Na? Wo ist der Bruder von 
vorhin? Der Typ mit der weißen Mütze?« Als City nicht ant-
wortete, rückte er seine eigene Brille zurecht, Spiegelbrille 
starrte in Spiegelbrille und reflektierte die gläsernen Masken bis 
in die Unendlichkeit. »Willst du dich mit mir anlegen, oder 
was? Du bist kein verdammter Bulle, du Arschloch. Mit denen 
hab ich andere Absprachen. Hee, ich spreche mit dir, Arsch-
loch, wenn ich diese Mösen verliere, kostet mich das jeden Tag 
­« Er hielt inne. 
City streckte einen Arm aus, die Handfläche nach unten, und 
überschwemmte den Gehweg mit altmodischem Bargeld. 
Hundertdollarscheine regneten aus seiner Handfläche, tauchten 
aus dem Nichts zwischen seinen Fingern auf und segelten 
brandneu und grün auf Bürgersteig und Straße. Reflexe über-
nahmen die Kontrolle; niemand stellte das Phänomen in Frage. 
Der Zuhälter und die Huren krochen auf Händen und Knien 
herum und ernteten Bargeld. Catz mischte sich lachend unter 
sie. Cole hob einen Schein auf und begutachtete ihn. Er war 
echt. Er steckte ihn in die Tasche. Mindestens zehntausend 
Dollar bedeckten den Gehweg, als City seine Arme senkte und 
den Geldsegen einstellte. ITC hatte dafür gesorgt, dass Papier-
geld bei den meisten Transaktionen überflüssig geworden war, 

aber man konnte es in der Intercash-Zentrale für Kartenkredit 
eintauschen. Eine der Huren, eine Chicana mit leuchtend rotem 
Lippenstift und einer riesigen blonden Perücke, beschloss sich 
der Quelle des Reichtums an den Hals zu werfen. Sie legte ihre 
Arme um City und ließ eine Hand zwischen seine Beine gleiten. 
Cole beobachtete ihre tastenden Finger. City bewegte sich nicht. 
Die Frau packte ihn im Schritt. Und fuhr entsetzt zurück. »Er ­ 
äh ­ als ob ­« stotterte sie. »Er ist total ...« Sie presste sich eine 
Hand auf den Mund, rannte die Stufen hinauf und verschwand 
im Gebäude. 
Mr. und Mrs. Jones kehrten zurück, einen ausgemergelten 
jungen Mann zwischen sich. 
Alle drei heulten. Aus drei unterschiedlichen Gründen. Mr. 
Jones heulte, weil er der Hausanwalt einer Fleischverpackungs-
firma war, die der Mafia gehörte und hinter der sich ein Vertei-
lerring für Drogen verbarg. Sein Sohn ging auf den Strich, und 
so sehr sich Mr. Jones auch bemühte, konnte er eigentlich 
keinen Unterschied zwischen diesen beiden Formen der Be-
schäftigung erkennen. Seine Frau heulte um ihren Sohn, ihr 
Sohn heulte um seinen Stoff. 
Ein ganzes Stück die Straße runter kämpfte Marie mit ihrer 
Mutter. Sie rollten über den Gehweg, traten und kratzten, beide 
in Tränen aufgelöst. Ohne nachzudenken ging Cole auf sie zu. 
Die Popmusik begleitete ihn wie die elektronische Parodie eines 
Grabgesangs, wurde lauter, je näher Cole ihnen kam. Als er 
Marie und ihre Mutter fast erreicht hatte, donnerte der Rhyth-
mus in seinen Ohren und eine der beiden schattenhaften Ge-
stalten auf dem Gehweg rührte sich nicht mehr. Die andere 
schwang einen Arm hoch über ihren Kopf und ließ ihn mit aller 

Gewalt auf den reglosen Körper der Mutter herabsausen. »Ma-
rie ...« murmelte Cole. 
Hinter sich hörte er verängstige Rufe. 
Die Popmusik brach schlagartig ab. 
Cole fuhr herum und rannte auf City und Catz zu. 
Drei gelbe Mittelklassewagen bildeten ein U um die Stufen 
vor dem Eingang des Mietsgebäudes, wo der Zuhälter, die 
Frauen und Catz sich immer noch die Taschen mit Scheinen 
voll stopften. City stand breitbeinig da, den Blick auf die 
Scheinwerfer gerichtet. 
Ein Taxi fuhr vorbei, schattengleich wie das, welches Cole 
hierher gebracht hatte. Darin saßen die Jones, die Schmidts und 
ihre Kinder. Das Taxi glitt an ihnen vorüber und verschwand 
um eine Ecke. 
Catz richtete sich auf und blinzelte in das Scheinwerferlicht, 
als Cole die letzte Straße überquerte, die sich noch zwischen 
ihnen befand. 
Ein Mann mit glänzendem Waffenstahl in der Hand stieg aus 
einem der Fahrzeuge. 
»Catz, runter mit dir!«, brüllte Cole. »Das sind Vigilanten, 
Dummkopf!« 
Sechs Männer, die Gesichter von Nylonstrümpfen zu rosa 
schimmernden Wasserspeiern verflacht, stießen die Huren und 
ihren Aufpasser gegen die Wand. Der Zuhälter versuchte sich 
rauszureden und wedelte mit Geldbündeln; einer der Vigilanten 
trat ihm in den Bauch; als er sich krümmte, schlug ihm ein 
anderer den Kolben seiner Waffe über den Schädel. Er blieb mit 
dem Gesicht nach unten liegen. 
Eine der Huren schrie: »Hee, uns macht ihr keine Angst, 

Arschloch!« 
Ein Schuss aus der Waffe, roter Qualm und grollende Echos. 
Das rechte Knie der Hure explodierte. Sie stürzte, ihre Freun-
dinnen beugten sich über sie, Fluchen, Weinen, Schreien. 
Cole bremste ab, er war noch zehn Meter entfernt und 
drückte sich in den Schatten. Die Vigilanten hatten ihn noch 
nicht bemerkt ­ sie machten selbst zu viel Lärm, begrabschten 
die kreischenden Stricherinnen und lachten. Vier weitere be-
waffnete Männer waren in das Mietshaus eingedrungen, um 
den Rest der Huren aufzustöbern. Sie würden sie alle auf einmal 
umbringen. Ein Polizeifahrzeug wollte gerade in die Straße 
einbiegen, doch beim Anblick der wohlbekannten gelben Fahr-
zeuge der Vigs ­ ohne Nummernschilder ­ zog es sich rasch 
zurück. Die Streife konnte immer behaupten, von einem ande-
ren Notfall abgelenkt worden zu sein und nichts gesehen zu 
haben. 
Zwei der Männer in Strumpfmasken brüllten City an, einer 
stieß ihn drohend zur Seite. Oder versuchte es vielmehr ­ er 
hielt sich die verletzte Hand, während ein anderer City seinen 
Gewehrlauf über das Gesicht zog. City stand da, als hätte er 
Wurzeln geschlagen. Er trug wieder seinen Trenchcoat und 
seinen Filzhut. Und die Spiegelbrille. 
Der Kleinere der beiden Männer feuerte seine Waffe aus 
nächster Nähe auf Citys Solarplexus ab. Drei Mal. City zuckte 
leicht, zeigte aber sonst keine Reaktion. Er blieb einfach stehen 
und ließ die Arme herabhängen. Dann öffnete er den Mund ... 
Eine Sirene heulte aus seinem offenen Mund. 
Cole schlug sich die Hände auf die Ohren. Die Fenster neben 
ihm erzitterten und der Schmutz, der sie bedeckte, löste sich in 

Wolken von ihrer Oberfläche. Eine Alarmsirene heulte mit 
fünfzigfacher Lautstärke aus Citys Hals. Darauf musste  die 
Polizei reagieren. Sie konnten nicht vorgeben, eine Sirene von 
dieser Lautstärke nicht zu hören. 
Die Vigilanten quetschten sich in ihre Autos, die Hände über 
den Ohren. 
Der Wagen, der vor City parkte, fuhr rückwärts bis an den 
gegenüberliegenden Randstein, ging in die Knie, ließ seine 
Räder durchdrehen und preschte los. Er rammte City mit voller 
Wucht. Das Fahrzeug bockte und prallte mit heulendem Motor 
ab. City blieb stehen. Immerhin schüttelte er den Kopf, als 
müsse er einen bösen Traum verscheuchen. Blut floss unter 
seinen Hosenaufschlägen hervor auf seine Schuhe und aus 
einem Winkel seines offenen Mundes. Das Heulen der Sirene 
bekam einen gurgelnden Unterton, stockte aber nicht. Die 
Huren nutzten die Gunst der Stunde. Sie rannten an Cole 
vorbei, die Straße hinunter und um die nächste Ecke. Catz hielt 
sich nahe an der Wand, das Gesicht wegen des Lärms verzogen, 
und schlich zu Cole hinüber. Sic behielt den Wagen der Vigil-
anten im Auge, während Cole sie in einen finsteren Hausein-
gang zog. 
Der Wagen fuhr erneut ein Stück rückwärts. Sein Motor hu-
stete und wurde abgewürgt. Ein anderes gelbes Fahrzeug fuhr 
bereits rückwärts die Straße hinunter, links an Cole vorbei. Er 
sah sich nach etwas um, das er hätte werfen, mit dem er es hätte 
aufhalten können. Doch es holte einen ganzen Wohnblock lang 
Schwung, bevor es City rammte. Dieses Mal wurde er umgeris-
sen und das Auto fuhr über ihn hinweg und knallte in eine 
Ecke, zwischen Betontreppe und Gebäudewand ... Sein Kotflü-

gel schlitterte seitlich weg und kollidierte mit der Mauer. Be-
tonstaub rieselte herab, eine Dampfwolke zischte empor. Dann 
war es still bis auf das leise Ticken des Motors. 
Alles war still ­ fünf Sekunden lang. Bis die Polizeisirenen 
ertönten und näher kamen. 
Dem abgewürgten Fahrzeug gelang es, den Motor wieder an-
zuwerfen. Es fegte dem verbliebenen Wagen nach, der bereits 
einen halben Block entfernt war und weiterraste. 
Cole sah sich nach City um. City war ein triefender Haufen 
Kleider und Fleisch auf dem Gehweg, keine zehn Meter ent-
fernt. Die zerfetzte Leiche war kaum noch als Mensch zu erken-
nen. Cole blickte zur Skyline von San Francisco empor. Würde 
sie sich nicht im nächsten Augenblick aufbäumen und zusam-
menstürzen? Die City stand so unerschütterlich da wie immer. 
Also war jede Trauer unangebracht. 
Cole betrachtete die spiegelnde, samtrote Blutlache, die eilig 
ihre nassen Finger nach der Bordsteinkante ausstreckte. 
In diesem Moment erreichten die beiden gelben Wagen die 
nächste Kreuzung. 
Cole betrachtete den zielgerichteten Fluss von Citys Blut auf 
die Straße zu und wusste, dass die Vigilanten es nicht schaffen 
würden. 
Catz wusste es auch und lachte laut los. 
Die Straßenlampen, die sich den Fahrzeugen in den Weg 
warfen, bogen sich nicht wie Gummi: Sie schossen herab und 
schmetterten ihre Leuchtkörper mit berstendem Knall aufs 
Pflaster. Sie riegelten die Straße beiderseits der Fahrzeuge ab. 
Sechs der verbliebenen acht Vigilanten sprangen aus den Autos 
und flohen in wilder Panik, fluchten dabei und rissen sich die 

Masken runter. Zwei, die Seite an Seite Richtung Süden rann-
ten, prallten in Sekundenschnelle gegen stählerne Klauen, die 
aus dem Asphalt wucherten ­ zuerst glaubte Cole riesige Finger 
aus schwarzem Stahl zu sehen, schaute genauer hin und erkann-
te vier dicke Versorgungsrohre, die auf die beiden Männer 
herabklatschten wie eine riesige Mausefalle. Und sie augenblick-
lich zerquetschten. Bis Cole sich nach den anderen Männern 
umschaute, waren auch sie tot. Dicke blaue Funken tanzten 
noch um die abgerissenen Starkstromleitungen, die die zucken-
den Leichen fesselten. 
Der Boden bebte, als direkt unter dem letzten noch rollenden 
gelben Fahrzeug zwei weitere dreißig Zentimeter dicke Rohre 
den Asphalt durchstießen, schwarze Steinbrocken und blauen 
Staub in alle Richtungen verteilten, sich mit einem schreckli-
chen Quietschen durch die Ölpfanne bohrten, beiderseits des 
Motorblocks und durch die Stoßstangen hindurch den Motor 
halb aus der Motorhaube drückten. Verdrehte Metallsplitter 
flogen durch die Luft, gefolgt von Dampf und Rauch, die aus 
der durch die Mangel gedrehten Front des Wagens schossen. 
Das Auto ruhte leicht schief auf den aufgespießten Deichseln, 
die Vorderreifen drehten sich hilflos in einem Meter Höhe. 
Dann explodierte der Benzintank und der Wagen verschwand 
in züngelndem Rot und Schwarz. 
Einer der Männer war zerfetzt worden, der andere war beim 
Aufprall durch die Windschutzscheibe geflogen und umarmte 
die brennende Maschinerie, die von keiner Haube mehr ver-
deckt wurde. Gekrümmte Stahlstacheln ragten aus seinem 
Rücken. 
Öliger schwarzer Rauch wand sich empor und verzerrte die 
Gesichter der Menschen, die aus den Fenstern gafften, zu 

dämonischen Fratzen. Das Heulen der Sirenen kam näher und 
mischte sich mit dem Getöse der Feuerwehrlöschzüge. Cole fiel 
in Catz' Gelächter ein. 
Kinder rannten vorbei und bewunderten das Wrack. Cole 
verstummte und dachte daran, nach Hause zu gehen. 
»Kann ich bei dir übernachten?«, fragte Catz. Sie schlender-
ten ohne große Eile davon, fädelten sich durch die Menschen-
menge, die aus Wohnungen und Häusern strömte. 
»Was zum Teufel ist hier los?«, fragte ein Chicano auf einem 
Motorrad. Cole zuckte die Achseln. 
»Klar kannst du bei mir übernachten, Catz«, sagte Cole. »Ich 
habe ein Sofa, dass sich ausklappen lässt.« 
»Mann, hier liegt ein total zermatschter Kerl!«, brüllte je-
mand von hinten. 
Cole warf einen Blick über die Schulter; die Spiegelbrille von 
City glitzerte unversehrt auf dem Bordstein und blickte ihnen 
nach. 
»Ja, das wäre klasse«, fuhr Catz fort. »Wir könnten fernsehen 
oder so.« 
Cole drängte sich durch eine Menschenansammlung, die je-
manden auf dem Bürgersteig begaffte, stieg über Maries Mutter 
hinweg und ging weiter, ohne sich umzusehen. 
»Klar«, sagte Cole. »Ich kriege InterSat. Da kommt sicher 
irgendwas.« Er zuckte mit den Schultern. »Es ist noch nicht zu 
spät, um fernzusehen.« 
Das taten sie dann auch. Sie sahen sich in PT-109  so ein 
Dreckschwein an, das Kennedy darstellen sollte. Danach saßen 
sie schweigend am Fenster und betrachteten die Lichter der 
City, bis sie im Morgengrauen eins nach dem anderen ausgin-
gen; trostlos wuchs die Großstadtlandschaft dem Tag entgegen. 

=  ZWO! 
 
Cole starrte ungläubig
 auf das Formular. Er stand an 
einem grässlichen, nassen und windigen Montagmorgen im 
Mai am Fenster seines Hausflurs und las wieder und wieder, 
was der öffentliche PC ausgespuckt hatte. »Das musste  ja an 
einem Montag kommen.« Er strich mit der Hand über die 
herrisch roten, elektronisch geprägten Buchstaben: BITTE 
ÜBERWEISEN SIE DEN BETRAG VON $3.000,00 AN DIE 
INTERCASH ERFASSUNG. ZU HÄNDEN J. SALMON, AB-
TEILUNG ELEKTRONISCHE AUSZAHLUNGEN: ÜBER-
FÄLLIGE BEARBEITUNGSSTEUERN ... 
»Überfällige Bearbeitungssteuern«, wiederholte Cole. Der 
Kaffee in seinem Mund (sein Magen brannte, er hätte keinen 
Kaffee auf leeren Magen trinken sollen) hatte einen säuerlichen 
Geschmack angenommen. Den Geschmack von Korruption, 
dachte er und spuckte in den Mülleimer im Treppenflur. 
Mit dem Ausdruck in der Hand ging er in seine Wohnung 
und schloss die Tür hinter sich. Nachdenklich legte er ihn auf 
das verstaubte Fernsehgerät. Dann wandte er sich der Nachrich-
tenbox an der Seite des Apparates zu, drückte auf den Knopf 
und überflog die Titelseite, die auf dem Bildschirm erschien. ... 
Präsident unterzeichnet ITC-Frist ... Er ließ seinen Blick weiter 

gleiten, schnappte ein paar Datenfetzen auf ... bis November 
muss die Umstellung auf das elektronische Finanztransfersystem 
abgeschlossen sein. Die Gouverneure von Louisiana und Wa-
shington haben protestiert und um mehr Zeit gebeten ... Senator 
Wiley beharrt darauf dass genügend Zeit zur Verfügung stand, 
namentlich eingedenk der langen Liste von Städten, die Instant 
Transfer bereits einsetzen. ... Eine UN-Resolution fordert Fonds 
zur Realisierung des weltweiten Einsatzes des elektronischen 
Finanztransfersystems ... 
Da verschwand die Nachrichtenanzeige. Cole blinzelte ver-
wirrt. Er warf einen Blick auf die Stecker. Das Gerät war ange-
schlossen. Ein anderes Programm erschien, ein Zeichentrick-
film, Fucky Graffiti, ein Grundkurs in Pornographie für Kinder: 
Ein grob skizziertes männliches Geschlechtsorgan ­ ohne 
Körper, dafür mit kleinen Beinchen ­ verfolgte eine flüchtende 
Vagina. Er drückte auf den Aus-Schalter und die hektischen 
Genitalien verblassten. Was sollte das? Er drückte wieder auf 
den  An-Schalter und schaltete die Nachrichtenbox zu. »Was 
zum Teufel ist mit den Nachrichten los?«, murmelte er. Keine 
Nachrichten. Dafür ­ Buchstaben, wie elektronisch geprägt: 
DER NACHRICHTENSERVICE IST BIS ZUR ZAHLUNG 
DER AEA-BEARBEITUNGSSTEUER EINGESTELLT ... 
»Schweinepriester!«, brüllte er und drosch auf den Aus-
Schalter, bevor Fucky Graffiti erneut übernehmen konnte. 
Er ging zum Telefon. Seine Finger drückten die Tasten fast 
automatisch, und voller Ungeduld betrachtete er den kleinen 
Bildschirm. Er kochte innerlich, während er darauf wartete, 
dass sein Anwalt auf dem Bildschirm auftauchte. 
»Büro Arthur Topp. Was kann ich für Sie tun?«, hörte er die 

Stimme eines jungen Mannes; vermutlich Arts Sekretär. Und 
Liebhaber. 
»Tja ...«, fing Cole an und starrte dann mit wachsendem 
Argwohn auf seinen leeren Teleschirm. »Ich muss ihn sprechen. 
Stu Cole hier.« 
»Legen Sie Wert darauf, ohne Bild zu sprechen, mein Herr?« 
Der Junge klang verärgert. Es war sehr unhöflich, jemanden 
ohne Bildfunktion anzurufen, auch wenn der Empfänger die 
Möglichkeit hatte, ohne Bild zu antworten. 
»Äh, nein ­ mein Monitor funktioniert nicht. Muss wohl re-
pariert werden oder so.« 
»Ich verstehe.« 
Pause, ein Klicken. »Stu? Was ist mit deinem Bild los? Hast 
du  etwa  Angst,  dass  dich  jemand  am  Montagmorgen  zu  sehen 
bekommt?« Topps Stimme. Kein Bild. 
»Der Bildschirm funktioniert nicht ­ die AEA hat ihn abge-
schaltet. Meine Nachrichtenbox haben sie auch abgeschaltet. Sie 
wollen mich unter Druck setzen, damit ich zahle. Die Tonver-
bindung werden sie auch bald kappen.« 
»Ist Mama AEA hinter dir her?« 
»Glaubst du, dass zwischen der Telekom und ITC konzernin-
terne Verbindungen bestehen? Ich bin mir fast sicher ...« 
»Gut. Du schuldest ihnen also Geld ...?« 
»Ja, ich ­ nein! Nein, das behaupten sie nur. Deshalb rufe ich 
dich an.« 
»Bei  mir  hast  du  auch  noch  Schulden«, sagte Topp, eher a-
müsiert als vorwurfsvoll. 
»Mhmm. Die werde ich umgehend begleichen, und dein hal-
bes Honorar im Voraus. Aber hör zu, es geht um eine Bearbei-

tungssteuer.« 
»Ach.« Topps Stimme hatte plötzlich einen resignierten Un-
terton. »Das.« 
»Komm schon, dagegen kann man doch wohl angehen ­« 
»Nur wenn du bis vors Bundesgericht gehst. Das dauert al-
lerdings. Ziemlich lange sogar. Die Gerichte sind im Augenblick 
ziemlich lahm gelegt durch die ganzen Verfahren um den 
Nuklearterroranschlag in Oregon.« 
»Was? Gegen wen haben die denn Anklage erhoben? Sie ha-
ben den Kerl doch nicht einmal erwischt, wie können sie ­« 
»Die Regierung wird verklagt, weil das FBI ihn angeblich hat 
entwischen lassen. Die Anklage lautet auf Fahrlässigkeit. Will 
sagen, die Familien von zweihunderttausend Menschen, ver-
stehst du ­ Familien im ganzen Land, die ganze Verwandt-
schaft. Es ist dumm von den Gerichten, es überhaupt zur Ver-
handlung kommen zu lassen, sie wissen doch, dass sie einen 
Präzedenzfall schaffen, wenn sie jemandem etwas zusprechen, 
und sie wissen, dass der Kerl ­ oder ein anderer ­ es wieder tun 
wird. Eine weitere Stadt ­ unsere vielleicht ­ verdampft in 
einem Atompilz, weil irgendein Kerl mit ein paar Semestern 
Physik so ein Ding zusammenbastelt und Erpresser spielt ­« 
»Ja, klar ­ wahrscheinlich werden sie alles niederschlagen. 
Jedenfalls müssen wir irgendwo anfangen ­« 
»Im Ernst«, unterbrach ihn Topp hastig, »die ganze ver-
dammte Stadt, Salem in Oregon, ist weg, ausgelöscht, nur noch 
ein Krater, und verflucht, es könnte genauso gut hier passie-
ren.« 
»Du erzählst mir das, weil du nicht über die Bearbeitungs-
steuer sprechen willst. Komm schon.« 

»Wie du meinst.« 
Für eine Weile herrschte Stille bis auf ein Knistern aus dem 
Lautsprecher unter dem kleinen rechteckigen Bildschirm. Der 
Monitor war oberhalb einer roten Plastikgabel angebracht. 
Schließlich sagte Topp: »Ich kann dir da nicht helfen. Wir 
wissen beide, dass die Bearbeitungssteuer Schwachsinn ist, die 
Jungs von der AEA sahnen noch mal so richtig ab ­« 
»Schön und gut. Das kann ich ja verstehen. Ich bin daran 
gewöhnt, Schutzgelder zu bezahlen. Aber ich soll diese angeb-
lich überfällige Zahlung jetzt auf einen Schlag begleichen ­ 
verstehst du, alle anderen fangen bei Null an. Nur ich soll 
rückwirkend zahlungspflichtig sein für die ganzen Jahre, die ich 
ITC-Einrichtungen in Anspruch genommen habe ... und weißt 
du warum?« 
»Warum?«, fragte Topp, obwohl er es wusste. Cole hörte ihn 
an seiner Zigarette saugen. 
»Weil ich die Huren in meinen Club lasse und sie um diese 
ganzen Steuer- und Schutzgeldgeschichten herumkommen. Die 
AEA will sie organisieren, und genau das wollen sie nicht.« 
»Du redest leichtfertig über gefährlichen Kram ­ hörst dich 
an, als wären sie die Mafia.« Eine klare Warnung, dass die AEA-
Scheißer sehr wahrscheinlich mithörten. 
»Nenn es, wie du willst«, sagte Cole. »Deswegen sind sie hin-
ter mir her ­ sie haben mich gewarnt ­ und sie wissen, dass ich 
den Unterschriften-Aufruf verfasst habe, damit kleinere Läden 
weiterhin Bargeld verwenden können, und sie wissen, dass ich ­« 
»Cole, verdammt noch mal!« 
»Hör auf mit dem Gedruckse, Topp! Sie wissen Bescheid. 
Wenn sie mithören, erfahren sie nichts Neues, Mann.« 

»Gut. Sie wissen, dass du die Initiative gegen die Umstellung 
auf rein elektronische Transfers verfasst hast.« Topps Stimme 
klang müde. 
Cole zögerte. Ihm war ein neuer Gedanke gekommen. 
»Topp, haben sie ­?« 
»Nur Drohungen.« 
»Also ­ du wirst mich in dieser Sache nicht vertreten?« 
»Nur wenn ich unbedingt aus der Anwaltskammer fliegen 
will.« 
»Erzähl mir jetzt bloß, das wäre alles legal, Mann. Sie können 
doch nicht ­« 
»Hör zu, die hiesigen Richter haben auch ihre Bankkonten, 
und die AEA findet immer einen Grund, jemandem das Kredit-
limit zu streichen, wenn er nicht brav  ist.  Du  wirst  hier  in  der 
Gegend niemanden finden, der zu deinen Gunsten entscheidet. 
Und wie ich dir bereits erklärt habe, die Bundesgerichte sind für 
Monate beschäftigt. Du könntest  zu,  hm  ­«  Er  zögerte;  dann, 
etwas zurückhaltender: »Tja, weißt du ... ähm ­« 
»Ach, möchtest du mir doch lieber keinen Rat geben?«, fragte 
Cole erbittert. 
»Ich muss zu einem Mittagessen. Geschäftlich, äußerst wich-
tig ­« 
»Und ob du das musst. Hoffentlich beißt er ihn dir ab«, 
knurrte Cole und stach mit seinem Daumen auf den Trenn-
knopf. 
Geistesabwesend nahm er eine Zigarre aus einem Schränk-
chen neben dem Telefon, zündete sie an, steckte sie sich zwi-
schen die Zähne und paffte nachdenklich, die Hände tief in den 
Hosentaschen vergraben. Er ging zum Sofa hinüber, setzte sich 

hin und starrte ins Leere. 
Das niedrige rote Sofa mit seinen schief liegenden, abgewetz-
ten Kissen stand schräg in einer Ecke des Wohnzimmers. Er saß 
dem leeren Bildschirm des tragbaren Fernsehgerätes direkt 
gegenüber. Das Zimmer war ganz in gebrochenem Weiß gestri-
chen, die Leuchten direkt in der weißen Decke versenkt. Coles 
Fotografien waren die einzige Dekoration: Stadtansichten. Die 
City. Cole war Amateur-Fotograf. 
»Ich werde meine Kamera nicht verkaufen«, murmelte er, 
während er die Fotos betrachtete. »Nicht meine Nikon. Eher 
verkaufe ich den Club.« Er zog an der Zigarre und sagte: »Hör 
auf, Selbstgespräche zu führen, du Idiot.« Dann lachte er. 
Über dreißig mattierte Schwarzweißfotografien waren über 
die Wände verteilt, so angeordnet, dass sie die Grenzen von 
Wohnblocks andeuteten. Die meisten zeigten detailgenaue 
Luftaufnahmen, aus dem Stadtrundflug-Hubschrauber fotogra-
fiert. 
Die City in Gestalt von Halbleiter-Schaltkreisen. 
»Ich werde den Club nicht verkaufen. Die Arschlöcher kön-
nen mich mal«, sagte er laut. Er rieb sich seine größer werdende 
kahle Stelle und runzelte die Stirn, als er einen Pickel bemerkte. 
Er verzog seinen ausgeprägten, breiten Mund. Für einen flüch-
tigen Moment machte er sich Sorgen um sein Alter, um seinen 
Bauch, um seine Angewohnheit, Selbstgespräche zu führen, um 
Perle, ob er einen Privatdetektiv anheuern sollte, um sie zu 
finden, und ob er sich das leisten konnte. Und um den Schrieb 
von der AEA. »Wann?«, fragte er niemand Bestimmten. 
Er stand auf, ging zum Fernseher und nahm das Schreiben in 
die Hand ... IM FALLE UNTERLASSENER ODER UNVOLL-

STÄNDIGER ZAHLUNG BIS ZUM 24. APRIL WERDEN 
ALLE DIENSTLEISTUNGEN AN DEN CLUB ANESTHESIA 
EINGESTELLT. »Vierundzwanzigster April. Die wissen genau, 
dass ich nicht so viel Geld auftreiben kann«, murmelte er. »Und 
sie kontrollieren das Kreditwesen.« Hör auf, Selbstgespräche zu 
führen, dachte er. 
»Du bemühst dich nach Kräften, nicht an mich zu denken, 
und mit beträchtlichem Erfolg«, sagte jemand, obwohl niemand 
da war. 
»Was ­? Au Scheiße!«,  entfuhr es Cole. Sein Rücken wurde 
steif, ruckartig verschränkte er die Arme über der Brust. Er sah 
sich um. Niemand da. Bis sein Blick an dem Gesicht auf dem 
Fernsehschirm hängen blieb. 
Der Fernseher war aus. Aber jemand war darauf zu sehen. 
Eine blinzelnde Linie flimmerte über den Bildschirm und 
kräuselte das Bild. Dann war er wieder da. Kopf und Schultern 
eines Mannes. Ein sprechender Kopf. 
»City ...« 
»Wäre es dir lieber, mich zu vergessen?«, forschte das Ge-
sicht auf dem Fernsehschirm. Es war schwarzweiß. 
»Ja ... jedenfalls, was passiert ist. Nicht dich«, sagte Cole, die 
Knie hochgezogen und aneinander gepresst, die Arme drum-
herum geschlungen. Er starrte das ernste Gesicht auf dem 
Bildschirm an. Spiegelbrille, harte Kanten. Eine unvollendete 
Büste aus Stein. Das kalte Gesicht des Mannes, der vor seinen 
Augen von einem Auto zerquetscht worden war. Der herr-
schende Geist der Stadt. 
»Es wird dir schwer fallen, das zu vergessen, sobald du raus-
gehst«, sagte City. »Die Leute reden davon. Wenn du bis zum 

letzten Beitrag der Nachrichtenseiten gekommen wärst, hättest 
du eine Meldung über die polizeiliche >Ermittlung< bezüglich 
der Todesfälle von Samstagabend gesehen. Die Männer, die ich 
getötet habe.« 
»Psst!«, zischte Cole entsetzt. 
»Sie hören nicht mit«, entgegnete City. »Sie können es 
nicht.« Seine Lippen schienen sich einen Sekundenbruchteil 
später zu bewegen, als Cole die Wörter hörte. »Ich bin hier ein 
Bestandteil von allem«, fuhr City fort. »Mit Ausnahme der 
AEA. Die fühlt sich an wie Krebszellen.« Die harten Gesichts-
züge verzogen sich einen Augenblick lang sorgenvoll. »Ich lasse 
sie nicht mithören ...« 
»Sag mal ­« Cole entspannte sich etwas, legte seine Zigarre 
an den Rand des Aschenbechers und beugte sich vor. »Wenn 
hier jemand reinkommen würde, während du mit mir sprichst 
... ähm ­könnte er dich sehen?« 
»Klar. Du hast keine Halluzinationen. Aber mach dir nicht 
die Mühe, jemanden zu holen. Ich würde verschwinden und 
niemand könnte mich mehr sehen. Ich möchte nur mit dir und 
Catz sprechen.« 
»In Ordnung«, sagte Cole, und seine eigene Stimme klang 
mechanisch in seinen Ohren. »Soll ich Catz holen?« 
»Nein. Sie hört später von mir ... Jetzt möchte ich dir etwas 
zeigen.« Das Fernsehbild veränderte sich. Es zeigte jetzt eine 
Schwarzweißaufnahme ­ von der Decke aus aufgenommen, aus 
einer Ecke ­ von vier Männern, die in einem vornehmen Büro 
vor einem Tafelglasfenster um einen Tisch herum saßen. »Er-
kennst du den Mann am oberen Tischende, Cole?« Citys Bild 
war verschwunden, aber Cole hörte deutlich seine Stimme, voll 

der herzlichen Freundlichkeit eines Zeitansagers, der am Tele-
fon die Minuten runterzählt. 
Cole betrachtete den Mann am oberen Tischende. Eine breit 
gebaute Gestalt mit kräftiger Gesichtsfarbe, dicken Brillenglä-
sern, weißen Haaren (eine Perücke vermutlich) und langen 
weißen Koteletten. »Rufe Roscoe. Der Mafioso.« 
»Richtig. Und die anderen?« 
Der Bursche mit dem karottenroten Flaum auf dem Kopf 
und den Sommersprossen und dem dümmlichen Blick ­ 
»Salmon. Der Anwalt von Intercash.« 
»Richtig. Die anderen kennst du nicht?« 
»Nein.« 
»Dann horche mal ...« 
Neue Stimmen drangen aus dem Lautsprechergitter des 
Fernsehers. Salmon sagte gerade: » ... Rusk hat uns seinen 
Anteil zum Einkaufspreis überlassen, aus steuerlichen Gründen! 
Boswell hat Gewinn gemacht, vier Prozent; damit sind wir bei 
zweiundvierzig, also haben wir als Nächstes ­« 
»Schon gut«, unterbrach ihn Roscoe ungeduldig. »Wo stehen 
wir jetzt?« 
Salmon lächelte. »Dreiundfünfzig Prozent.« 
»Wunderschön!«, sagte Roscoe, obgleich seine Miene keiner-
lei Entzücken spiegelte. Er sah aus, als hätte er gerade etwas 
getötet und dabei leidlich Spaß gehabt. 
»Aber ...«, nahm Salmon zögerlich den Faden wieder auf. 
Roscoe beugte sich vor. 
Salmon sagte: » ... da wäre noch dieser Topp, er und der Be-
zirksstaatsanwalt wollen Anklage erheben wegen illegaler Akti-
enaneignung, vielleicht sogar die Gewinne einfrieren ­« 

»Der Bezirksstaatsanwalt«, ging Roscoe dazwischen. Er 
sprach leise, doch Salmon unterbrach sich sofort. Roscoe lehnte 
sich zurück. »Der Bezirksstaatsanwalt ist ein alter Mann. Sollte 
er einem Herzinfarkt erliegen, würde sich niemand wundern. 
Ich kenne da einen Arzt ... Nun gut, vergessen Sie ihn einfach. 
Und Topp eventuell auch.« 
»Es wäre besser, Topp nur einen Schrecken einzujagen. 
Wenn zu viele Leute verschwinden, die mit dieser Sache zu tun 
haben ...« 
»Nun gut. Wenn er erfährt, dass wir über die Mehrheit der 
Anteile von ITC verfügen, schleicht er mit dem Schwanz zwi-
schen den Beinen nach Hause ...« Roscoe lächelte süffisant und 
blickte gedankenverloren zum Fenster hinaus. 
Das Bild verging in Dunkelheit, wurde von City abgelöst. 
»Woher hast du das?«, fragte Cole heftig. 
»Roscoe hat die exzentrische Neigung, alles aufzuzeichnen, 
wie bei Nixon und den Aufnahmen im Weißen Haus, nur hat er 
aus Nixons Fehlern nichts gelernt. Er besteht darauf, weil die 
Jungs aus seinem Umfeld einander nur ans Messer liefern, 
wenn sie ihre eigenen kleinen rosa Schwänze in Sicherheit 
gebracht haben. Also hat er sich ein Archiv mit unwiderlegba-
ren audiovisuellen Aufzeichnungen angelegt, so dass er jeden, 
der unter FBI-Schutz gegen ihn aussagt, mit reinreiten kann. 
Diese Aufnahmen führen in jedem Fall zur Anklage. Die Mit-
glieder des Ausschusses wissen Bescheid ­ ein gutes Abschrek-
kungsmittel gegen Verrat. Er richtet die Kameras selbst aus und 
kümmert sich persönlich um die Filme, die dann in einen 
Tresor wandern.« 
»Ziemlich dumm von ihm. Wahrscheinlich ist das Risiko 

größer, dass die Bullen ohne sein Einverständnis an sie ran-
kommen, als die Gefahr, die er abwenden möchte. Es ist wirk-
lich äußerst blöd, diese Filme aufzubewahren. Wenn die FBIler 
je einen Durchsuchungsbefehl für diesen Tresor bekommen ...« 
»Stimmt«, sagte City. »Zum Glück ist ihm das nicht bewusst. 
Er kennt nur seine Sicht der Dinge und ist ziemlich dickköpfig. 
Hält sich für unfehlbar.« 
»Warum zeigst du das dann nicht dem Polizeipräsidenten, 
auf seinem Fernseher?« 
»Er steckt mit der AEA unter einer Decke. Außerdem kann 
ich mit ihm keinen Kontakt aufnehmen. Jedenfalls nicht so 
leicht. Er wäre überzeugt, den Verstand zu verlieren. Du ­ bei 
dir habe ich das Gefühl, als würdest du mich heraufbeschwören. 
Ich dringe zu dir durch. Jedenfalls, als einziges Beweismaterial 
würden die Aufzeichnungen nicht genügen, da unser Zugang zu 
ihnen illegal ist. Gesetzeswidrige Aneignung von Beweisen.« 
»Ich verstehe. Weil wir sie stehlen müssten. Und beim der-
zeitigen Stand der Dinge würde sich das FBI kaum überzeugen 
lassen, einen Durchsuchungsbefehl zu organisieren ... Moment 
mal ­ wie kannst du mir Aufnahmen zeigen, die in seinem 
Tresor liegen?« 
»Das Band befindet sich in seiner Schneidemaschine. Er hat 
es gerade eben durchgesehen, die Gesichter seiner Komplizen 
nach verräterischem Mienenspiel abgesucht, als er unterbro-
chen wurde. Er hat das Schneidegerät im Tresorraum angelas-
sen. Ich habe die Aufzeichnungen zurückgespult und abgespielt 
und gleichzeitig durch eine elektronische Verbindung hierher 
übertragen. Die Stromquelle ­« 
»Aber das hier ist ein Fernseher!« 

»Nein, das ist ein Teil von mir. Ein Fernsehgerät ist ein me-
diales Ventil der Stadt. Ein Neuron in meinem Gehirn. Ich 
übertrage die Bilder vom Band auf elektrische Muster, schicke 
sie die Kabel entlang und speise sie in deinen Fernseher ­ 
mittels einer Art Telekinese. Manipulation von Elektronik 
durch Gedanken. Nachts verfüge ich über sämtliche zerebralen 
Batterien der City. Das Gehirn speichert Elektrizität. Ich kann 
jeden anzapfen, der schläft ... Über Tag stehen mir nur die zur 
Verfügung, die tags schlafen ­ weit weniger, also bin ich da 
eingeschränkt. Immerhin unterstützen mich alle, die fernsehen, 
denn das ist auch eine Form des Schlafes ... Ich bin die Summe 
der unbewussten Erkenntnisse jedes Gehirns in der Stadt. Auch 
Rufe Roscoe steckt in mir drin ­ ich bin seine Selbstverach-
tung.« 
Er hielte inne, während Cole versuchte, das alles zu verdau-
en. 
Dann fragte City: »Warum, glaubst du, habe ich dich heraus-
gegriffen, Cole?« 
»Warum?« 
»Weil ... du nicht vor Angst zu schreien anfängst. Du bist 
nervös, aber du bist nicht desorientiert. Die meisten Leute 
wären entsetzt, wenn ich so vor ihnen auftauchen, unmittelbar 
mit ihnen sprechen, ihnen all dies erzählen würde. Du verstehst 
die übergeordnete städtische Wirklichkeit instinktiv. Die ge-
heimen Geometrien der City.« 
»Tja ... wenn du meinst.« 
»Außerdem hast du Portraits von mir, Cole, überall an dei-
nen Wänden.« 
Cole lächelte. 

City blieb ernst. 
»Also«, Cole räusperte sich und senkte den Blick. »Ich nehme 
mal an, du willst etwas von mir ­ dass ich etwas für dich erledi-
ge. Stimmt's?« 
»Jemand muss sie aufhalten.« 
»Die Mafia?« Cole warf einen Blick auf die Zahlungsauffor-
derung und nickte. »Mein Club bedeutet mir alles.« 
»Ja. Die Mafia ...« 
Nur die Mafia?, fragte sich Cole. »Vielleicht«, fuhr er fort, 
»könnte ich jemanden anheuern, der in den Tresorraum ein-
bricht, die Bänder klaut und sie als Beweismaterial an die Zei-
tungen gibt, wenn die FBIler schon nicht ­« 
City schüttelte den Kopf. »Nein, ohne meine Hilfe kommen 
sie da nicht rein. Du vielleicht ­ aber sie würden dich umbrin-
gen, wenn du die Bänder erst hast. Lass uns als Erstes in ihrer 
Organisation Zwist stiften. Sie sollen einander an die Gurgel 
gehen; die Videos sparen wir uns auf, bis sie schwach sind, und 
zaubern sie hervor, wenn wir die AEA vor Gericht gebracht 
haben. Dann spielen wir sie den Zeitungen zu, damit die Ge-
schworenen sich auf sie stürzen. Langfristig kann ich dir Zu-
gang zum Tresorraum verschaffen. Aber es gibt noch einiges 
Andere, was du zuerst tun musst. Du und niemand sonst.« 
Cole schüttelte den Kopf. 
City nickte grimmig. 
Cole schüttelte wild den Kopf. »Hey ­ ich kann dir bei der 
Planung helfen, ich kann dir Leute vermitteln, die ­ die für dich 
die Arbeit machen. Aber ich selbst bin dazu nicht imstande. Ich 
bin nicht James Bond, Alter. Ich bin ganz schlecht in Form.« 
»Du bist der Einzige, mit dem ich zusammenarbeiten kann. 

Du und diese Frau. Vielleicht nicht einmal sie. Das wird sich 
zeigen.« 
»Was zum Teufel kann ich schon tun?« 
»Sehr, sehr viel, mit meiner Unterstützung. Du hast gesehen, 
wie es den Vigilanten ergangen ist. Wie sie sich nennen.« 
Cole dachte nach. Er schnappte sich seine Zigarre aus dem 
Aschenbecher, zündete sie wieder an und paffte violette Wol-
ken. »Sie werden mir meinen Club wegnehmen«, sagte er, um 
sich selbst zu überzeugen. »Mir bleibt nichts. Sollen sie mich 
umbringen, na und?« Doch seine Hand zitterte und die Asche 
löste sich von der Glut seiner Zigarre. 
»Als ich vor zehn Jahren den Club gekauft habe, dachte ich, 
ich hätte es geschafft. Es sah so leicht aus. Jede Woche war es 
ein Kampf, schon um die ­« 
»Cole«, unterbrach City ihn, »ich kann dir helfen, sie aufzu-
halten. Ich kann ein paar Dinge in Bewegung setzen, die ganz 
nützlich sein dürften. Allerdings nur nachts. Denk daran. Mit 
dir sprechen kann ich tagsüber ... manchmal.« 
»Das ist mir klar.« 
»Bring die Frau heute Abend mit, um sieben.« 
»Catz? Und wenn sie einen Auftritt ­« 
»Sie kommt. Zu dir kann ich mit Hilfe technischer Mittel 
sprechen ­ doch zu ihr habe ich eine stärkere psychische Ver-
bindung. Sie ist zugänglich.  Wir werden sie brauchen können, 
zumindest eine Zeit lang.« 
»Was soll das heißen, eine Zeit lang?« 
City ignorierte die Frage. »Deine Assistentin soll sich heute 
Nacht um den Club kümmern. Du und Catz, ihr kauft euch 
Masken und Schusswaffen. Ihr geht zum Pyramid Building. 

Fahrt rauf zum achtzehnten Stock. Da gibt es Wachmänner. Mit 
denen werden wir fertig.« 
Angst schnürte Cole die Kehle zu. Das Schwindelgefühl war 
verflogen. Sein Herz war bleischwer ­ vor seinem inneren Auge 
sah er sich selbst mit der Zielscheibe eines Scharfschützen auf 
der Brust. Cole räusperte sich und brachte heraus: 
»Hör mal ­ ich glaube nicht, dass ich bereit bin, jemanden 
umzubringen. Zumindest noch nicht. Ich kann das nicht ein-
fach so.« 
»Das musst du auch nicht ­ noch nicht«, sagte City mit zu-
nehmend heiserer Stimme. Das Fernsehbild flackerte, ver-
schwand ... und erschien wieder, etwas verschwommener. »Ich 
kann den Kontakt nicht mehr lange aufrecht erhalten, Cole. 
Also hör zu ­ ich werde heute Nacht bei euch sein. Ich kann 
keine physische Gestalt mehr annehmen, es sei denn, ich finde 
das ideale Gefäß, jemand, von dem ich leicht Besitz ergreifen 
kann ...« 
Etwas lief kalt und brennend wie Trockeneis Coles Rücken 
hinunter. Das ideale Gefäß ... 
City (seine Stimme wurde immer leiser) fuhr fort: »Ich muss 
jetzt weg ­ ich werde heute Nacht bei euch sein. Sie wird mich 
spüren und du wirst es wissen. Aber ich kann die nicht umbrin-
gen, noch nicht. Sie gehören zum Syndikat, also würden einfach 
andere ihren Platz einnehmen. Wir müssen das aus der Stadt 
schaffen ­ die AEA selbst ist ­« 
»Ich weiß nicht recht«, murmelte Cole. »Ich bin mir nicht 
sicher, ob das so erstrebenswert ist, selbst wenn es machbar 
wäre ­« 
Die ganze Zeit hatte City gleichbleibend gelassen geklungen. 

Jetzt plötzlich verzerrte Wut seine Stimme und mischte sich mit 
einem hohen Pfeifton, einem schmerzhaften Kreischen, das 
Cole in die Gehörgänge fuhr. »Wir alle sind nichts als Mario-
netten, Cole, und die halten die Fäden in der Hand! ITC ist eine 
als Dienstleistung getarnte Seuche! Bring die Frau heute Abend 
hierher.« 
Und dann erlosch der Bildschirm. 
Cole blieb sitzen und starrte auf die Mattscheibe. Er konnte 
nicht aufhören, über einen beängstigenden Beiklang in Citys 
Stimme nachzugrübeln. Als City über die ITC als Drahtzieher 
einer gewaltigen Verschwörung hergezogen war, erinnerte das 
Cole an eine andere Stimme ­ bei einem anderen Anlass. Eine 
Stimme am Telefon, als Catz und er nur so zum Spaß die Hot-
line der Amerikanischen Nazipartei angerufen und kichernd 
dem Gegeifer gelauscht hatten, das sich über die Verschwörung 
der Juden, kommunistischen Neger und Homosexuellen aus-
ließ. Die Stimme des Nazis hatte diesen Beiklang absolut uner-
weichbarer Verbohrtheit gehabt ... wie bei City. 
Aber irgendwie wusste Cole, dass er tun würde, was City ver-
langte. 
Cole schaute auf die Fotos an den Wänden. Er könnte diese 
Stadt nie verlassen. 
 
»Wenn er uns hilft, wozu brauchen wir dann Knarren?«, fragte 
Catz. 
Sie saßen gemeinsam im Fond eines gemieteten Wagens. 
Zwischen sich, auf dem geschwungenen Vinylsitz, lag eine 
Papiertüte, am offenen Ende säuberlich gefaltet und mehrfach 
umgeknickt. Sie enthielt zwei 38er und zwei Gummimasken. 

»Du warst dabei und hast genauso viel gehört wie ich«, sagte 
Cole und sah auf die Uhr. Bei der Einsatzbesprechung ­ kurz 
und äußerst knapp ­ hatten sie keine Zeit gefunden, City Fra-
gen zu stellen. Er hatte vom Bildschirm aus Anweisungen 
heruntergeleiert. 
»Er hat das eigentlich gar nicht erklärt. Das mit den Waffen.« 
»Wahrscheinlich benötigen wir sie wegen der Wachen, und 
die Männer im Sitzungssaal könnten auch bewaffnet sein. 
Roscoe zumindest. City kann uns nicht alles abnehmen. Also 
brauchen wir die Kanonen, um zu bluffen ­« 
»Wir wedeln ihnen damit vor dem Gesicht herum? Ist das 
alles?« 
»Hoffentlich.« Coles Hände lagen feucht auf dem Fiberglas 
des Lenkrads und seine Handflächen verursachten saugende 
Geräusche, als er sie herunternahm, um den kalten Schweiß an 
der Hose abzureiben. 
»Wir stellen ihn nicht in Frage«, bemerkte sie. Diese Feststel-
lung schien sie nicht zu beunruhigen. 
Cole nickte. »Das ist schon seltsam. Aber ­ das ist wahr-
scheinlich auch der Grund, warum er uns ausgesucht hat ­ wir 
sind, äh ­ wir sind, na ja ­« Cole rang um Worte. 
»Städtische Eingeborene. Wildnis-Eingeborene tragen sich 
auch nicht mit Zweifeln, wenn sie von Naturgeistern angespro-
chen werden.« 
»Vielleicht ist es das«, räumte Cole ein. Ihm wurde bewusst, 
dass sie abstrakte Zusammenhänge besprachen, um sich von 
der Gefahr abzulenken, die vor ihnen lag. Er sah erneut auf die 
Uhr. Sein Herz sackte. »Es ist so weit«, sagte er. 
Catz langte auf den Rücksitz und zerrte eine große Einkaufs-

tasche aus Lederimitat nach vorn, in der ein Aufnahmegerät 
steckte. »Hoffentlich stimmt es, das Stimmprofile sich von 
Person zu Person unterscheiden. Andernfalls ist der ganze 
Aufwand« ­ sie stopfte die Masken in die Einkaufstasche und 
ließ den Trageriemen über ihre Schulter gleiten ­ »umsonst.« 
Mit fatalistischer Geste stieß Cole den geladenen Revolver in 
die Innentasche seiner Jacke, sodass er mit dem Kolben nach 
oben gegen seine Brust drückte. Er bedeckte die Wölbung mit 
einem Mantel, den er sich über die linke Schulter legte. Catz 
schob ihre Waffe in die Handtasche. Dann stieg sie aus dem 
Auto. Beide trugen ausgemusterte Militäroveralls über ihrer 
gewohnten Kleidung. 
Die Autotüren fielen ungewöhnlich laut ins Schloss und Cole 
zuckte zusammen. Er holte tief Luft und marschierte durch den 
milden Maiabend zum Haupteingang des stiftförmigen Pyra-
mid Building. »Achtzehnter Stock«, murmelte er. 
Die Straße war verlassen: Dies war ein Geschäftsviertel und 
um diese Zeit fast ausgestorben. Von der Market Street ein paar 
Blocks weiter rief leise das Nachtleben. Ein einzelnes Auto fuhr 
die Straße entlang und schien langsamer zu werden, als es sich 
Cole näherte. Er musste sich zusammennehmen, um nicht 
loszulaufen. Doch der Wagen fuhr weiter, bog um eine Ecke 
und verschwand. 
Und dann waren sie am Eingang. Cole blieb stehen und legte 
den Kopf in den Nacken. 
Das pyramidenförmige Gebäude war lang, schmal und unbe-
lebt, mit Ausnahme dreier Fenster, die im achtzehnten Stock 
leuchteten. 
Cole sah Catz an und schluckte. Catz zupfte ihn am Ärmel. 

Gemeinsam stießen sie die Glastüren auf. 
Ein bewaffneter Wachmann stand neben dem Aufzug. Aller-
dings mit dem Rücken zu ihnen. Cole folgte seiner Blickrich-
tung: Der Mann starrte zwei Feuerlöscher an, die im Korridor 
rechts neben dem Aufzug an der Wand hingen. Die Feuerlö-
scher sprühten wild mit Löschschaum um sich, ihre Schläuche 
zuckten und peitschten vor Überdruck und die vibrierenden 
Chromzylinder schlugen mit monotonem Donnern gegen die 
Wand. Der Wachmann ­ er starrte die manischen Feuerlöscher 
an, sah Cole und Catz nicht ­ ging den Flur entlang, schüttelte 
den Kopf, überlegte, was er tun sollte. Bemüht, dem heraus-
schießenden Schaum auszuweichen, tastete er zaghaft nach der 
Düse, suchte einen Schalter, der die Zufuhr unterbrach ... 
Cole und Catz liefen mit den Händen am Griff ihrer Waffen 
zum Fahrstuhl. Die Türen öffneten sich augenblicklich vor 
ihnen. Ein Blick zum Wachmann, doch er wandte ihnen immer 
noch den Rücken zu. Sie betraten den Aufzug und Cole meinte 
Catz' Herzschlag im Gleichtakt mit seinem zu hören. Sie atme-
ten gleichzeitig aus, als sich die Türen hinter ihnen schlossen. 
Sie brauchten keinen Knopf zu drücken ­ die Schaltfläche mit 
der 18 leuchtete auf und der Fahrstuhl fuhr aufwärts. 
»Danke, City«, hauchte Cole, ohne eine Antwort zu erwarten. 
Doch Citys Stimme drang aus der Sprechanlage neben der 
Knopfleiste: »Zieht eure Masken über. Oben sind noch mehr. 
Zwei reguläre Wachleute und zwei Mietkiller, die einen im Flur 
und die anderen im Büro. Die Wachleute oben wissen, dass 
jemand ohne Genehmigung das Gebäude betreten hat ­ sie 
behalten die Stockwerksanzeige im Auge und der Wachmann 
unten hat Anweisung, sie anzurufen, wenn jemand herein-

kommt ­ also haben sie sehr wahrscheinlich ihre Waffen 
schussbereit. Ich werde sie ablenken, aber stellt euch darauf ein, 
eure Waffen zu gebrauchen ­ versucht sie möglichst leise außer 
Gefecht zu setzen.« 
Sie holten ihre Gummimasken hervor ­ beides traurige Pen-
nerfratzen ­ und zogen sie über. Cole fing sofort zu schwitzen 
an, seine Haut juckte von der Berührung mit dem Gummi. 
Es war eng und stickig in diesem unwirklichen Gesicht. 
Cole zog seine Waffe, und die Türen des Aufzugs öffneten 
sich. 
 

Drr-EIII! 
 
Da lag ein toter Mann
 und blutete auf den Teppich. Über 
ihm stand ein weiterer Mann mit einer rauchenden Waffe in 
der Hand. Beide Männer trugen Uniformen; der Stehende 
weinte. »Hee ­ das sieht nur so aus, wirklich!«, sagte er und 
wandte sich dem Aufzug zu. »Die Knarre ist einfach losgegan-
gen ...« Dann sah er ihre Masken. 
Er hob seine Waffe und feuerte. 
Cole und Catz hatten sich bereits flach gegen die Seiten des 
Aufzugs geworfen. Cole blieb vor Unentschlossenheit wie 
angewurzelt stehen: Das Feuer erwidern? Die Aufzugstüren 
schließen? Sich ergeben? 
Aber Catz feuerte einen Schuss ab und der Wachmann fiel 
um, eine Kugel im Leib. Er krümmte sich auf dem Teppich zu 
ihren Füßen und rief irgendeinen Namen. 
Oh Gott, dachte Cole. Im Fernsehen sind sie immer gleich tot. 
Der Mann lag auf dem Bauch, schrie wie ein geohrfeigtes 
Kind und versuchte den Fluss des Blutes aus seinem zerfetzten 
Bauch aufzuhalten, sein Gesicht war schneeweiß und seine 
Mütze eierte neben ihm auf dem Boden, als wiegte sie sich voll 
Mitleid. 
Cole hob seine Waffe, unterdrückte ein Winseln und feuerte 

auf den Kopf des Mannes. Noch mal. Und noch mal. Zwei der 
Kugeln gingen fehl. Eine traf den Mann von hinten in die rechte 
Schulter. 
Catz schlug Coles Waffe nach unten und fragte: »Was machst 
du da?« 
»Ich hab versucht ­ ihn von seinen ...« stammelte Cole. 
»Ich wollte ihn nicht dort treffen: Ich habe auf seine Beine 
gezielt. Vielleicht überlebt er es. Gib ihm eine Chance.« 
»Glaubst du, öhm, City hat ­ äh, seine Waffe losgehen lassen, 
um den anderen zu töten?« 
Catz kam nicht zum Antworten. Sie wurden aus zwei Rich-
tungen angegriffen. Von vorn tauchten aus der Empfangshalle 
vor dem Konferenzraum zwei untersetzte Männer mit Halb-
glatzen und dunklen Anzügen auf. Die Revolver im Anschlag 
kamen sie auf sie zu, drückten ab und ­ ihre Waffen feuerten 
nicht. Verblüfft starrten sie darauf hinunter, während von 
rechts ein Autosecur heranrumpelte, einer dieser einfältigen 
Roboter, die 1979 als Wachen für Warenlager und geschlossene 
Kaufhäuser auf den Markt gekommen waren. »Bleiben Sie 
stehen und bewegen Sie sich unter keinen Umständen«, erklang 
eine gebieterische mütterliche Stimme aus dem runden Chrom-
kopf des Roboters. Seine Arme, dicht segmentiert wie Staubsau-
gerschläuche und mit stumpfen Greifwerkzeugen versehen, 
hoben sich und umklammerten die beiden überraschten Si-
cherheitskräfte. Er wiederholte seine »Bleiben Sie stehen und 
...« ­ Litanei und dämpfte damit den Protest des Größeren: 
»Hee, was soll'n der Scheiß, du Spinner sollst doch ­« Er brach 
ab, als die Befreiungsversuche seines Kumpels ein grelles Blitz-
licht am Kopf des Autosecur auslösten, das aus dieser Nähe 

beide Männer vorübergehend blind machte. 
Cole und Catz blinzelten die verschwommenen farbigen 
Wirbel weg, die der Blitz hinterlassen hatte. 
Die Männer in den Armen des Autosecur zappelten, fluchten 
und schüttelten die Köpfe, als könnten sie sich so von ihrer 
Blindheit befreien. Ein kleines rotes Lämpchen blinkte auf der 
zylinderförmigen Brust des Roboters, an und aus, und zugleich 
zuckten und zitterten die beiden Wachleute, als der Computer 
sie mit kurzen Elektroschocks impfte. Dann erlahmte ihre 
Gegenwehr, erschöpft und verwirrt; einer fing zu weinen an; 
Gas zischte aus einer Öffnung an der Naht zwischen Kopf und 
Brust der Maschine, und die Wachen ließen sich ­ durch das 
Lachgas wie hysterische Kinder kichernd ­ abschleppen, den 
Flur hinunter ... 
Durch die offene Tür der Vorhalle sah Cole, wie sich der 
Eingang zum Konferenzraum öffnete. »Was zum Henker ist 
hier los?«, fragte eine unsichtbare Gestalt, als die Tür nach 
außen schwang. »Wir versuchen hier ­« 
Cole wollte sich umdrehen und weglaufen, doch Catz, die er 
im Verdacht hatte, dass sie das Ganze irgendwie genoss, sprang 
mit erhobener Waffe vor und zerrte sich dabei die Maske tiefer 
übers Gesicht. »Sofort wieder da rein«, brüllte sie mit künstlich 
heiserer Stimme. 
Cole rannte ihr nach, der Raum tanzte vor den klebrigen Au-
genschlitzen seiner Maske. Durchdringender Gummigeruch 
erfüllte seine Nase. 
Der Mann hing im Türrahmen wie sein erstaunter Ge-
sichtsausdruck zwischen seinen Hängebacken, dann stolperte er 
hektisch rückwärts, verlor das Gleichgewicht und plumpste auf 

seinen breiten Arsch. Catz und Cole drängten sich in den Raum 
und schwenkten ihre Waffen. 
Jemand rief: »Verdammt, die wollen uns entführen!« 
Es waren fünf Männer, das entsetzte Knäuel auf dem Boden 
eingerechnet, und Cole erkannte nur Rufe Roscoe und seinen 
Anwalt Salmon. 
Zwei der Männer sahen keine Spur verängstigt aus: Roscoe 
und ein Auswärtiger (nach dem New Yorker Schnitt seines 
Anzugs zu urteilen), ein blassgesichtiger Mann mit schwarzen 
Augenringen und einem höflichen, geschäftsmäßigen Lächeln 
auf den fischigen Lippen. 
Cole fiel sein Text wieder ein. »Na schön«, sagte er zu Sal-
mon und hoffte, dass es skrupellos genug klang. »Wen soll ich 
nun umlegen? Alle oder nur den, von dem die Rede war?« 
Der Auswärtige wandte sich gelassen, aber mit fragendem 
Blick Salmon zu. Als Cole das Profil des Mannes sah, erkannte 
er ihn: Gullardo, der Kurier der Mafia. Sein Profil war auf 
einem Foto in einem Zeitschriftenartikel gewesen. Cole lächelte 
unter seiner Maske: Den Jungs vom Syndikat würde es nicht 
gefallen, dass ein Anschlag stattfand, wenn einer der ihren 
zugegen war. Gut. 
Cole hob seine Waffe und zielte auf Gullardo. »Soll ich ihn 
erledigen oder nicht?«, fragte er Salmon. 
»Wa- äh ­ nein!« 
»Haben Sie es sich anders überlegt?«, hakte Cole nach. In 
diesem Augenblick löste sich ein Schuss aus seiner Waffe. 
Er starrte die Waffe entgeistert an. 
Er hatte nicht abgedrückt. Aber Gullardo brach zusammen, 
würgte an seinem Blut, die Kehle aufgerissen. 

»O Scheiße, City!«, sagte Cole und stolperte rückwärts. 
Er drehte sich um und rannte los. Catz folgte ihm, rief etwas, 
das er nicht verstand. Im Türpfosten zu seiner Rechten erschien 
plötzlich ein Loch, als er vorbeirannte, und Splitter stachen ihm 
in die Wangen. 
Die Aufzugtüren standen offen, schienen zu warten. Catz 
und Cole warfen sich in den Aufzug, flach an die Wände ge-
drückt. Eine weitere Kugel fetzte knapp unterhalb der Decke in 
die Wand, ein paar Zentimeter über Coles Kopf. »Jesus-Maria-
verdammte-Scheiße«,  die Aufzugtüren schlossen sich. Etwas 
schlug von der anderen Seite mit einem metallischen Pling eine 
leichte Delle hinein. Dann glitten die inneren Türen davor und 
sie sanken abwärts. Siebzehnter Stock ... zwölfter ... achter ... 
fünfter ... 
»City, halt im ersten Stock!«, brüllte Cole. »Lass uns da raus, 
wir nehmen die Treppe, sonst nehmen uns die Wachleute im 
Parterre ­« 
Doch der Aufzug fuhr am ersten Stock vorbei und öffnete 
sich im Erdgeschoss. Catz und Cole duckten sich und Catz 
feuerte wild drauflos. Niemand. Eine Kugel durchschlug die 
Fensterfront und hinterließ eine Korona feinster Spinnwebrisse 
um das Durchschussloch. 
Die Wache war nirgends zu sehen. Cole verließ hinter Catz 
vorsichtig den Aufzug. Zur Linken, einige Meter den Flur 
hinunter, lag der erste Wachmann, den sie gesehen hatten, auf 
dem Bauch. Neben ihm stand ein Feuerlöscher. Der Schlauch 
führte über den Teppich zu seinem Gesicht und das Ventil ­ 
»Durchs Auge!«, zischte Cole angewidert. 
Ohne zu überlegen eilte Cole den Korridor entlang und 

drückte die Türklinken herunter, bis er ­ die dritte Tür ­ ein 
offenes Büro fand. Drinnen auf dem Schreibtisch stand ein 
Telefon. Er drückte die Null, um ein Amt zu kriegen, und 
schaltete die Bildfunktion ab, um eine visuelle Aufzeichnung zu 
vermeiden. »Was machst du da?«, wollte Catz wissen. »Wir 
müssen weg, nichts wie raus hier!« 
»Ich ruf einen Krankenwagen ...« 
Er bekam kein Amt. Stattdessen erklang Citys Stimme: »Haut 
ab, Cole, beeilt euch. Ich kann ihre Anrufe zu ihren Kumpanen 
nicht mehr lange abblocken ­« 
»Hier liegen halb zerfetzte Leute rum«, sagte Cole, seine 
Stimme klang hoch und dünn. »Die müssen ­« 
»Die müssen sterben«, sagte Citys Stimme, eine Stimme so 
kalt und hallend wie eine Straße in der Innenstadt um Mitter-
nacht im Winter. »Je weniger Zeugen, desto besser. Die AEA 
wird den ganzen Vorfall zu vertuschen wissen, damit ihre 
Verbindung zu Gullardo nicht bei einer Untersuchung ans 
Licht kommt. Sie werden ihn wegschaffen und behaupten, er 
wäre woanders umgebracht worden ­« 
Wutschnaubend hämmerte Cole mit der Hand auf den 
Knopf, der die Verbindung unterbrach. Catz wartete unruhig 
im Korridor. 
Mit steifen Bewegungen folgte Cole ihr zum Auto ... 
Ein paar Straßenecken weiter südlich zogen sie die Masken 
und die Overalls aus und Cole wischte sich den Schweiß vom 
Gesicht. »Ich glaube, ich kriege von diesem Gummizeug einen 
Nesselausschlag«, murmelte er. 
Catz fuhr schweigend weiter. 
Cole fragte (denn er brauchte den Klang ihrer Stimme): 

»Meinst du, die Bullen kommen?« 
»Nein. City blockiert solche Anrufe. Und ich glaube nicht, 
dass sie Bullen dabei haben wollen, bevor sie Gullardo losge-
worden sind. Falls er überhaupt tot ist.« 
»Das ­« Cole drehte sich der Magen um. Er schluckte Säure 
hinunter. »Dasselbe hat City ... am Telefon gesagt ... Er hat 
mich keinen Krankenwagen rufen lassen.« 
Zwischen ihnen lag etwas in der Luft, dass ihnen beiden 
Angst machte; eine unausgesprochene Erkenntnis: City hatte sie 
belogen. 
»Es ist nicht so gelaufen ... wie er gesagt hat ...«, murmelte 
Cole schließlich. 
Mit einem defensiven Unterton ­ obwohl sie sich nicht zu 
verteidigen brauchte ­ sagte Catz: »Hey, Stu ­ niemand ist 
unfehlbar. Er kann nicht alles unter Kontrolle haben. Er ist 
nicht der Zeitgeist persönlich. Er muss improvisieren, wie es 
gerade kommt.« Irgendwie schien es, als verteidigte sie City nur, 
um Coles Gefühle zu schonen; damit er nicht durchdrehte. 
»Ich habe den Schuss auf Gullardo nicht abgefeuert«, sagte 
Cole tonlos. »City hätte nicht ­« 
»Was?« Sie wandte ihm plötzlich ihre Aufmerksamkeit zu 
und vergaß darüber fast, dass sie in einem Auto saß. Cole trat 
instinktiv auf eine nicht existierende Bremse, als sie fast eine 
rote Ampel überfuhren. Halb auf der Kreuzung blieben sie 
stehen und Catz legte den Rückwärtsgang ein. Die Straße war 
hier fast leer, mit Ausmahne einiger finsterer Gestalten, die sich 
hinter dem getönten Glas einer schwach beleuchteten Bar 
abzeichneten, den steilen Hügel hinunter auf der rechten Seite. 
»Ich habe ihn nicht erschossen. Ich habe nicht abgedrückt. 

City hat den Schuss ausgelöst.« 
»Na, vielleicht ­« Sie hielt inne, als die Ampel auf Grün um-
schaltete und sie Gas geben musste. Das Auto fuhr rückwärts. 
»City, lass das!« Sie stieg auf die Bremse und der Wagen kam 
bockend zum Stehen. 
»Du hast noch den Rückwärtsgang drin«, sagte Cole mit ei-
nem schwachen Lächeln. »Als du auf die Kreuzung gefahren 
bist und wieder zurück musstest, hast du ­« 
»Oh!« Sie lächelte verlegen, schaltete und entspannte sich, als 
der Wagen vorwärts anfuhr. »Richtig.« Sie zögerte. »Jedenfalls ­ 
vielleicht wusste City nicht, dass wir auf Gullardo treffen, und 
unter den Umständen war das einzig Mögliche, ihn zu töten. 
Aber ­ Mann, ich weiß wirklich nicht, warum das nötig sein soll 
...« 
Cole merkte, dass er stocksteif und mit durchgedrücktem 
Kreuz dasaß. Er zitterte. Er versuchte sich bewusst zu entspan-
nen und sein Körper erzitterte. Er ließ sich gegen die Tür sak-
ken, drückte auf den Knopf, der das Fenster öffnete, und atmete 
die kühle, frische Luft tief ein. »Ich brauch was zu trinken.« 
»Oder vielleicht ...«, fuhr Catz fort und nagte mit den 
Schneidezähnen an ihrer Unterlippe, »vielleicht hast  du ja 
abgedrückt. Da kannst du dir nicht sicher sein, das ist wie bei 
einem Unfall. Dein Finger kann gezuckt haben ...« 
Coles Stirn legte sich in Falten. Vielleicht hatte er es getan 
und nicht City. 
Was denn getan?, dachte er wütend. »Getötet«, murmelte er 
laut, um sich an den Klang zu gewöhnen. 
»Ja, gewöhn dich lieber dran«, sagte Catz. 
»Ich mag es nicht, wenn Du meine Gedanken liest, ohne dass 

ich dich darum gebeten habe«, sagte er leise. 
»Tut mir Leid. Ich habe nur etwas aufgefangen, aus Verse-
hen.« 
»Ja. Klar. Sicher. Schwachsinn.« 
»Hör mal, mach nicht mir die Hölle heiß, Stu. Du bist doch 
nicht auf mich wütend.« 
»Woher zum Teufel willst du wissen, auf wen ich wütend 
bin?« Seine Stimme bebte. Er starrte geradeaus. »Außer du liest 
meine Gedanken.« 
»Nein. Ich kann das eh nicht dauernd tun. Ich weiß, worüber 
du dich aufregst, weil ich dich kenne. Das merke ich schon an 
der Art, wie du deine Hände hältst. Als müsstest du dich daran 
hindern, dir selber die Fäuste in die Fresse zu hauen, Schlamper. 
Gib's zu: Du hast eine persönliche Schuld zu begleichen. Schieb 
das nur nicht mir in die Schuhe. Ich unterschreib deine Schuld-
scheine nicht.« 
Cole zitterte. Er versuchte damit aufzuhören und konnte es 
nicht. Es fühlte sich an, als müsste er zittern und immer weiter 
zittern, bis das Auto auseinanderfiel. Es fühlte sich an, als würde 
er zerbrechen oder ersticken. »Lass mich hier raus«, sagte er 
plötzlich. »Ich brauch Bewegung. Wir sehen uns im Club. Ich 
muss nachdenken.« 
Sie bremste hart. »Vielleicht sehen wir uns im Club.« 
Er stieg aus. Sie fuhr an, ehe er die Tür zumachen konnte. 
Das Auto schoss vorwärts und die Tür knallte zu, als wäre sogar 
der Wagen wütend. 
Er schaute sich um und stellte fest, dass er keine Ahnung hat-
te, wo er sich befand. 
Er stand auf der Polk Street. Er holte tief Luft und zitterte. 

Die Nacht schien ungewöhnlich kalt zu sein. 
Eine große, flachsblonde Frau, so konservativ gekleidet wie 
eine Empfangsdame, hielt einer Gruppe von vier Teenie-
Strichjungen einen Vortrag. »Es ist mir egal,  ob ihr mir das 
abnehmt ­ ihr werdet von selbst darauf kommen. Glaubt mir. 
Die Gewerkschaft ist auf Dauer die einzige wirksame Waffe 
gegen die Vigilanten, und gegen die Bullen und alle anderen 
Fieslinge, die euch verarschen wollen.« Eine Vertreterin der 
Prostituiertengewerkschaft. 
Cole ließ sich langsam außer Hörweite treiben. Er ging an 
einer Kneipe vorbei, durchschritt den warmen Luftstrom des 
Abluftrohres, es roch nach Bier und Wein und Dope und Tabak 
und trug den Lärm der Betrunkenen mit sich, die einander zu 
übertönen versuchten. 
Er kam an einem Video- und CD-Rom-Laden vorbei, 
schlenderte durch das bunte Licht, das Dröhnen der Musik. Er 
durchquerte eine Gegend, die fast ausschließlich von Homose-
xuellen bewohnt war. Es war eine fröhliche Gegend, voller 
Gelächter und Zuneigung. Die Schwulen akzeptierten so ziem-
lich jeden, und manchmal ging er in Schwulen- und Lesben-
bars, um Männer mit Männern und Frauen mit Frauen flirten 
zu sehen. Er beobachtete Männer, die Männer streichelten ... 
Ihm gefiel das Gemeinschaftsgefühl, das sich in ihren Zärtlich-
keiten ausdrückte, die allgemeine Entspanntheit, die fröhliche 
Rebellion. Cole hatte seine Heterosexualität mehr als einmal 
bedauert. Manchmal dachte er wehmütig, dass sein erotisches 
Feuer wieder auflodern würde, wenn es ihm nur gelänge, so 
gemeinschaftlich zu lieben wie die Schwulen, besonders seit sie 
endlich über den Impfstoff verfügten. 

Er kam an einer Horde Drag Queens vorbei und lauschte von 
Weitem ihrer Unterhaltung. ... »Aber Miss Dodo,  schau dich 
doch an, Schätzchen, mit der Haarfarbe hast du wohl etwas 
übertrieben. Heutzutage trägt niemand mehr Grün, das nächste 
Auto verwechselt dich mit einer Ampel und fährt dich um.« 
Cole lächelte schwach. Es klappte nicht. Er versuchte sich in 
der City zu verlieren. Und es klappte nicht. Sein Schmerz 
schirmte ihn gegen den Rest der Welt ab. 
Und er lief zu schnell. Die bärtigen Männer in Armeestiefeln 
und Jeans, schwule Motorradritter in Leder mit herausgetrenn-
tem Hosenboden, Pärchen und Dreier und Gruppen aus bis zu 
acht und zehn Leuten, die Joints herumgehen ließen und sich 
küssten und sinnlose Witze rissen, auf dem Bürgersteig vor ihm 
­ er musste sich immer wieder zwischen ihnen hindurchdrän-
geln. Eine Drag Queen sah ihn wütend an und sagte: »Latsch 
mir bloß nicht auf meine Pumps, Mädel, ich hab mir die Quäl-
geister gerade erst gekauft.« 
»Tschuldigung«, murmelte Cole und schob sich verzweifelt 
weiter. 
Sein Herz hämmerte. 
Er versuchte, vor dem Bild wegzulaufen ... es zu unterdrük-
ken ... es blitzte auf: 
Da lag ein toter Mann und blutete auf den Teppich. Über ihm 
stand ein weiterer Mann mit einer rauchenden Waffe in der 
Hand. 
Cole steuerte die nächste Bar an, drängte sich grob an die 
Theke vor und brüllte den Barkeeper an: »Bourbon pur!« Der 
Barkeeper, ein kleines, verhutzeltes Tantchen, das seine Haare 
zu oft gefärbt hatte, schürzte die Lippen und schnalzte vor-

wurfsvoll mit der Zunge. 
Die Musikbox spielte ein uraltes Stück von den Pet Shop 
Boys ... Der Barkeeper schaute Cole in die Augen und es däm-
merte ihm. Er zuckte die Achseln und goss Cole einen Drink 
ein. Einen Doppelten. Cole trug sein Glas in eine leere Eckni-
sche und setzte sich, nahm kleine Schlucke, erschauerte von 
dem starken Drink und zitterte vor Anstrengung, um endlich 
alles zu verdrängen ... 
Und scheiterte. 
Der Mann lag auf dem Bauch, schrie wie ein geohrfeigtes Kind 
und versuchte den Fluss des Blutes aus seinem zerfetzten Bauch 
aufzuhalten ... 
»City ...«, sagte Cole heiser, zu nichts und niemandem. 
Cole hob seine Waffe, unterdrückte ein Winseln und feuerte 
auf den Kopf des Mannes. Noch mal. Und noch mal. Zwei der 
Kugeln gingen fehl. Eine traf den Mann von hinten in die rechte 
Schulter ... 
»City!«, sagte Cole, mit zusammengebissen Zähnen, die Au-
gen fest geschlossen. 
...  Gullardo brach zusammen, würgte an seinem Blut, die 
Kehle aufgerissen ... 
»CITY!«, brüllte Cole und riss die Augen auf. 
»Geht's dir gut, Schätzchen?« Ein kleiner Mann mit einem 
gepflegten Ziegenbärtchen und einem Ohrring. Er lächelte ein 
wenig. Noch jemand kam an den Tisch ... eine Drag Queen, 
stellte Cole dumpf fest. Er schüttete seinen Drink in drei Schlu-
cken hinunter, verzog das Gesicht und stand auf. 
»Mädel, du siehst schlimm  aus«, sagte die Drag Queen, als 
Cole an ihr vorbei schlich, »­ du solltest besser nach Hause 

gehen und ­« 
»Ja«, sagte Cole. »Ja, danke. Das mach ich. Nach Hause ge-
hen.« Blinzelnd ging er zur Tür hinaus. 
Cole tappte blind die Straße entlang, murmelte Entschuldi-
gungen, atmete schwer und war sich dunkel bewusst, dass er an 
Schwulen-Discos vorbeikam, an Schwulenkinos, schwulen 
Polizisten, die auf Streife Händchen hielten, an schwulen Holo-
videotheken. Er marschierte drauflos wie ein Wilder. 
Schließlich blieb er stehen und schüttelte sich. Er holte tief 
Luft und sah sich um. Er fühlte sich besser. Er befand sich in der 
Innenstadt, in der Nähe des Embarcadero Centers. Gasohol-
Autos schnurrten rechts an ihm vorbei, Wolkenkratzer ragten 
hart und kalt und scharfkantig in der Straßenbeleuchtung über 
ihm auf. Die Gehwege waren fast leer. Links von ihm lag je-
mand zusammengerollt in einem Hauseingang. 
Cole verkrampfte sich. Die dunkle Gestalt trug eine Spiegel-
brille, einen verbeulten Hut und einen langen Mantel. Ge-
dämpfte Musik drang leise aus seinem Leib ... 
»City?«, flüsterte Cole und ging langsam näher. Er beugte 
sich über die schlafende Gestalt. »City?«  Der Mann in dem 
Hauseingang roch nach Wein und Erbrochenem. Coles Augen 
gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Er starrte dem 
Mann ins Gesicht. Die Brille saß schief, rutschte ihm fast von 
der Nase. Der Mann schlief und schnarchte leicht. Sein Chica-
no-Gesicht war mit Aknenarben überzogen. Die Musik kam aus 
einem kleinen tragbaren Radiogerät, dass halb in seiner Arm-
beuge versteckt lag. Ein Rocksender, der leiser und lauter wur-
de, von statischem Rauschen begleitet. 
Cole wandte sich bitter enttäuscht ab. 

»Wie geht es dir, Cole?« 
Citys Stimme, hinter ihm. 
Cole wandte sich wieder der finsteren Gestalt zu, die mit 
hochgezogenen Knien im Hauseingang schlief. Der Mann 
schnarchte immer noch. 
»City?« 
»Ja, Cole.« Die Stimme kam aus dem Radio, übertönte die 
Musik. 
Cole ging näher an ihn heran, beugte sich über das Radio 
und sprach leise, um den schlafenden Säufer nicht zu wecken. 
»City ... ich bin total fertig. Ich leide.« 
»Woran? Warum, Cole?«, fragte das Radio. Die Musik 
schwoll wieder an, während City auf eine Antwort wartete. 
»Es ekelt mich so an. Mir ist richtiggehend übel. Seltsam ... 
erst ging es mir gar nicht so schlecht. Ich stand wohl unter 
Schock oder so. Und dann habe ich, äh, angefangen zu zittern 
und plötzlich erwischte es mich. Ich habe diesen Mann getötet. 
Du und ich, wir beide haben ihn getötet. Du hast mich belogen. 
Und dieser Wachmann. Mag sein, dass Gullardo sterben muss-
te, vielleicht hat er es verdient, dass jemand ihm die ­ au Schei-
ße! ­ die Gurgel zerschießt ... Aber der Sicherheitsmann, der 
wusste von nichts.« 
»Er war breit, Cole. Der Wachmann war breit und litt unter 
Wahnvorstellungen. Er hätte jeden erschossen, der aus dem 
Aufzug kam.« 
»Selbst wenn das stimmt, es hätte eine andere Möglichkeit 
geben müssen, ihn auszuschalten, als ­« 
»Ja, hätte es, aber gab es nicht.« Citys Stimme wurde lauter, 
durchdringender. Der Säufer zuckte und wimmerte im Schlaf. 

»Pass auf, ich kann so was nicht. Ich kann ­ ich kann die 
Verantwortung dafür nicht ertragen. Ich kann nicht über diese 
Leute richten und sie wegpusten. Ich kann diesen Anblick nicht 
aushalten, das Gefühl danach ...« Cole brach ab und räusperte 
sich. Er schluchzte. Hinter ihm stöhnten die Autos. Er schaute 
rechts und links den Gehweg entlang. Es kam niemand. 
»Das musste sein, Cole. Dieser Augenblick der Erkenntnis in 
dir. Es fängt mit Schmerz an, mit Angst und Desorientierung, 
und dann erkennst du dich selbst und deine Rolle, und du 
verstehst.« 
»Nein, Mann. Ich verstehe überhaupt nichts.« 
»Cole ­ du hast diese Männer nicht erschossen. Ich habe das 
getan. Möglicherweise habe ich dich dafür benutzt. Als Mittel 
zum  Zweck.  Aber  im  Ernst,  es war meine Entscheidung und 
meine Verantwortung ­« 
»Ich muss selbst entscheiden ­ oder ich sollte  es zumindest 
können ­, wann ich dein verfluchtes Mittel zum Zweck bin und 
wann nicht.« 
»Nichts da. Nein, Stu, diese Entscheidung ist vor langer Zeit 
gefallen.  Du  bist  auserwählt  worden  ­  aber  du  hast  dich  auch 
freiwillig gemeldet. Du hast dich bereit erklärt, ein Teil von mir 
zu werden, mein Agent zu sein, lange bevor du mich in deinem 
Club getroffen hast. Beantworte mir eine äußerst wichtige 
Frage, Stu: Was bin ich? Wofür hältst du mich?« 
Cole zögerte. »Du ­ bist das Unterbewusstsein der Stadt. Das 
kollektive Unterbewusste. Von uns allen. So hat Catz es be-
schrieben.« 
»Das kommt der Wahrheit recht nahe. Aber überleg mal ­ 
was heißt das letztlich? Ich erfülle die unerfüllten Wünsche aller 

Menschen dieser Stadt. Sie fürchten sich heimlich vor ITC und 
der AEA, vor der Computerisierung der Welt und der Dezen-
tralisierung ihrer City. Sie haben Angst vor den Leuten, die sich 
dieser Mittel bedienen, um sie langsam aber sicher in ihre 
Gewalt zu bekommen. Trotz der Konditionierung, die darauf 
hinarbeitet, dass sie das bewusst hinnehmen, möchten sie sich 
unterbewusst dagegen wehren. Deswegen haben sie mich er-
schaffen, damit ich ihr verlängerter Arm sein kann. Sie  haben 
Gullardo erschossen, Stu. Sie haben die Vigs auf der Straße 
umgebracht. Schließlich warst auch du immer dafür, die Mehr-
heit regieren zu lassen, den Menschen eine kollektive Stimme 
zu geben. Du warst immer auf ihrer Seite. Du bist ihr Kind. Sie 
sind deine Familie.« 
Cole dachte darüber nach. Es leuchtete ein. Es half ihm. Es 
war eine stimmige Erklärung. Es spielte keine Rolle, ob City 
moralisch im Recht war. Es kam darauf an, dass Cole für das, 
was er in jener Nacht getan hatte, eine Rechtfertigung besaß. 
Das Blut klebte nicht mehr an seinen Händen. Er teilte die 
Schuld mit allen anderen. Wer durfte über ihn richten? Er 
fühlte sich entlastet. Er zitterte, doch dieses Mal aus Erleichte-
rung. 
»Na gut«, sagte er. 
»Von Zeit zu Zeit«, fuhr City fort, »wirst du an ihnen zwei-
feln, und an mir, und du wirst nichts mehr damit zu tun haben 
wollen. Vielleicht sogar schon heute Nacht. Doch jetzt weißt du, 
wie du damit fertig werden kannst. Es wird vorübergehen. Cole, 
lass keinen Menschen, lass niemanden mit deinem Schuld- und 
Unrechtsbewusstsein Ball spielen.« 
Wen meinte City damit? Catz? 

Das Radio knisterte und maunzte wieder dümmliche Musik. 
Citys Stimme war weg. 
Doch seine Präsenz war gegenwärtig, deutlich spürbar in all 
den aneinander gedrängten Häusern rings um Cole. 
Cole ging weiter und lächelte erleichtert vor sich hin. Er fühl-
te sich frei. Die Anspannung war von ihm abgefallen. Er dachte 
an seinen Club und bog in eine Straße ein, die ihn dorthin 
führte: zum Anesthesia. 
Ihm kam der Gedanke, dass er sich seinem Club widmete wie 
andere der Verwirklichung einer Idee oder dem Aufrechterhal-
ten einer Erinnerung. Die City glich einem riesigen Gehirn, 
einer Matrix aus Gedanken, Projekten, Entwürfen, in Beton und 
Asphalt gegossen, und er war der Mittelpunkt des Bewusstseins, 
das dieses Gehirn durchstreifte, mal diese Idee kurz berührte ­ 
diesen Ort in der Stadt ­, und mal jene, die Adressen ordentlich 
aufgelistet, eine führte zur anderen, wie die Bahnen freier 
Assoziation. 
Er hatte mehr denn je das Gefühl, ein Teil von Citys Gedan-
ken zu sein. 
»Hey, Stu!« Er blickte auf und sah Catz vor dem Club Anes-
thesia stehen. Er lächelte und hob grüßend die Hand. Sie wirkte 
erleichtert. Sie kam ihm entgegen, nahm seine Hand und ge-
meinsam traten sie in den Lärm des Nachtclubs. In unausge-
sprochenem Einvernehmen redeten sie über dies und das und 
alles Mögliche ­ nur nicht über City und die Toten im Pyramid 
Building. 
Sie gingen ins Hinterzimmer und Cole schenkte ihnen ein 
Bier ein. Sie redeten über Musik, über das Publikum, und fast 
wäre es ihnen gelungen zu vergessen. 

Aber in Catz' Stimme lag der Hauch einer Anschuldigung. 
Sie rang mit sich, um ja nicht davon zu sprechen. Cole spürte, 
wie sein Ekel vor sich selbst zurückkehrte. Die Entscheidung 
liegt nicht bei mir, sagte er sich. Alle Menschen in der Stadt 
haben für mich entschieden. 
Er stand auf, reckte sich und gab zu bedenken, dass er sich 
jetzt wieder an die Arbeit machen musste. Catz nickte und 
blickte zu Boden. Cole ging in den Schankraum. 
Zwei  Stunden  lang  verlor  er  sich  in  seiner  Arbeit.  Er  mixte 
Drinks und fütterte das vielmäulige Ungeheuer; er spülte Glä-
ser, bediente die Kasse und wischte den Tresen; er stellte die 
Compudisco neu ein und überprüfte ID-Karten, warf Randalie-
rer hinaus und tat so, als würde er Anekdoten lauschen, die er 
über den Lärm hinweg nicht verstehen konnte; er schenkte 
Drinks ein, immer wieder. 
Manchmal erledigte er all diese Dinge nacheinander, 
manchmal fast gleichzeitig, innerhalb von fünf Minuten, in 
bester Blitzbar-Manier. Er flitzte hinter dem Tresen hin und her 
wie eine Billardkugel, die von den Kanten eines Loches abprallt. 
Das tat ihm gut. Er war ein funktionierendes Teilchen der 
Maschinerie der nächtlichen City, und er fühlte sich geborgen. 
Er mixte Drinks, ölte die Zahnrädchen der samstagabendli-
chen Entspannungsmaschine und behielt sein Reich durch die 
von Rauchschwaden gedämpften Lichtblitze im Auge. 
Das Summen der Intercash-Geräte, das Klappern des Ge-
schirrspülers, die Dschungelgeräusche der drängelnden Gäste ­ 
all das verschmolz zu einem einzigen Meeresbrausen. 
Er war der Kapitän des Club Anesthesia. Er war der Ober-
arzt, der Vergessen in mit Alkohol gefüllten Spritzen verab-

reichte, und fast wäre es ihm gelungen, die sich windenden 
Wachleute zu vergessen, den Italiener, dessen Kehle zerfetzt 
wurde im achtzehnten Stockwerk eines Gebäudes, das Erdbeben 
überstehen sollte ... Bis zu einer halben Stunde am Stück konn-
te er das vergessen. Und immer wieder erinnerte er sich daran, 
dass  die ganze Stadt abgedrückt hat; ich habe nur ihren Befehl 
ausgeführt. 
Manchmal verwandelte sich das pyramidenförmige Gebäude 
vor seinem inneren Auge in die Pyramide auf den alten ge-
druckten Dollarnoten: mit einem großen, starrenden Auge 
darauf. 
Sie werden nach mir suchen, dachte er, sobald sie herausge-
funden haben, dass nicht Salmon dahinter steckt. Ich gehöre zu 
den Hauptverdächtigen: Sie wissen, dass ich Grund habe, sie zu 
hassen. 
So war er nicht weiter überrascht, als um zehn Uhr, nachdem 
Catz' Band eine Stunde lang gespielt hatte, zwei Männer in 
grauen Anzügen hereinkamen und zielstrebig die Bar ansteuer-
ten. Der Ältere trug eine gelb getönte Brille und sein schmales 
Gesicht wirkte durch Brandnarben, die seine Wangen zusam-
mendrückten, noch schmaler. Der andere war ein kleinerer 
junger Mann, dunkel, mit braunen Augen und pechschwarzem 
Haar; wahrscheinlich ein Chicano. 
Der Mann mit den Narben sagte: »Cole? Drummond«, und 
wies mit einem fast unmerklich gekrümmten Daumen auf sich. 
Er nickte in Richtung seines Begleiters. »Mein Kollege Hulera.« 
Drummond zeigte seine Dienstmarke. 
Als Hulera seine Lippen bewegte, verschwand sein leises Lä-
cheln nicht: »Haben Sie uns erwartet? Hat Ihnen jemand was 

gesteckt?« 
»Was? Äh ­« Nicht stottern, redete sich Cole zu. »Nein, ver-
dammt, nein. Aber ich erkenne Polizisten, wenn ich sie sehe. Sie 
gehören nicht zur regulären Streife, die sonst hier geschäftig 
herumläuft.« 
Drummond schien das zu genügen, doch Hulera fragte: »Sie 
haben keine Ahnung, weshalb wir Sie sprechen möchten?« 
»Ach, hör auf mit deinen Spielchen«, sagte Drummond ver-
ärgert zu Hulera. »Der Kerl ist nicht bescheuert ... Cole, haben 
Sie irgendetwas über ein paar Jungs gehört, die im Pyramid zu 
Schaden gekommen sind?« 
»Jungs?«, fragte Cole sorgsam uninteressiert.  »Sie meinen 
Kinder?« 
»Ich meine Wachleute. Einer von ihnen ist auf ziemlich un-
angenehme Art und Weise zu Schaden gekommen.« 
»Äußerst unangenehm«, warf Hulera ein und schüttelte den 
Kopf. Sein Lächeln war verflogen. »Jemand hat ihm einen 
Feuerlöscherschlauch ins Auge getrieben.« 
»Äh ­ blöde Art zu sterben.« Cole schluckte, um einen Wür-
gereiz zu unterdrücken. »Wie zum Teufel kam das?«, fragte er 
mit einem vermutlich recht dünnen Grinsen. 
»Das wollten wir von Ihnen wissen«, antwortete Hulera. 
»Warum von mir?« 
»Wir haben gehört, dass Sie gewissen Leuten eine Menge 
Geld schulden. Eine Menge. Den Leuten im achtzehnten Stock«, 
sagte Drummond. »Und dass Ihnen das ziemlich gestunken 
hat.« 
Cole spürte Drummonds prüfenden Blick. Der Mann beo-
bachtete jede Veränderung in Coles Gesichtsausdruck genaue-

stens. 
»Aber Drummond«, erwiderte Cole. »Bestimmt  würde es 
meine Schulden tilgen, wenn ich in ihr Büro renne und ihren 
Wachleuten Gegenstände ins Auge bohre. Aber sicher. Mann, 
dass war irgendein verdammter Irrer.  Mann, wenn ich wegen 
diesen angeblichen Schulden durchdrehen würde ­ und ich will 
nicht so tun, als ob ich darüber nicht sauer wäre ­, äh, wenn ich 
deswegen durchknallen und da raufgehen würde, um Leute 
auseinander zu nehmen, wäre ich ganz sicher nicht in der 
Verfassung, ein paar Stunden später hier meiner Arbeit nach-
zugehen, oder?« 
Hulera zuckte mit den Schultern, verzog das Gesicht und 
blickte Cole mit zusammengekniffenen Augen an. 
»Würde es ihnen etwas ausmachen, uns auf die Wache zu 
begleiten?«, wollte Drummond wissen. 
»Tut mir Leid«, sagte Cole. »Nicht ohne Haftbefehl.« 
»Wir können uns bis morgen früh einen besorgen«, sagte 
Hulera. 
Die Lichter gingen langsam aus und Catz ging in die nächste 
Runde. Sie mussten alle drei brüllen, um den Rock'n'Roar zu 
übertönen. 
Cole war froh über die funzlige Beleuchtung, so konnte 
Drummond sein Gesicht nicht klar erkennen. Er war sicher, 
dass das Entsetzen, das in ihm aufstieg ­ vor nichts hatte er 
mehr Angst, als davor, eingesperrt zu werden ­, sich in seinem 
Gesicht widerspiegelte. »Sie werden sich einen Haftbefehl 
besorgen müssen«, sagte Cole. »Ich muss eine Bar betreiben, 
und mit diesen Schulden im Nacken gedenke ich hier zu bleiben 
und so viel Geld wie möglich zu verdienen, da können Sie Gift 

drauf nehmen ­« 
»Das ist eine ziemlich lahme Entschuldigung, Freundchen«, 
sagte Hulera mit gewollt harter Stimme und beugte sich über 
den Tresen. 
»Verdammt, Hulera, das ist eine ziemlich gute  Entschuldi-
gung«, schnauzte Drummond seinen Kollegen an. Er nickte 
Cole zu. »Bis morgen.« Dann führte er den missbilligend drein-
schauenden Hulera aus der Bar. 
Cole machte sich einen Drink. 
»Verdächtiges Verhalten«, murmelte Cole vor sich hin, nahm 
einen Schluck aus seinem Glas und sah den Polizisten nach. 
»Ich hätte mit ihnen gehen sollen. Vielleicht sollte ich hinter-
herlaufen und ihre Fragen beantworten. Ach, zum Teufel da-
mit.« 
Eine Gestalt, die sich im neonfarbenen Schaufenster mit der 
blinkenden Bierreklame spiegelte, zog seine Aufmerksamkeit 
auf sich ­ eine schattenhafte Gestalt, die das Spiegelbild der 
Leute in der Bar überdeckte. Sie war nur sichtbar, wenn die 
Reklame von gelb auf rot wechselte. Rot: Da stand City in 
Trenchcoat, Schlapphut und Spiegelbrille. 
Cole schaute sich um. Kein City weit und breit (außer ma-
krokosmologisch). Das Spiegelbild war alles, was von ihm 
anwesend war. Ein Spiegelbild ohne dazugehöriges Original. 
City blickte ihn direkt an und schüttelte den Kopf. »Meinst du«, 
sagte Cole tonlos, »wegen den Bullen? Soll ich ihnen hinterher 
und mit ihnen reden?« 
City schüttelte erneut den Kopf und war verschwunden. 
Cole wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Als ihr Auftritt 
vorbei  war,  kam  Catz  an  die  Bar.  »Ich  habe  Citys  Stimme  aus 

den Monitorboxen gehört«, sagte Catz. »Er hat zu mir gespro-
chen.« 
Coles Herz wurde kalt. »Er hat noch einen Auftrag für uns 
...« 
Sie nickte. »Er hat gesagt, du sollst an das öffentliche Telefon 
gehen.« 
»Warum?« Cole warf seinen Polierlappen auf den Tresen. 
»Für heute Nacht langt es. Ich kann nicht mehr. Ach ­ es hat 
für die nächsten zehn Jahre gereicht.« 
Aber er ging zum Telefon hinüber. 
Er nahm den Hörer des Wandtelefons ohne Bildschirm ab, 
blendete den größten Teil der Musik mit einem Finger im 
anderen Ohr aus und lauschte. Sofort war über das Freizeichen 
hinweg Citys Stimme zu hören: »Vermeide jedes weitere Ge-
spräch mit der Polizei, wenn das möglich ist. Ich werde versu-
chen, den Verdacht auf die Tongs zu lenken, glaube ich. Die 
Triaden. Roscoe hat deine Stimme auf Band, von der Kamera. 
Es ist mir gelungen, das Bild auszublenden, aber die Tonauf-
nahme lief weiter. Wenn sie dich auf der Wache haben, könnten 
sie eine Übereinstimmung feststellen ... Geh jetzt zum First-
Tongue-Konzert im Memorial Auditorium. Vigilanten werden 
versuchen, die Veranstaltung zu sprengen, weil die Band sich 
nicht der mafiaeigenen Künstlergewerkschaft anschließt. Wir 
warten auf eine Gelegenheit und improvisieren dann. Geh zum 
Südeingang und ich sorge dafür, dass du reinkommst. Geh 
jetzt.« 
»Halt, hör mal, ich hab diesen Improvisationskram satt«, 
setzte Cole schrill an. »Du hast gesagt, dass niemand verletzt 
wird, aber ­«, er senkte die Stimme und warf einen Blick über 

die Schulter, »dann hat es Tote  gegeben, und bei mindestens 
zwei Leuten war das absolut sinnlos. Mindestens. Es gab keinen 
Grund, diesen Kerl mit dem Feuerlöscher umzubringen, City, 
du hättest ihm einfach eins überziehen können oder ...« Cole 
verstummte. In der Leitung war nur noch das Freizeichen zu 
hören. Er hatte das deutliche Gefühl ... »City?«, ... dass City 
nicht mehr zuhörte. 
Er warf den Plastikhörer nach der Wählscheibe und sah zu, 
wie er abprallte, um dann wie ein hässlicher Pendel an der 
stählernen Gliederkette zu baumeln. 
Catz stand neben ihm und hielt seinen Mantel bereit. Er 
konnte drei Schichten der Angst in sich spüren. Die erste 
Schicht war Furcht davor, getötet oder ins Gefängnis gesteckt zu 
werden. Die zweite Schicht betraf seinen Club, versetzt mit 
Angst um Catz. Die dritte Schicht bestand aus dem Grauen, das 
er jedes Mal empfand, wenn ihm bewusst wurde, dass er ir-
gendwie keine Wahl hatte, wenn City ihm Anweisungen gab ... 
Er zog seinen Mantel an und ging hinter Catz zur Tür hin-
aus. 
Der Südeingang des Konzertsaals war mit einer Kette ver-
schlossen und niemand schien auf ihn Acht zu geben. City hatte 
die beiden Vorhängeschlösser an den Ketten entriegelt und 
Cole musste nur die Ketten von den Türgriffen abwickeln. Die 
Tür war auch von innen verschlossen und Cole zog vergebens 
daran. Catz sagte: »Geh mal zur Seite.« Cole trat zurück. Er 
hörte es zweimal Klicken. Als er die Tür erneut zu öffnen ver-
suchte, war sie nicht mehr verschlossen. 
Cole stieß sie ganz auf und sie traten in das warme, verrauch-
te Gebäude. Sie befanden sich im Flur vor den Toiletten. Der 

Betonkorridor vibrierte dumpf im Rhythmus von Bass und 
Schlagzeug auf der anderen Seite der Wand ... Sie waren nicht 
allein. Man hatte sie hereinkommen sehen. 
Punks und Angstrocker standen in arrangiertem Durchein-
ander entlang der beiden Wände. Die Punks trugen selbst 
gemachte Klamotten, behängt mit Ketten und allem möglichen 
Schmuck, Glitzerkram, beliebig zusammengestellten Ansteck-
Buttons; ihre Kleidung ­ vom Stil her einander ähnlich, doch 
nie ganz gleich ­ bestand aus einer Ansammlung nicht zuein-
ander passender Kleidungsstücke, die alle ihre Abneigung gegen 
Fließbandkleider und von Computern entworfene Mode kund-
taten. Die Angster trugen fast durchgehend Uniformen ­ jede 
Art von Uniform erfüllte ihren Zweck, wenn auch Gefängnis-
uniformen am beliebtesten waren ­ oder Krankenhauskluft. 
Hier und da zeigten sich Gummiklamotten, schwarzes Leder, 
Chromketten, Beschläge aus durchsichtigem Plastik und Mode-
schmuck. Die ganze Horde rauchte Zigaretten, Pot und Alka-
loid-Sticks und starrte Cole und Catz nichts sagend an. Doch in 
einigen Blicken las Cole Respekt: »Da sind glatt welche für lau 
reingekommen«, kicherte jemand. »Sauber, die Tür mit 'ner 
Scheckkarte zu knacken.« 
Strohköpfige Punks, die Gesichter unbeholfen mit Tusche 
tätowiert ­ Dollarzeichen, Totenschädel und Anarchiesymbole ­, 
stolzierten auf den Südausgang zu. Die Angster, eher der finste-
re, niedergeschlagene Typ, blieben stehen, die Hände in den 
Hosentaschen und mit verdrossenen Augen unter den einför-
mig schwarzen Stirnbändern und Bürstenhaarschnitten. Punk-
frauen mit nackten hüpfenden Brüsten, Bondageringe in den 
Brustwarzen, in denen sich das Licht spiegelte, kicherten und 

neigten die Köpfe zu Cole hinüber: »Isser nicht was alt  für so 
was?«, fragten sie einander mit dem tradierten pseudo-
britischen Akzent. Cole zuckte innerlich zusammen. 
Mit einem arroganten Lächeln nahm Catz Cole am Arm und 
führte ihn nach rechts, zum Eingang des Zuschauerraums, der 
der Bühne am nächsten lag. Hinter ihnen riefen Punks ihre 
draußen gebliebenen Freunde heran, lockten mit freiem Eintritt 
durch die geknackte Tür. 
Catz war eine berühmt-berüchtigte Persönlichkeit und wäre 
sicher erkannt worden, hätten die Dominomaske aus Plastik 
und das diabolische Make-up nicht ihr Gesicht verdeckt. Sie 
trug einen hautengen Pullover ­ sie hatte den Stoff über ihrer 
rechten Brust herausgeschnitten ­, eine braune Fliegerjacke und 
schwarze gelochte Lederhosen. Ihr Haar stand in Spikes ab, so 
glich sie alles in allem einem Porträt, das ein Paranoiker gemalt 
haben mochte, wobei der Punk-Look ihr ein etwas altmodisches 
Aussehen verlieh. Die Punks waren vorwiegend Überbleibsel 
jenseits der Dreißig. 
Sie gingen einen gespenstischen, blau erleuchteten Korridor 
hinunter, kickten Plastikpillenspender, Zigarettenpackungen 
und von den Behörden ausgegebene Einwegspritzen beiseite 
und bogen nach links in den Zuschauersaal. Sie standen am 
Rand einer lauten, dicht gedrängten Menschenmenge, etwa 
zehn Meter entfernt von fünf der monumentalen Lautsprecher-
boxen, von denen jede einzelne so groß war, dass zwei Männer 
hätten hineinklettern können. Das Donnern des Heavy Metal 
brauste über sie hinweg, erschütterte sie in alle Sinne erfassen-
den Strömungen und zwang ihnen seinen Rhythmus auf ... 
Catz glitt durch dieses Element (das dreiste Dröhnen eines 

Angstrock-Konzertes  ist ein eigenes Element, eine Meeresströ-
mung aus greifbarem Klang; körperlich spürbare Musik, eine 
Verführung, die die Gelenke erschüttert und deren Luftdruck 
die Haare zaust, die Zähne klappern lässt), als hätte sie das 
Selbstvertrauen eines Falken in stürmischen Lüften. 
Cole glühte vor Bewunderung. 
Die Menge bewegte sich mit der Gleichförmigkeit eines gro-
ßen gestrandeten Drachen, in reptilienartigen Wellen, ein 
Mehrzeller von gewaltigen Ausmaßen, der sich unter der herri-
schen Massage des Rock'n'Roll wand und krümmte, mit einer 
gescheckten Haut ­ fünfzigtausend Gesichter, die fließend 
ineinander übergingen ­, der vor Lebendigkeit pulsierte, wäh-
rend er sich an der ungeheuren Lautstärke sättigte, die in 
rhythmischen Orkanböen von der Band ausging. 
Die Musiker waren als gnostische Heilige verkleidet, einge-
weihte Zauberer und Alchemisten in mit magischen Symbolen 
übersäten Gewändern aus rotem und schwarzem und silbernem 
Stoff. Der Sänger dagegen trug nur einen Lendenschurz aus 
Sackleinen und, auf der schweißglänzenden Haut seiner schma-
len Brust, ein Brandmal des Zeichens, des kabbalistischen Sym-
bols für Chaos: ein Kreuz, dessen unteres Ende in einer Sense 
auslief. Seine Katzenaugen (grüne Kontaktlinsen mit geschlitz-
ten Pupillen) glühten vor fremdartiger Intelligenz. Er schlängel-
te sich masochistisch zu den rhythmischen Peitschenhieben von 
Bass und Schlagzeug, folgte einer bizarren Choreografie, die 
spontan wie Peitschenknallen und zugleich elegant arrangiert 
wirkte, jeder Schritt Teil der Beschwörung eines urbanen Voo-
doo-Rituals ... In Interviews hatte der Sänger betont, dass die 
Instrumente von First Tongue in Zungen sprachen, in jener 

ersten Sprache der vorbabylonischen Zeit und der Sprache der 
Engel. Sie waren die letzte noch existierende erfolgreiche Ok-
kult-Rockband, ein Genre, das vor Jahrzehnten von Blue Öyster 
Cult ins Leben gerufen worden war. 
Der Sänger, sein Künstlername war Blue Drinker, zischte 
spöttische Zeilen: 
 
Die sechs Beine des atmenden Kadavers 
Der des Todes Frieden mit Eisdolchen anfrisst 
Seine sechs Zungen in ätzendem Palaver 
Künden von der Rückkehr eines elektrischen Christ ... 
 
In diesem Augenblick setzte die Lightshow ein. Die Laser sta-
chen in den wabernden Rauch, der über dem Publikum lag, rot 
und scharfkantig wie der unabwendbare Tod, Zusammen- und 
Widerspiel eines von Blitzlichtern überzogenen Netzes, das in 
einem diabolischen Code pulsierte, ätherische Strahlen aus 
heißem Stahl und gleißendem Draht: im Rhythmus der Musik. 
Immer der Musik angepasst, dem Vor- und Nachhall der Snare, 
den Stakkatoläufen der Gitarre, ein genau auf das Aufheulen 
des Synthesizers und das Grabesdröhnen des Basses abge-
stimmtes Leuchtfeuer. Die Lichter waren Teil des Klangs, mit 
der Zeitverzögerung einer Tausendstelsekunde über den Büh-
nencomputer verbunden. Als der Song den abschließenden 
Höhepunkt erreichte, spürte der Computer, dass die Zeit für die 
Holographie gekommen war; die Laserdegen teilten sich, bra-
chen, fächerten sich auf und wurden figürlich wie Holz, das sich 
auf einer Drehbank dreht, passten sich der Struktur des riesigen 
elektromagnetischen Feldes an, das aus versteckten Geräten in 

der Decke projiziert wurde. 
Und die schreiende, klatschende Menge, deren fasziniert 
aufwärts gerichtete Gesichter vom Sturm gepeitschten Wellen 
glichen, erblickte ein Geschöpf von der Größe eines Marinezer-
störers: Ein missgebildetes, unmenschliches Ding, ein sechsfü-
ßiger Mann, der spinnengleich auf seinem gepanzertem Bauch 
kroch. Aus seinem unförmigen Kopf blitzten sechs Augen in 
sechs mystisch aufeinander abgestimmten Farben. Als sich sein 
lippenloser Mund öffnete, wurden die Gitterstäbe eines Stadtge-
fängnisses sichtbar, zwischen denen Sträflinge mit leeren Augen 
hindurchschauten ... 
Das Ding bewegte sich zu den präzisen und gleichzeitig wü-
tenden Klängen von First Tongue: riesig, dreidimensional, fast 
greifbar schwamm es durch den Rauch, der von der Menge 
aufstieg, während um es herum holographische Wolkenkratzer 
umstürzten, Geysire aus Staub aufwirbelten und die Bewohner 
der Stadt unter sich begruben, die kreischend davonliefen ... 
Das holographische Bild des Monsters bewegte seine ge-
schuppten Arme und Beine und kreischte ... zur Musik (das 
strukturierte Brüllen von der Bühne unter ihm schien es in der 
Luft zu halten, es von Sekunde zu Sekunde, wieder und wieder 
neu zu erschaffen), während es durch die Projektion der City 
barst. Und Blue Drinker rezitierte mit einem Gesicht, das 
verklärte Trauer ausstrahlte, eine Bibelstelle: 
» ... Ein anderes Tier sah ich, das stieg aus dem Land empor. 
Es hatte zwei Hörner wie ein Lamm, redete aber wie ein Drache 
...« 
Dem holographischen Tier wuchsen zwei Hörner aus dem 
Schädel und Flammen schossen aus seinem Maul. 

» ... Und es vollbringt große Zeichen, dass es sogar Feuer vom 
Himmel herabfallen lässt auf die Erde vor den Augen der Men-
schen ...« 
Feuer regnete auf das Tier und die zerstörte Stadt herab. 
» ... So veranlasste es alle, die Kleinen und die Großen, die 
Armen und die Reichen, die Freien und die Sklaven, sich ein Mal 
zeichnen zu lassen auf die rechte Hand oder auf ihre Stirn ...« 
Und diejenigen Menschen im holographischen Bild, die auf 
Knien das flammende Tier anbeteten, wurden mit Zahlen auf 
ihrer Stirn gezeichnet, während auf der Bühne ein fluoreszie-
rendes Licht über Blue Drinker aufleuchtete und, bisher un-
sichtbar, 666 auf seiner Stirn zum Vorschein brachte. 
Catz stampfte begeistert auf den Boden und Cole lachte. Die 
Ziffern waren elektronisch geprägt ­ wie bei einer ITC-Zahl. 
Cole beugte sich zu Catz hinüber und brüllte: »Wo sind die 
Schutztruppler, auf die wir achten sollen? Und was zum Teufel 
machen wir, wenn wir sie entdecken?« 
Catz zuckte überschwenglich die Schultern. Cole konnte sich 
nicht entscheiden, ob das die Antwort war oder ob sie ihn nicht 
hören konnte. 
Die Band donnerte weiter wie eine Panzer-Phalanx, die über 
ein Schlachtfeld knirscht. Sie spielten Melodien, die präzise und 
komplex waren, doch gleichzeitig so verstärkt und scharfkantig, 
dass sie für Uneingeweihte wie reiner Lärm klingen mussten. 
Wie ein gepanzertes Fahrzeug auf den ersten Blick nach einer 
bulligen Masse metallischer Aggression und sonst nichts aus-
sieht, bestand die Musik bei näherer Betrachtung aus vielen 
sorgfältig geschliffenen und sicher ineinander greifenden Ein-
zelteilen. Eine gewaltige Soundmaschine. 

Die riesige Halle, für ein Fassungsvermögen von 55.000 
Menschen gebaut, wurde von einer weitläufigen Tanzfläche 
beherrscht. Sie war voll bis fast zu den Wänden, wo die Stuhl-
reihen der Zuschauertribüne befestigt waren. Rund um die 
Tanzfläche wurde gemäß der Brandschutzverordnung ein 
schmaler Zwischenraum frei gehalten, den Dutzende von 
Sicherheitsleuten und Rausschmeißern überwachten. Hier und 
da kam es zu Prügeleien, Flaschen flogen und Rauchbomben 
explodierten, bis die Szenerie mehr und mehr einem Schlacht-
feld glich. 
Unter der Tribüne standen drei Doppeltüren offen, die zu 
den Haupteingängen führten. Aus diesen Öffnungen strömte 
eine kleine Armee, alle einheitlich in Jeans und blaue Hemden 
gekleidet, die Gesichtszüge unter Nylonstrümpfen verborgen. 
Einige von ihnen trugen Gewehre, andere zogen Feuerwehr-
schläuche hinter sich her. Die Vigilanten, stellte Cole er-
schrocken fest. Er hatte über der Show fast seinen Auftrag 
vergessen. Und die Männer, an deren Tod er beteiligt war ... 
Er behielt den Zwischenraum entlang der Tanzfläche im Au-
ge. Die Sicherheitsmannschaft verschwand von der Bildfläche. 
Wie auf ein abgesprochenes Zeichen hin. 
Schreie und plötzliche Bewegungen am äußeren Rand der 
Menschenmenge ließen erkennen, wo die Vigilanten durchbra-
chen. Cole bemerkte das Knistern elektrischer Viehtreiberstök-
ke. 
Catz führte sie vorsichtig um die in Panik ausbrechende 
Menge herum, auf die Vigs zu. Aber sie waren gezwungen, 
gegen die Strömung anzukämpfen, als die Menge sich aufbäum-
te wie eine erschrockene Amöbe, weg von der Bedrohung in 

ihrem Rücken und in Richtung der Bühne und der Seitenaus-
gänge. 
Vorne wurden Leute gegen die Bühnengitter gequetscht und 
kletterten verzweifelt daran hoch, zu viele für die Bühnenarbei-
ter, die sie zurückzuhalten versuchten, während die Band die 
quer über die Bühne fliehenden Angster und Punks ignorierte 
und ungerührt einen Song von Aaron Dunbar spielte, The 
Hustler: 
 
Gott ist tot und ich will seinen Job 
Pate der kosmischen Mafia! 
Jeder 
ist von Gier getrieben 
Jeder 
seinen Bedürfnissen unterworfen 
Von diesem Fluch gibt es nur eine Erlösung ­ 
DAS GANZE UNIVERSUM SOLL MIR GEHÖREN! 
Gott ist tot und ich will seinen Job ­ 
 
Die Vigs feuerten ungezielt in die Menge, bis diese wie eine vor 
Angst wahnsinnige Viehherde auf die Bühne zu stürmte ... 
»Sie wollen, dass das Publikum die Band niedertrampelt!«, 
schrie Catz ungläubig. 
Die Band spielte mit grimmigen Mienen weiter. Die Musik 
brandete unaufhaltsam über die Zuschauer hinweg. Blue Drin-
ker tanzte verrückter und verrückter. Er schien in dem Chaos 
zu schwelgen, das seine Feinde verursachten. 
Catz und Cole gingen hinter einem Betonpfeiler in Deckung, 
während das Publikum wohl oder übel rechts und links vorbei-

strömte. Wer hinfiel, wurde zertrampelt. 
Die Vigs drehten die Feuerwehrschläuche auf und zielten in 
das sich zusammenziehende Herz der entsetzten Menschenan-
sammlung. 
Das Hologrammbild über all dem veränderte sich ... 
Es senkte sich aus der Region der stählernen Dachstützen bis 
fast auf das Publikum herab, so nahe, dass sie es nicht einmal in 
ihrer panischen Angst ignorieren konnten. 
Es zeigte das Bild eines der Vigilanten, sein Rücken mit ro-
ten, weißen und blauen Sternen überzogen, wie er gerade Blue 
Drinker erwürgte ... 
Das macht City, dachte Cole plötzlich. 
Die Vigs schauten nach oben und zögerten, Schlagstöcke 
oder Schusswaffen oder Viehtreiberstöcke oder Düsen in der 
Hand. 
Das Publikum verlangsamte seine Flucht und Köpfe legten 
sich in den Nacken, um das projektierte Bild über sich zu be-
trachten ­ jetzt ein riesiges 3-D-Bild von Lance Galveston, dem 
Gewerkschaftsboss. Die meisten Leute erkannten ihn auf An-
hieb. Blue Drinker auf der Bühne brüllte vor Lachen und trieb 
die Band an. Die große Heavy-Metal-Maschine torkelte wieder 
voran. 
Die Feuerwehrschläuche in den Händen der Vigilanten hat-
ten ihren Betrieb eingestellt und die Träger blickten verwirrt auf 
sie hinunter. 
Das Bild von Lance Galveston wandte sich um und starrte 
die Menge böse an. Er war ein alter Mann mit einem zerfurch-
ten Gesicht und gelblichen Augen. Er griff sich mit arthriti-
schen Fingern in den Schritt, öffnete den Reißverschluss ... und 

pinkelte ins Publikum. Hinter ihm standen lachende Holobilder 
von Vigilanten und zeigten mit Fingern auf ihn. 
Und die Musik, mit ihrer unterhalb der sprachlichen Ebene 
hämmernden Botschaft, spornte die Menge weiter an ... 
Das Publikum drehte sich fast gleichzeitig um und ging 
durch Citys kalkulierten visuellen Witz vereint zum Angriff 
über. Die Vigilanten wichen zurück und flohen Hals über Kopf 
durch die Ausgänge. Einige drehten sich um und feuerten wild 
drauflos, doch obgleich ein oder zwei in der anstürmenden 
Horde fielen, sprangen alle anderen über die Gefallenen und 
holten die Schießwütigen ein, rissen sie um und zerfetzten sie in 
einer kathartischen Orgie. Lange unterdrückte Wut, unterbe-
wusster Groll gegen alles, wofür die Vigilanten standen, brach 
sich Bahn. Die Schutztruppler wurden einer nach dem anderen 
eingeholt und zerquetscht ... 
Cole folgte Catz unter dem Torbogen hindurch in die Vor-
halle und den Südausgang hinaus. 
Der Lärm des Stadtverkehrs wirkte gedämpft und läppisch 
gegen den gewaltsam tosenden Klangorkan, den sie hinter sich 
ließen. 
Sie rannten Seite an Seite über den Parkplatz und wichen Au-
tos aus, die hektisch über die Fahrspuren kreuzten. Catz hängte 
Cole langsam ab, als sie auf einen Knoten flüchtender Vigilan-
ten in vierzig Meter Entfernung zuhielt. Die Nachtluft sang 
rasselnd in Coles Lungen und in seinen Ohren dröhnte noch 
die Musik der Band. 
Das Panorama geparkter Autos hüpfte in verzerrten metalli-
schen Ebenen auf und nieder, während er Catz nachhetzte. Er 
keuchte, sein Gesicht brannte vor Anstrengung. 

Vor ihnen, auf der anderen Seite eines verbeulten schwarzen 
Cadillacs, drängten sich drei Männer in die Fahrerkabine eines 
blauen Kleinlasters mit einem weißen Camperaufbau auf der 
Ladefläche. Ein 79er Datsun. Die Scheinwerfer des Lasters 
leuchteten auf, der Motor sprang an. 
Catz hechtete gebückt auf das Heck des Wagens zu. Die obe-
re Klappe des Campers stand offen: Wahrscheinlich waren 
weitere Schutztruppler hinten drin mitgefahren und wurden 
nun im Stich gelassen. Catz schwang sich mühelos hinein. Cole 
stolperte atemlos hinterher und kletterte unbeholfen über die 
untere Heckklappe. Er hatte es halb geschafft, als der Lieferwa-
gen ruckte und anfuhr. Fast wäre er auf den Asphalt zurückge-
schleudert worden, doch Catz packte ihn grob am Kragen und 
zog ihn herein. Er stieß sich das Schienbein an einem Wagen-
heber und verbiss sich einen wütenden Aufschrei. Im Heck des 
rumpelnden Wagens war es finster, doch die Männer vorn 
konnten die blinden Passagiere sicher sehen, wenn sie sich nach 
ihnen umschauten. 
Cole folgte Catz auf Händen und schmerzenden Knien über 
das kalte Metall der Ladefläche in eine Ecke unter dem Heck-
fenster der Fahrerkabine, wo sie sich nebeneinander hinhocken 
konnten, ohne von den Männern im Fond entdeckt zu werden. 
Cole hatte keine Waffe. Er tastete in der Dunkelheit umher 
und seine Finger schlossen sich um eine Eisenstange. 
Der Lastwagen fegte quietschend um Kurven und Hausek-
ken. Es war eine kurze Fahrt, vielleicht fünf Minuten. Der 
Wagenheber klapperte höhnisch. 
Das Fahrzeug wurde langsamer, das Klappern leiser, das 
Rumpeln des Motors wich einem gedämpften Trommeln und 

Cole spürte, wie der Laster in eine Einfahrt bog und mit einem 
Ruck stehen blieb. Der Motor ging aus. Cole erstarrte, wartete 
ab und packte die Stange auf dem Boden fester, hob sie aber mit 
Bedacht noch nicht hoch, um nicht aus Versehen gegen etwas 
zu schlagen. Er hielt den Atem an. Das ist doch Wahnsinn, 
dachte er. Catz spinnt. Die Türen des Lasters wurden zugeknallt 
und Coles Kopf, der an der Rückseite der Fahrerkabine lehnte, 
vibrierte schmerzhaft. 
Vielleicht schauen sie nicht hinten rein, dachte er. 
Er hörte, wie sich Schritte vom Laster entfernten und ent-
spannte sich etwas, fühlte sich ein wenig sicherer ... bis eine 
dunkle Gestalt im Heck des Wagens mit dem blendenden Strahl 
einer Taschenlampe direkt in Coles Gesicht leuchtete. 
 

VIE-jah! 
 
Cole hielt die Eisenstange
 auf dem Boden der Ladefläche 
fest umklammert und wartete, bis der Mann mit Taschenlampe 
und Waffe, der gebückt auf ihn zukam, sich in der Dunkelheit 
vor ihm aufrichtete, das Gesicht koboldhaft im Schein der 
Lampe, die ihn von unten anstrahlte. Cole riss die Stange hoch; 
er legte sein ganzes Gewicht hinein. Und schrie auf, als seine 
Hand jede Bewegung verweigerte. Er wurde aus dem Gleichge-
wicht gerissen und landete schmerzhaft auf den Rücken. Die 
Stange war am Boden festgeschraubt; sie diente als Griff für die 
Getriebeverkleidung. 
Das war überhaupt nicht komisch,  dachte  Cole  ­  warum 
lachte der Vigilant dann? 
Coles rechter Arm schmerzte und er überlegte, ob er sich das 
Schultergelenk ausgerenkt hatte. Sein Arm hätte geschrien, 
wenn er einen eigenen Mund gehabt hätte, als der Schutztrupp-
ler ihn verbog, um Cole auf den Bauch zu drehen. Der Mann 
legte ihm Handschellen an. 
Aus den Augenwinkeln sah Cole verschwommen, wie Catz 
sich bewegte. Es knallte, gefolgt von einem dumpfen metalli-
schen Geräusch. Die kämpfenden Gestalten auf dem Boden 
fluchten. 

Cole lag mit dem Gesicht nach unten da. Er konnte nur zu-
hören und sich aus dem Weg schlängeln. Er roch Benzin und 
Reifengummi und den Schweiß des Vigilanten. Der Geschmack 
seiner eigenen Furcht lag ihm auf der Zunge. Der Schein der 
Taschenlampe zuckte hektisch über die Wände ­ und ver-
schwand. 
Catz  schrie  auf.  Der  Vigilant grunzte irgendwie triumphie-
rend. 
Vielleicht vergessen sie mich, wenn ich hier ganz still liegen 
bleibe, dachte Cole. 
Die Taschenlampe ging wieder an, gefolgte von einem zwei-
ten Lichtstrahl. Ein weiterer Mann ­ oder war es eine große 
Frau? Die Stimme klang hoch ­ zeichnete sich schwarz hinter 
der zweiten Lichtquelle am Heckende des Lasters ab und sagte: 
»Du Trottel, du hättest sie einzeln rauskommen lassen sollen, 
statt zu ihnen reinzugehen. Sie hätten dich zusammenschlagen 
können.« 
Das hätten wir auch, wenn ich nicht solche Scheiße gebaut 
hätte, dachte Cole. 
»Halt die Klappe«, sagte der Schutztruppler neben Cole. Der 
Mann atmete schwer und sein Gesicht unter der Nylonmaske 
glich einem riesigen Fötus, noch kaum entwickelt und unfertig. 
Er schleifte etwas an Cole vorbei. 
Catz. Als wäre sie ein Müllsack, dachte Cole. Tränen brann-
ten ihm in den Augenwinkeln. 
Ohne nachzudenken, von plötzlichem Zorn getrieben, rollte 
er sich auf den Rücken und trat nach dem Mann. Er erwischte 
ihn am Schienbein. 
»Scheiße«, schrie der Mann und taumelte rückwärts. 

Dann kletterten weitere Leute in den Laster und Cole spürte, 
wie er gepackt und hochgehoben, an Kragen und Fußgelenken 
aus dem Lastwagen und durch die Nacht geschleppt wurde. Er 
wurde seekrank. »City ...«, sagte Cole heiser, während fremde 
Menschen ihn mit den Füßen voran eine Einfahrt hoch und 
durch eine Tür trugen. 
»Was hat er gesagt?«, fragte jemand hinter ihm. 
»Ich glaube, er hat >Bitte!< gesagt«, meinte jemand und fügte 
hinzu: »Ts, ts, ts.« Cole und Catz wurden ins Haus getragen. Sie 
ließen Catz auf ein schwarzes Sofa fallen. 
City! Vielleicht war Citys Einfluss hier nur schwach; schließ-
lich befanden sie sich in Oakland, auf der anderen Seite der 
Bucht und südlich von San Francisco. Weit entfernt vom Her-
zen der Stadt und vielleicht auch weit vom Zentrum seiner 
Macht. Doch sie waren nicht lange gefahren, sie konnten nicht 
weit vom Oakland Auditorium entfernt sein. Und dort hatte 
ihnen City geholfen. 
Sie ließen Cole auf den Boden fallen, auf den Bauch. Er 
keuchte, als ihm der Aufprall die Luft aus den Lungen trieb. Er 
hatte das Gefühl zu ersticken und schnappte panisch nach Luft, 
was ihm eine Lunge voll Staub aus dem grünen Teppich ein-
brachte. 
Füße in Stiefeln marschierten an seiner Nase vorbei, begleitet 
von kurzen Heiterkeits- und längeren Wutausbrüchen. »Bleib 
vom Fenster weg, du verdammtes Arschloch!« und »Hee, halt's 
Maul, das kümmert die Nachbarn einen ­« und »Ja, aber gele-
gentlich schleicht ein Bullenauto vorbei, und die Jungs haben ­« 
und »Hee, haltet einfach die Klappe!« 
Catz blieb auf der Couch rechts von ihm liegen. Langsam 

und mit schmerzendem Arm rollte er sich auf die Seite, bis er 
die verstaubte Vinyl-Couch sehen konnte, die mit Brandlöchern 
bedeckt war. Vom Boden aus konnte er nur Catz' herabhängen-
den linken Arm erkennen und die Wölbung ihrer Hüften. Zum 
ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass sie tot sein könnte. 
Tot sein könnte. 
»Hee, sag mal, müssen wir diese Masken die ganze Nacht 
tragen?«, fragte jemand. 
Die Stimme der Frau antwortete: »Natürlich, Schwachkopf, 
wir müssen sie tragen, bis wir die beiden losgeworden sind. Wir 
könnten ihnen allerdings auch die Augen verbinden.« 
»Lass uns warten, bis wir wissen, was Salmon möchte.« 
»Wer hat das gesagt?«, donnerte die Frau. 
»Mann-oh-scheiße, die kommen hier eh nicht lebend raus, 
also können sie uns ruhig sehen. Wozu sollen wir aufpassen, 
was wir sagen, wenn ­« 
»Hör zu, Arschloch, es kann alles Mögliche passieren. Viel-
leicht will er irgendwen erpressen, und wir müssen sie wieder 
laufen lassen. Und dann können sie ­« 
»Jetzt nicht mehr, nachdem dieser Trottel seine Klappe auf-
gerissen hat und Sa ­« 
»Hee, was schiebt ihr mir wieder den Schwarzen Peter zu? 
Auf diesen Scheiß geb ich nichts, wir müssen ­« 
»Hee, das ist eine von den Punkmädels!« 
»Hee, die Schlampe hat eine nackte Titte!« 
Cole wurde schlecht. 
»Hee, können wir die nicht für ein paar Minuten mit ins 
Schlafzimmer neh­« 
Cole wurde richtig kotzübel. 

»Hört zu, Salmon hat auf mein  verdammtes Konto seit drei 
Wochen nichts mehr überwiesen, und bis sich das ändert, 
werde ich ­« 
Cole nieste, würgte an dem Staub. 
»Hee, wir sind durchgekommen. Er hat bereits von der selt-
samen Sache im Auditorium erfahren und er weiß auch nicht, 
was mit dem Holo passiert ist ... Er sagt, wir sollen über sie so 
viel wie möglich rausbekommen und ihnen dann Alcatraz aus 
der Fischperspektive zeigen.« Gelächter. »Wir sollen die Mas-
ken erst mal auf lassen.« Gestöhne. Jemand packte Cole an den 
Handschellen. Er wurde mit einem Ruck hochgerissen und biss 
sich auf die Zunge, um nicht aufzuschluchzen, als der Stahl der 
Handschellen in seine Handgelenke biss und sein schmerzender 
Arm verdreht wurde. Schwindlig und schwankend schaute er 
sich um. Ein sparsam möbliertes Fertighaus. Neu, aber schon 
ziemlich schmuddelig. Rund dreißig von denen  standen in 
Türrahmen, saßen am hölzernen Esstisch neben der Küchenzei-
le oder lehnten an untapezierten Wänden. Zwei standen direkt 
vor ihm und warteten auf ein Zeichen. Sie beugten sich mit 
gespannten Muskeln über ihn. Alle trugen Masken mit dunklen 
feuchten Flecken über dem Mund. Alle sahen aus, als hätten sie 
ihre Gesichtszüge an unsichtbaren Fensterscheiben platt ge-
drückt und eingeebnet. 
Neben ihm lag Catz auf der Couch. Ihre Arme hingen unge-
fesselt herab. Jemand hatte ihr die Plastikmaske runtergezogen. 
Sie atmete regelmäßig, und die Anspannung in Coles Brust 
legte sich. Sie lebt. 
Während er sie betrachtete, öffnete sie kaum merklich die 
Augen. Sie blieb jedoch reglos liegen, als wäre sie immer noch 

bewusstlos. 
Cole schaute den Mann an, der über ihm stand ... 
»Los«, sagte die Frau. 
Sicher, die ersten Schläge schmerzten. Die ersten fünf oder 
sechs. Im Nachhinein wusste er das nicht mehr so genau, aber 
mit großer Wahrscheinlichkeit heulte er und versuchte wegzu-
laufen. Sie hielten ihn von hinten fest. Nach jedem Schlag 
stellten sie ihm eine Frage. Gegen seine rechte Schläfe, ein 
Krachen,  das gleich einem heißen Brüllen durch seinen Kopf 
hallte. »In deiner Brieftasche steht Stu Cole und einer von den 
Jungs kennt deinen Club. Wir wissen auch, das dir nicht gefällt, 
was wir vorhaben. Also, wie wolltest du uns auf dem Konzert 
reinlegen?« (Cole antwortete nicht.) 
Ein Knall auf seiner linken Wange, der Schmerzen wie Risse 
durch seinen Körper sandte, als wäre er aus Glas. »Was hattest 
du mit diesen komischen Holos und den Angstern zu tun, die 
auf uns losgegangen sind?« (Cole antwortete nicht.) 
Auf den Mund, ein hässliches Platsch  und das Gefühl, wie 
Blut aus seiner aufgeplatzten Lippe quoll und auf sein Hemd 
lief. »Warum seid ihr auf den Laster gestiegen? Wolltet ihr 
rausfinden, wo wir uns treffen?« 
»Nein«, sagte Cole undeutlich und spuckte Blut. Sein Mund 
schmeckte wie ein vor Öl glitschiger Strand bei Ebbe. »Der 
falsche Laster. Haben den von einem Freund gesucht. Durchge-
dreht.« Das glauben die nie, dachte er. 
Und  Klatsch,  wieder auf den Mund. Mit einem Knirschen 
löste sich ein Zahn, sein Kopf dröhnte. »Den Scheiß sollen wir 
glauben? Glaubst du doch selbst nicht. Komm schon, du Pen-
ner: Warum seid ihr auf den Laster gestiegen?« 

Cole antwortete nicht. 
Krach-Krach  auf seinen Solarplexus, zwei schnelle Schläge. 
Sämtliche Luft wich aus seinen Lungen und er krümmte sich so 
heftig, dass sein Kopf gegen sein Knie schlug. 
»Ich hab gefragt, was für 'ne Scheiße ihr in unserem Laster zu 
suchen hattet?«, sagte das platte Gesicht. 
Cole hatte nicht mehr genug Luft, um zu antworten. Er sack-
te in die Knie. Der Raum war voll mit leuchtendem purpurro-
tem Schnee. Er machte die Augen zu. Fest zu. 
Für einen Augenblick, vielleicht auch etwas länger, schien er 
in glitzernder Finsternis zu trudeln. Dann ließ ihn ein Geräusch 
aufhorchen. Catz schrie. Er blickte auf. Sie ohrfeigten sie. 
Mit einer Flasche. 
Eine Frau (Cole konnte vage ihre Figur unter dem Arbeits-
hemd erkennen ­ eine kräftige Frau, wahrscheinlich jung) 
verdrehte Catz' Haare in ihrer behandschuhten Faust. Und ein 
großer Mann neben ihr trat Catz mit seinen Stiefeln wiederholt 
in die Rippen. 
»Hey!«, schrie Cole. »Was ­ äh, was wollt ihr wissen?« 
»Dacht ich mir doch, dass ihn das wieder zu sich bringt«, 
sagte einer der Männer, ließ von Catz ab und wandte sich 
wieder Cole zu. 
Das Licht ging aus. 
Und so schnell, wie es dunkel geworden war, wurde es auch 
wieder hell. Funken schlugen aus leeren Lampenfassungen, 
Flammen zuckten aus dem Stuck und krochen die Wand hin-
unter. 
Dunkle Gestalten stürzten vorbei. Cole kniete auf dem Bo-
den. Er richtete sich auf und mit einem Klicken fielen die Hand-

schellen von ihm ab. »City ...«, sagte Cole dankbar mit blutigen 
Lippen. 
Er hörte Gesprächsfetzen der verwirrten Vigs, während er 
sich zu Catz vortastete ... 
»Was soll ­« 
»Wer hat da ­« 
»Verdammt, vielleicht sind das ­« 
»Verflucht, ich seh nicht mal ­« 
»Vielleicht Freunde von ­« 
»Verdammtes Feuer, wir müssen ­« 
»Scheiße, lasst sie doch hier ­« 
»Nein, nehmt sie mit ­« 
Cole versuchte Catz hochzuheben. Schmerz raste seinen Arm 
hinauf, sein Blick trübte sich. Er ließ sie wieder auf das Sofa 
fallen. Die Finsternis füllte sich mit dichtem Rauch. Jemand riss 
ihn im Vorbeilaufen um: Er fiel auf die rechte Seite. Die Flam-
men leckten höher, die Hitze saugte die Feuchtigkeit aus seinen 
Wangen. Das Zimmer war von einem unregelmäßigen Flackern 
erleuchtet, grelles Rot und Blau durchstach die Finsternis. Die 
meisten Vigs waren weg. Zwei rannten noch hustend zur Sei-
tentür raus. »Catz ­ hey ­«, sagte Cole, Rauch würgte ihn bren-
nend im Hals und er zog an ihrem Arm. Sie rührte sich nicht. 
»Catz, City hat das verdammte Haus in Brand gesteckt, damit 
wir hier wegkommen ­ wir müssen hier raus, bevor wir 
verbrennen!« Vor lauter Blut im Mund war er kaum zu verste-
hen. 
Sie stöhnte und wich vor ihm zurück. Dann fing sie zu hu-
sten an, ihre Augen öffneten sich weit. Hastig hielt sie sich eine 
Hand vor den Mund. Cole half ihr auf die Füße. Seinen Augen 

tränten vom Qualm, Flammen leckten an seinen Fersen, 
Schweiß troff und verdampfte. Sie stolperten unsicher auf die 
Tür zu ­ ein widerlich gelbes Rechteck, das von Rauchschwaden 
verdeckt in der Hitze zitterte. Catz ließ seine Hand los und Cole 
(der das als Zeichen verstand, dass sie ihm aus eigener Kraft 
folgen konnte) stürmte vorwärts, als die Nähe der Flammen ihn 
mit neuer Kraft erfüllte ­ der Kraft der nackten Panik. 
Er ging davon aus, dass sich Catz direkt hinter ihm befand. 
Er rannte durch das Halbdunkel einer Kochnische und den 
offenen Seiteneingang hinaus, warf sich hinter einer Hecke in 
Deckung und atmete keuchend die saubere kalte Luft ein. Zwei 
Laster fuhren gerade ab. Jemand lief auf der Einfahrt an ihm 
vorbei und rief etwas. Männer zwängten sich in ein Auto. Ein 
paar Farbige standen auf dem Bürgersteig beisammen und 
schauten gelassen zu. 
Cole sah sich verzweifelt um. Catz war nicht da. »Catz!«, 
schrie er heiser, während er sich wie ein Automat auf das Haus 
zubewegte. 
Zwei Männer tauchten im Eingang auf. Gemeinsam trugen 
sie etwas. Cole versteckte sich hinter einer Garagenecke und 
beobachtete sie. Er erkannte Catz an den Umrissen der Gestalt, 
die sie trugen ­ und daran, wie sie sich in ihrem Griff wand. Er 
duckte sich, als sie in die Garage getragen wurde. 
Er hustete. Benommen schaute er sich nach einer Waffe um. 
Doch dann leuchtete ein Autoscheinwerferpaar in dem offenen 
Garagentor auf, gefolgt vom Aufheulen eines Motors. Ein 
blauer Buick rollte aus der Einfahrt, auf die Straße, bog ab ­ und 
trug Catz davon. 
 

»Sie sind sich sicher,  was?«, fragte Cole das faltige Gesicht des 
schwarzen Motel-Portiers. 
»Sicher bin ich mir sicher. Der Fernseher funktioniert ein-
wandfrei«, erwiderte der Mann. »Warum wollen Sie unbedingt 
fernsehen? Wenn Sie mich fragen, mein Sohn, sollten Sie einen 
Arzt aufsuchen. Teufel auch, Ihr Gesicht sieht aus, als wäre ein 
Lastwagen drübergefahren. Soll ich Ihnen etwas Verbands­« 
»Nein!«, brüllte Cole. Der Mann sah auf, erschrocken und 
argwöhnisch. Cole nahm sich zusammen: »Nein ­ ich muss 
schnell machen. Ein Freund von mir kommt in den Spätnach-
richten und ich hab versprochen, ich seh's mir an. Ich verarzte 
mich später ­ bin gegen einen Laternenpfahl gelaufen.« 
»Ich kann Sie da nicht einfach so zum Fernsehen reinlassen. 
Ich muss Ihnen das Zimmer berechnen, auch wenn Sie nur kurz 
bleiben«, sagte der Portier und zuckte mit den Schultern. 
»Ja, schon klar ...« 
Der alte Mann nahm Coles Karte und schob sie in das Ter-
minal. Er warf einen Blick auf den kleinen Bildschirm, nickte 
leicht und gab die Karte zurück. 
Cole stand ungeduldig da und verlagerte sein Gewicht von 
einem Fuß auf den anderen, bis ihm der alte Mann in aller 
Gemütsruhe die Schlüssel gebracht hatte. Nummer sieben. 
Cole schnappte sich die Schlüssel und rannte zur Tür. Er hat-
te starke Schmerzen (ob Rippen angebrochen waren?) und seine 
Lippe blutete wieder. Er suchte die Zimmernummern ab, bis er 
die Sieben fand, und drehte hastig den Schlüssel im Schloss. Es 
schnappte beim ersten Versuch auf und er seufzte erleichtert, 
als er die Tür aufstieß. Er stürmte in das muffige, finstere Zim-
mer und ließ den Schlüssel an der offenen Tür baumeln. Ziel-

strebig hastete er zum Fernseher, schob säuberlich seine Inter-
cash-Karte in den Schlitz, und der Apparat ging an. 
»City!«, schrie Cole ihn an. »Los, sprich mit mir!« 
Ein leerer Bildschirm summte wie zur Antwort. 
»Ich weiß, dass du mich hörst!«, schrie Cole. »Gottver-
dammtnochmal, mach schon!« 
Das blauweiße Rechteck flackerte verlockend. Aber ... nichts. 
»City!  Melde dich und rede mit mir, oder ich verlasse die 
Stadt! Ich hau ab und erzähl alles dem nächstbesten Nachrich-
tenmagazin!« 
Cole wartete. 
Nichts. 
Er schaltete durch die Kanäle. Nachrichten, Pornos, Game-
shows,  XY Todesurteil, Die SM-Kinderstunden mit James Bon-
dage ­ kein City weit und breit. Er schaltete wieder auf den 
unbelegten Kanal. 
Catz. 
Cole wartete mit geballten Fäusten und überlegte, wohin sie 
verschleppt worden war. In der Ferne hörte er Feuerwehrsire-
nen, die sich dem brennenden Haus drei Blocks weiter nördlich 
näherten. 
Cole stand schwankend da, angespannt und gebeutelt wie 
eine Fernsehantenne im Sturm. 
»City!«, heulte Cole. Er wurde langsam heiser. 
Und dann erschien eine zweidimensionale Büste auf dem 
Bildschirm, die Gesichtszüge mürrisch und hart. 
»City ... warum hast du sie nicht rausgeholt? Warum hast du 
den Wagen nicht aufgehalten?« 
»Ich habe beschlossen, die Dienste der Frau nicht mehr in 

Anspruch zu nehmen.« 
»Was? Warum?« 
»Sie ist illoyal.« 
»Bist du ­ was?  Sie hat mich  überredet, das durchzuziehen! 
Sie hat alles getan, was du von ihr verlangt ­« 
»Nein ... ich kann sie in mir spüren. Was sie denkt. Sie miss-
traut mir. Sie hat sich nur deinetwegen darauf eingelassen. Sie 
ist der Meinung, dass sie dich beschützt. Ich möchte nicht, dass 
sie dich länger begleitet. Ich kann dich beschützen.« 
»Sie beschützt mich? Wovor?« 
City antwortete nicht. 
»Los, hol sie raus«,  stieß Cole zwischen zusammengebissen 
Zähnen hervor. 
»Nein.« 
Cole fiel die Kinnlade herunter. Verständnislos starrte er den 
Bildschirm an. »Nein«, wiederholte er und schüttelte den Kopf. 
»Nein? Hör zu, du musst, äh, ihre Dienste nicht mehr in An-
spruch nehmen. Sorg einfach dafür, dass sie da lebend raus-
kommt und lass sie ... lass sie gehen.« 
»Das kann ich nicht. Mir fehlt im Augenblick die Kraft dazu. 
Ich habe heute Nacht zu viel Kraft verbraucht. Ich bin 
schwach.« 
Dann war das Bild verschwunden. 
»Du Lügner. Verdammter, dreckiger Lügner«,  sagte Cole zu 
dem leeren Bildschirm. Er drehte sich um, ging hinaus und 
suchte sich eine Telefonzelle. Und rief ein Taxi. 
Cole wartete jedoch bis zum nächsten Tag, bevor er seinen 
nächsten Schritt tat. Er war die ganze Nacht in seiner Wohnung 
auf und ab gegangen und hatte eine Zigarette nach der anderen 

geraucht, bis sein Mund wie ein Dieselschlot roch und das 
Zimmer hinter den Schwaden versank. Ein halbes Dutzend Mal 
war er zum Telefon gerannt, um Bill anzurufen, wollte ein paar 
starke Jungs anheuern und Catz befreien. Jedes Mal ging er hin 
und ließ die Finger mechanisch über die Tasten gleiten. Sowie 
es am anderen Ende klingelte, unterbrach er die Verbindung. 
Denn wenn City wirklich entschlossen war, Catz aus dem Spiel 
zu halten, würde er vielleicht auch Cole daran hindern, sie zu 
finden. Zumindest nachts. 
Tagsüber konnte City ihn nicht aufhalten. 
»Vielleicht sind sie gerade mit ihr zugange«, murmelte Cole 
vor sich hin. »Schlagen sie.« 
Um zwei Uhr morgens flüsterte er: »Vielleicht wird sie gera-
de geschlagen und vergewaltigt.« 
Um drei ereiferte er sich: »Vielleicht wird sie gerade aufge-
schlitzt.« Seine Stimme war deutlich höher als bisher. 
Um vier Uhr weinte er. 
Um fünf fing er an zu trinken. Cole trank nicht oft, doch 
wenn er trank, dann erbittert. Erbittert ­ der Ausdruck war 
angebracht: Er trank stets aus Wut über jemanden. Als könnte 
es seine Feinde tatsächlich aus der materiellen Welt radieren, 
wenn er sich betäubte. 
Um sieben torkelte er und ihm war übel. Trotzdem versuchte 
er noch einen Gin Tonic runterzuwürgen. Er schaffte es nicht 
mehr zum Klo, also erbrach er sich in die Spüle. 
Zitternd beugte er sich über das besudelte Geschirr, hustete 
ihren Namen und dachte: Himmel hilf, ich bin verliebt in sie. 
Nach einiger Zeit war sein Kopf wieder so weit klar, dass er 
sich Kaffee machen konnte. Seine Hände zitterten und er ver-

brannte sich an dem heißen Wasser, das aus dem Topf 
schwappte. Er trank vier Tassen Kaffee. Er hob den Arm und 
verzog das Gesicht, als die Nervenschmerzen hindurchjagten. 
Der Kampf des Koffeins mit dem Alkohol verursachte Kopf-
weh, das wie die Glocke bei einem Preiskampf dröhnte. Hastig 
zog er sich um, wusch sich und tupfte vorsichtig die Schnittver-
letzungen in seinem Gesicht ab. Nach dem ersten Blinzeln 
versuchte er jeden weiteren Blick in den Spiegel zu vermeiden. 
Dann rief er Salmon an. 
»Mister Salmon möchte gern sehen, mit wem er spricht«, 
sagte die Sekretärin. Eine körperlose Stimme. Es klang nach 
einer alten Frau. 
»Entschuldigung. Äh ­ mein Bildschirm hat den Geist aufge-
geben, in beide Richtungen. Mister Salmon kennt den Grund. 
Ich kann ihn auch nicht sehen, wenn Sie das beruhigt. Sagen Sie 
ihm doch bitte, dass Stu Cole dran ist und es um die Jungs beim 
Konzert geht.« Sie ließen ihn zwanzig Minuten in der Warte-
schleife. 
Vielleicht sind sie schon hierher unterwegs, dachte er. Er hatte 
eine Pistole im Schrank versteckt, in einem Schuhkarton auf 
dem Boden. 
Er ging ans Fenster. Die Straße sah aus wie immer. Die Pla-
kate an den Ziegelmauern überlappten einander wie die Aufnä-
her auf der Tasche eines Weltenbummlers. Auf einer Straßen-
seite spielten mexikanische Kinder, und eine Gruppe schwarzer 
Jugendlicher schlenderte singend vorbei. 
Ein Zuhälter stand mit einem Kunden neben der Intercash-
Kabine an der Ecke. 
»Ja? Cole?«, drang Salmons Stimme aus dem Telefon. 

Cole wandte sich vom Fenster ab und rannte zum Apparat 
zurück. Aus Gewohnheit starrte er während des Gesprächs auf 
den Bildschirm, obwohl er leer war. »Salmon? Hören Sie zu, Sie 
kennen mich nicht ­ jedenfalls sind wir uns noch nicht begeg-
net, aber ­« 
»Ich weiß, wer Sie sind. Was zum Teufel wollen Sie?« 
»Ich weiß, für wen Sie arbeiten und für wen die Vigilanten 
arbeiten. Und die halten jemanden fest und ich glaube, Sie 
wissen inzwischen, von wem ich rede.« Ganz beiläufig regi-
strierte Cole, dass jemand die Treppe des Wohnhauses herauf-
kam. 
»Sie ticken nicht ganz richtig, Freundchen. Wir stellen Er-
mittlungen über die Vigilanten an und ich kann Ihnen versi-
chern, dass wir bald ­« 
»Hey, hören Sie mit dem Theater auf!«, brüllte Cole. Mit je-
der Silbe stach eine Nadel in seine Schläfen. 
Einen Augenblick herrschte Stille. »Salmon? Hallo? Sind Sie 
noch dran?« 
»Ja ... Hören Sie, Mr. Cole, wenn Sie mir erklären würden, 
was Sie von mir wollen, will ich mich gern ­« 
»Hey, versuchen Sie nicht, mich zu verarschen. Wenn Sie 
glauben ­«, Cole hielt inne und lauschte auf die Schritte, die die 
Treppe heraufdonnerten. Er hörte jetzt etliche Füße, die sich 
mit ungewöhnlicher Eile bewegten. 
»Salmon, du Schweinepriester!«, brüllte Cole den Bildschirm 
an und rannte zum Schrank. Er riss die Schranktür auf, als 
jemand die Wohnungstür eintrat. Das Schloss gab nach, doch 
etwas klapperte und jemand fluchte, also schien die Kette zu 
halten. Es krachte erneut, als noch einmal gegen die Tür getre-

ten wurde. Cole wühlte im Schuhkarton auf dem Boden des 
Schrankes ... fand die Pistole und brachte sie gerade in An-
schlag, als sich der Mann mit der Strumpfmaske über dem 
Gesicht ihm zuwandte, von den Fotos der Stadt an der Wohn-
zimmerwand eingerahmt. 
Cole und der Eindringling hatten beide eine Waffe in der 
Hand. 
Doch Cole hielt seine im Anschlag, während sein Gegenüber 
die Hand noch an seiner rechten Seite hatte. 
»Ich kann damit umgehen«, log Cole, »und ich habe Ihre 
Brust genau im Visier. Also keine Bewegung. Und wenn Ihre 
Freunde reinkommen, erschieße ich Sie.« Die angedeutete 
Bewegung hinter dem Mann hörte auf. 
Der Mann erstarrte. Das maskierte Gesicht reckte Cole seine 
Augenhöhlen entgegen. 
»Hören Sie ­ äh ­« Cole hoffte, der Mann würde nicht be-
merken, dass seine Hand zitterte. »Äh ­ ich kann eine Hypo-
thek auf den Club aufnehmen, einen Kredit zusammenkratzen, 
wir handeln was aus. Was sagen Sie dazu? Für wen Sie auch 
arbeiten, sagen Sie ihm, äh ­ sagen Sie ihnen, dass ich zahle, 
wenn Sie sie laufen lassen.« 
»Warum gehen Sie nicht zur Polizei?« Die verzerrten Lippen 
bewegten sich wie Nacktschnecken unter dem rosafarbenen 
Gewebe. 
»Sehr witzig«, sagte Cole und verzog vor Kopfschmerzen das 
Gesicht. »Sie haben die Bullen doch in der Tasche.« 
»So groß ist Ihre Kreditwürdigkeit nicht, dass wir riskieren 
können, sie am Leben zu lassen. Wir haben darüber nachge-
dacht. Jemand weiter oben wird heute Abend ein ernstes Ge-

spräch mit ihr führen, und dann schicken wir sie Ihnen per Post 
zurück. In vier Zustellungen.« 
Hinter dem Mann lachte jemand. Er richtete sich auf, als ha-
be ihn das ermutigt, und verstärkte seinen Griff um die Waffe 
an seinem rechten Hosenbein. 
Ich sollte ihn umbringen, dachte Cole. Aber wie oft werde ich 
damit noch ungeschoren davonkommen? 
»Sagen Sie mir, wo sie ist, und ich drücke nicht ab. Das ist 
alles«, fauchte er. 
»Warum holen Sie sie nicht ab? Sie ist noch genau da, wo Sie 
sie zuletzt gesehen haben.« 
»Ich habe sie zuletzt ­ auf der Straße gesehen. In einem Au-
to.« Coles Arm schmerzte zunehmend vom Gewicht der Pistole. 
Er hielt die Waffe mit beiden Händen, die Arme starr durchge-
streckt. 
»Die Feuerwehr ist sofort gekommen. Die Wache ist ganz in 
der Nähe. So schlimm war das Feuer gar nicht. Die hintere 
Haushälfte ist völlig in Ordnung. Wir haben da noch einiges 
rumliegen, also sind wir gleich wieder hin. Sie ist dort ... Wir 
sind abgehauen, bevor die Oaklander Polizei eingetrudelt ist, 
und fünf Minuten, nachdem sie weg waren, sind wir wieder 
zurück. So einfach ist das.« 
»Die Polizei von Oakland steht also nicht auf Ihrer Gehaltsli-
ste?«, fragte Cole beiläufig. 
»Idiot!«, zischte jemand. 
Interessante Information. Könnte nützlich werden: Keine 
Verbindungen zu den Oaklander Bullen. Aber warum trafen sie 
sich dann in Oakland? Vielleicht war es den Bewohnern der 
Slums von Oakland gleich, was ihre Nachbarn trieben. 

»Na gut«, sagte Cole. »Gehen Sie langsam rückwärts in den 
Flur; lassen Sie erst Ihre Waffe fallen.« Die Waffe fiel zu Boden 
und der Vigilant schob sich langsam rückwärts um die Wand 
zum Treppenhaus herum. »Oben warten Freunde von mir, und 
sie sind bewaffnet!«, schrie Cole, er log. »Macht, dass Ihr aus 
dem Haus rauskommt!« 
Er lauschte auf ihre Schritte, während sie die Treppen hinab-
stiegen. Er wusste, dass sie nicht weit gehen würden. 
Als er sicher war, dass sie sein Stockwerk verlassen hatten, 
stieg er durch ein nach hinten gelegenes Fenster hinaus, die 
Feuertreppe hinunter in eine umfriedete Gasse und durch ein 
eingeschlagenes Fenster in ein leer stehendes Gebäude. Er 
trampelte im Halbdunkel durch die Abfälle, bis er einen Aus-
gang zur Straße gefunden hatte, dessen Tür nur noch zur Hälfte 
in ihren Angeln hing. Dann war er auf der Straße und rannte 
los. 
 

FÜÜÜ-hünf! 
 
Schnell. Er borgte sich
 Bills Auto und fuhr wie ein Ver-
rückter durch den Regen, die aalglatten Straßen waren ihm 
gleichgültig bis zum Wahnwitz. 
Der Regen hatte zwei Minuten, nachdem er seine Wohnung 
verlassen hatte, angefangen. Nass bis auf die Haut hatte er 
seinen benommenen, zerzausten Verwalter geweckt und kur-
zerhand seine Autoschlüssel verlangt. Bill war zu müde, um 
Fragen zu stellen. 
Cole rutschte unbehaglich auf dem Vinylsitz herum. Er hatte 
einen nassen Hintern und sein Hemd klebte ihm am Rücken. 
Die Heizung im Chevy tickte vor sich hin, die Fenster waren 
geschlossen. Das Regenwasser in seinen Kleidern schlug sich 
langsam an den Fenstern nieder und verwandelte das Innere des 
Wagens in ein Treibhaus. Er konnte seine nassen Haare riechen 
und die alten Zigaretten im Aschenbecher. Der faulige Nachge-
schmack von Zigaretten belegte seine Zunge. Seine Kopf-
schmerzen ließen nach; ein bösartiges Brennen im Magen hatte 
sie abgelöst. 
Die Straßen glänzten gleichmäßig nass wie schwarzes Glas. 
Etwas Membranartiges, Organisches lag in ihrem Glanz. 
Der heruntergekommene zweitürige Wagen fuhr grollend 

auf die Zufahrtsrampe der Autobahn. Seine zerbeulte Motor-
haube zerrte immer wieder an dem Stück Draht, das den Ver-
schluss zusammenhielt. Cole wechselte von einer Spur auf die 
andere, die Augen auf der elektronischen Steuerungsarmatur, 
die aufleuchtete, sobald er auf die Autobahn gefahren war. In 
der City selbst waren die Verkehrsleitsysteme noch nicht instal-
liert, und weniger als die Hälfte der Autos auf den Straßen 
verfügten über eine entsprechende Ausrüstung, also konnte 
jeder selbst entscheiden, ob er sie einschaltete. Cole hatte viel zu 
wenig geschlafen und war müde. Seine Augen brannten und er 
beschloss, bis Oakland das Leitsystem zu nutzen. Er schaltete es 
ein, lehnte sich zurück und überließ das Lenkrad sich selbst. Es 
fiel ihm immer noch schwer, sich daran zu gewöhnen, dass es 
sich ohne sein Zutun bewegte, dass sich das Bremspedal senkte, 
um sich der Geschwindigkeit eines Wagens anzupassen, der vor 
ihm langsamer wurde ... 
Der Wagen klapperte auf die Brücke. An diesem nassen, 
windigen Morgen glich das Meer jenseits der Bay Bridge einer 
riesigen Fläche sich kräuselnder Jade. Es schien viel zu alt und 
allumfassend, als dass es von dem Brückenbogen hätte gebannt 
werden können. Das Meer schien auf das unvermeidliche 
Erdbeben zu warten, es würde zu guter Letzt über die Kunstgrif-
fe der Zivilisation lachen. 
Cole blickte über seine Schulter. Die City erhob ihre perl-
muttfarbenen Türme über einen Nebelschleier, aus dieser 
geheimnisvollen Perspektive glichen sie dem spitzen Schutzwall 
einer exotischen fremden Stadt. Cole verspürte einen Stich im 
Herzen, als er den Zahn des Pyramid Building aufragen sah; er 
musste an den Mann denken, der dort auf dem Boden seine 

letzten Zuckungen getan hatte. 
Cole lehnte sich zurück und betrachtete das näher kommen-
de Durcheinander von Berkeley und Oakland. Seine Hand 
ruhte auf dem Griff der Waffe in seiner Manteltasche. »Und was 
hast du vor?«, fragte er sich. »Willst du ihnen androhen, sie alle 
zu erschießen? Aber wer hätte mich begleiten und mir helfen 
sollen? Vielleicht die Polizei von Oakland ... aber nein, ich 
müsste erst alles erklären ... trotzdem, wenn das die einzige 
Möglichkeit ist, sie rauszuholen ...« 
Der Motor des Wagens hustete einmal laut, als wollte er sa-
gen:  Hör auf, Selbstgespräche zu führen, Cole, das ist mir pein-
lich. 
»Sonst hab ich ja niemanden«, sagte Cole. 
Selbstgespräche sind eine schlechte Angewohnheit, erwiderte 
das Auto grollend und surrend, warum redest du nicht mit mir? 
»O Scheiße!«, sagte Cole. Seine Müdigkeit ließ ihn fast hallu-
zinieren. Außerdem ­ er machte sich Sorgen um Catz und 
versuchte zu verarbeiten, was er gesehen hatte. Die ermordeten 
Männer. Damit klarzukommen brachte ihn bis an eine be-
stimmte Grenze, eine Grenze, die er nicht mehr gespürt hatte, 
seit er als junger Mann eine Überdosis Drogen genommen 
hatte. 
O Scheiße, ich möchte nicht verrückt werden, dachte Cole. 
Doch dann kam ihm der Gedanke, dass er sich das alles viel-
leicht nicht nur einbildete. City konnte ihn tagsüber nicht 
aufhalten, aber er konnte mit ihm Kontakt aufnehmen. Ein 
Auto ist schließlich nur ein beweglicher Teil der Stadt, wie ein 
Blutkörperchen in den Venen eines Menschen. Und durch das 
Auto ... Dann rede halt mit mir. 

»Nein«, sagte Cole und musste dann über sich selbst lachen. 
Entspann dich. Überdenk noch mal, was du gerade tust, 
sprach das Flüstern des Windes, der über das Auto hinweg 
rauschte, sprach das Schlagen der Kolben. 
Ist das eine Halluzination oder ist das City? fragte sich Cole. 
Oder beides? 
Das Auto hatte ihn verschluckt. Trug ihn gegen seinen Wil-
len davon. Trug ihn in seinem Bauch in irgendeine öde unterir-
dische Garage, wo er eine zementierte Ewigkeit verbringen 
würde. Das Auto verfügte über einen eigenen Willen ­ das 
Lenkrad bewegte sich selbsttätig. Er saß in der Falle, verschmolz 
mit dem Vinylsitz, die Fenster schlossen sich um ihn ­ 
Mit einem wütenden Knurren richtete sich Cole ganz auf 
und schüttelte sich. Er kurbelte das Fenster herunter und ließ 
sich den kalten Wind ins Gesicht wehen. Mit einem Schauer fiel 
die Verwirrung von ihm ab. Er kurbelte das Fenster wieder 
hoch, ließ es aber einen Spalt offen und schaltete zur Ablenkung 
das Radio ein. Das Gerät kreischte in einer Vielzahl höllischer 
Stimmen, bis er einen Nachrichtensender gefunden hatte: » ... 
zu diesem Zeitpunkt ist es nicht nur logisch, sondern geradezu 
unvermeidlich, dass die Postdienste zu einhundert Prozent auf 
elektronische Übertragung aller Schriftstücke umstellen, Pa-
ketsendungen ausgeschlossen. Die gegenwärtigen sechzig 
Prozent reichen nicht aus. Einheitlichkeit bedeutet Zweckdien-
lichkeit, und wir können schließlich nicht erwarten, dass ein 
geteiltes postalisches System ordentlich funktioniert. Entspre-
chend ist es notwendig, jeden Haushalt, der Post erhalten 
möchte, zur Installation eines Datenempfangsterminals zu 
verpflichten. Die Vorteile überwiegen gegenüber den Nachtei-

len bei weitem. Einen Brief bei sich zu Hause zu tippen, der 
unmittelbar übertragen wird ­ entweder während der Eingabe 
oder als Ganzes, je nach ­« 
Cole drehte weiter. »Keine richtige Post mehr, was?«, mur-
melte er, während er die Sender durchprobierte. »Verdammt, 
ich mache gerne Briefe auf.« 
Während er die UKW-Skala entlangglitt, stieß er auf den 
Satz: » ... Vigilanten, die vermeintlich ...«, und drehte so lange 
hin und her, bis er diesen Sender wieder gefunden hatte. »Doch 
wenn diese Männer und Frauen nicht im öffentlichen Dienst 
stehen ­ und es hat sich gezeigt, dass sie weit schlimmer sind als 
die Retter der Enterbten, für die wir sie halten sollen ­ wer 
steckt  dann  hinter ihnen? Gestern Abend sind sie auf einem 
Rockkonzert aufgetaucht, wo es ein Blutbad gegeben hat, das 
muss einem doch zu denken geben. Ich als Journalist nehme 
ihnen die Rechtfertigung einfach nicht ab, die sie anonym und 
auf Band bei der Polizei hinterlassen haben, dass das Konzert 
ein >Brennpunkt der Schäbigkeit und Korruption< gewesen sei. 
Ziemlich müde Ausrede! Da scheint die Information eher von 
Bedeutung, dass die Band First Tongue sich geweigert hat, der 
Rockmusiker-Gewerkschaft beizutreten, von der jedes Kind 
weiß, dass das organisierte Verbrechen hinter ihr steckt. Sind 
die Vigilanten also ein Zweig der Mafia?« 
»Sag bloß, du Wichser«, bemerkte Cole. 
Als der Wagen die Autobahn verließ, machte er das Radio 
aus. Das Auto würde rechts ran fahren, wenn er nicht selbst 
lenkte. Er befand sich wieder in einem Gebiet ohne Verkehrs-
leitsystem. Cole schaltete die Elektronik ab und übernahm das 
Steuer. 

Er fuhr ein, zwei Kilometer und kaute auf seiner Lippe her-
um, trotz des schmerzenden Risses. Als er sich der Kreuzung 
näherte, wo er zum Haus der Vigilanten abbiegen musste, 
nahmen die Schmerzen seiner Verletzungen langsam zu, als 
wollten sie ihn warnen. »Psychosomatisch«, beruhigte er sich. 
Die nächste Seitenstraße. Er bog ab. Er hörte sich selbst keu-
chen. Er hatte die linke Hand am Lenkrad und die Rechte in der 
Manteltasche, auf der selbstgefälligen Schwellung des Pistolen-
griffs. 
Der größte Teil der Bevölkerung von Oakland war schwarz; 
Reklametafeln an Siedlungsbauvorhaben und Mietskasernen 
zeigten lächelnde schwarze Menschen, die ziemlich bürgerlich 
aussahen, sich gemeinsam eine Zigarette oder einen hundert-
prozentigen St. Ides gönnten oder in einer Disco tanzten. Einige 
neuere Werbetafeln wurden von Glasscheiben bedeckt, unter 
denen sich die Holos fröhlicher junger Schwarzer zur Musik des 
beworbenen Radiosenders bewegten. 
Schwarze Gesichter, weniger gut gelaunt als ihre riesigen 
Konterfeis auf den Reklametafeln über ihren Köpfen, betrachte-
ten ihn mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen, starr-
ten einzeln aus Fenstern oder standen in Gruppen vor Schnaps-
läden herum. Cole fuhr an zwei verlassenen evangelischen 
Kirchen Marke Eigenbau vorbei, der HEILIGEN KIRCHE 
UNSERES HERRN JESUS CHRISTUS IM GEBETE und der 
HARDCORE KIRCHE JESU DES GESEGNETEN HERRN. 
Cole lächelte. Das Lächeln verzog sich zu einer Grimasse, als er 
das Hotel entdeckte, in dem er mit City gesprochen hatte. »City 
...« flüsterte er. »Schlaf ... oder hilf mir.« 
Und dann sah er das Haus. Zwei schwarze Jungs mit künst-

lich geglätteten Haaren standen auf dem aufgerissenen Gehweg 
und betrachteten die geschwärzte Vorderseite des einstöckigen 
Hauses, die jämmerlichen Fensterhöhlen. Cole fuhr an dem 
Haus vorbei. Sein Herz schlug schneller als die Kolben des 
Chevy. Zwei Wohnblocks weiter fuhr er vor einem weiteren 
Schnapsladen rechts ran. Sie ist dort drin, dachte er fieberhaft. 
Ich bin in ihrer Nähe. 
Er blieb zitternd im Wagen sitzen. 
Schnell, dachte er. Mach schon. 
Und schon stieg er aus dem Auto, die Hand auf der Pistole in 
seiner Tasche, knallte mit der linken Hand die Tür zu und 
wandte sich zum Haus. 
Was konnte er tun? Aber er lief weiter, den feuchten Schatten 
eines zerfallenen Hotels entlang. Vielleicht konnte er der Polizei 
sagen, dass sich das Opfer einer Entführung dort drin befand ­ 
nein, sie würden Catz beim ersten Anzeichen eines Polizeiein-
satzes wegschaffen. 
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich von der Seite oder 
von hinten hineinzuschleichen, jemanden zu packen, ihm die 
Waffe an den Kopf zu halten und im Austausch Catz zu verlan-
gen. Im Fernsehen funktionierte so etwas. 
Selbstmord. Aber er lief weiter. 
Als er noch zehn Meter weit weg war, blieb er stehen. Er sah 
etwas Seltsames in einem schmalen, mit Scherben übersäten 
Durchgang zwischen zwei hohen Wohnhäusern. Er starrte hin. 
Er starrte sich selbst an, und Cole lächelte zurück. 
Die Gestalt trug andere Kleider, aber er war es, eindeutig ... 
mit Ausnahme des seltsamen Gesichtsausdrucks. Der Begriff 
Doppelgänger drängte sich auf. Cole sah sich um, die Straße rauf 

und runter. Niemand sah zu. Er trat in den schmalen Durch-
gang. Sein Blick klebte an dem, was er sah, als ob er erwartete, 
dass es jeden Augenblick wie ein Trugbild verschwinden würde. 
Cole ging vorsichtig darauf zu und stieg über Haufen aus 
Hundescheiße und nasser Pappe. Zwei Meter vor der Erschei-
nung blieb er stehen. Sie verschwand nicht. Sie lächelte ihm zu, 
als würde ihr das Spaß machen. Aus dieser Entfernung konnte 
er durch sie hindurchsehen. Sie war durchsichtig, wie ein 
schlechtes Hologramm. 
»Und ich dachte, den Scheiß hätte ich schon im Auto abge-
schüttelt, als ich das Fenster aufgemacht habe«, sagte Cole. Aber 
er hatte nicht das Gefühl,  als stünde er einer Halluzination 
gegenüber. Das Ding stand direkt vor ihm, verschwommen, 
aber unerschütterlich, ebenso Teil der Stadt wie der Rauch aus 
einem Schornstein. 
Das Gespenst (denn so nannte er es in Gedanken) lachte. Co-
le hatte den Eindruck, es lachte herzhaft, doch die Stimme ­ 
fraglos seine eigene ­ drang nur als heiseres Flüstern zu ihm: 
»Cole, alter Junge, du solltest dein Gesicht sehen. Aber natür-
lich wirst du das, wenn unsere Perspektiven gewechselt haben.« 
Das Ding lachte wie verrückt. Cole streckte seine Hand aus 
und wischte die abblätternde Farbe von der Holzwand neben 
sich, um mit etwas Greifbarem in Kontakt zu kommen. Wenn es 
eine Halluzination ist, dachte er, dann erscheint es, egal wohin 
ich schaue. Also drehte er sich um, starrte an eine grau gestri-
chene Wand und hielt in den staubigen Bogenmustern Aus-
schau nach seinem Spiegelbild. Die Gestalt zeigte sich dort 
nicht. Als er sich umdrehte, war sie wieder da. Und nur dort. In 
diesem Augenblick überkam Cole ein plötzliches Gefühl von 

Déjà-vu, das im Abklingen seine Zweifel hinwegwischte. Plötz-
lich schien alles richtig und angemessen. Unausweichlich. 
»Es ist seltsam«, sagte der durchsichtige Cole, mit einer Hand 
am Kragen. »Aber ich kann mich an alles erinnern, was du 
gerade denkst ­ wie du an die Wand geschaut hast, um heraus-
zufinden, ob ich dort auch auftauche, und das Déjà-vu. Ich habe 
eher das Gefühl, ich erlebe das alles selbst, im Nachhinein, aber ­ 
aber aus einer geringen Distanz, wie in einem Traum. Verstehst 
du?« 
Cole nickte benommen. Er verstand. 
»Ich kann mich sogar«, fuhr sein Doppelgänger fort, »an das 
erinnern, was ich jetzt zu dir sage ­ ich höre es in einer Art Prä-
Echo,  bevor  ich es sage. Was irgendwie seltsam ist, schließlich 
spreche ich gerade genau darüber ... ich meine ...« Er kicherte, 
mit weit aufgerissenen Augen, mindestens halb wahnsinnig. 
»Ich meine ... ich weiß, was ich genau jetzt sagen würde, 
schließlich habe ich es kurz vorher aus deiner Perspektive erlebt 
... als ich mich angeschaut habe, aus der Perspektive, aus der du 
das jetzt erlebst, und ich kurz vor ­ nun, bevor ich hier auf dich 
gestoßen bin, um dich zu warnen, habe ich versucht, absichtlich 
etwas anderes zu sagen als das, was ich jetzt sage, aber ich sage 
eben doch nur >habe ich versucht, absichtlich etwas anderes zu 
sagen, als das, was ich jetzt sage<, was ich eigentlich anders 
sagen wollte, schließlich wusste ich, da ich aus deiner Perspekti-
ve bereits gehört habe, was ich sagen würde ­ ich meine, das ist 
ein ziemlich seltsamer und verrückter Zirkel, oder etwa nicht? 
Herrlich abgefuckt. Aber du  bist nicht verrückt, Cole; es gibt 
mich wirklich. Ich besitze sogar, äh, Substanz ­ allerdings nicht 
in deiner Welt. Verstehst du, Mann, in deiner Welt existiere ich 

nur teilweise. Hier gibt es mich wirklich, in der Dimension der 
quintessentiellen städtischen Existenz, aber aus deiner ­« 
»Du hast etwas von einer Warnung gesagt?« 
»Oh, ja ­ ich erinnere mich, dass du mich das gefragt hast. 
Will sagen, ich kann mich daran erinnern, als ich ­ als wir ­ als 
ich du war und ungeduldig geworden bin und mich das gefragt 
habe ­« 
»Hör auf damit!«, sagte Cole. 
»Genau das hast du gesagt!« Die Erscheinung kicherte. »>Hör 
auf damit!<, hast du gesagt! Genau, direkt nachdem ich >und 
ungeduldig geworden bin und mich das gefragt habe< gesagt 
habe ­« 
»Hör zu«, sagte Cole verzweifelt. Er wurde von einem Déjà-
vu-Anfall nach dem anderen überrollt. »Bitte sag mir, was ­ die 
Warnung ­« 
Aber irgendwie war, als das Gespenst jetzt nickte und ihm 
endlich die Botschaft überbrachte, die zu überbringen es ge-
kommen war, jedes einzelne Wort dieser Botschaft schon 
vertraut und er hatte es erwartet, und ihm wurde alles klar: 
»Cole ­ geh nicht in das Haus. Ich bin hier, um dir das zu 
sagen. Du stehst an einem Scheideweg in der Zeit und ich muss 
dir den richtigen Weg weisen. Was mir ziemlich komisch 
vorkommt, denn ich habe das alles schon mitgemacht, als ich 
du war, und ich weiß, für welchen Weg du dich entscheiden 
wirst ... aber schließlich habe ich mich für diese Abzweigung 
entschieden, eben jene Möglichkeit, denn ich habe dir diese 
Warnung überbracht. Ich. Du? Herrlich  abgefuckt, dieses 
Paradox. >Paradox< ist, glaube ich, das richtige Wort ...« 
»Aber, vom Risiko einmal abgesehen ... warum soll ich nicht 

in das Haus der Vigs gehen?«, forschte Cole und betrachtete mit 
zunehmendem Entsetzen den verzerrten, kindlichen Ausdruck 
auf seinem Gesicht. Seinem toten Gesicht? 
»Weil ­ ha-hihi! ­ äh. Nun, denk mal darüber nach (auch 
daran kann ich mich erinnern): Heute Morgen warst du müde; 
sonst hättest du dich gewundert, warum die Vigilanten so 
schnell mit der Information rausgerückt sind, wo Catz sich 
befinden soll. Offensichtlich wollte man, dass du hierher 
kommst. Ein derartiges Risiko gehen die nicht ein, Dummkopf. 
Sie haben ihr Hauptquartier verlegt, an drei unterschiedliche 
Orte genau genommen. Dort drin sitzen drei Männer mit 
Waffen und warten auf dich. Sie wollen dich umbringen.« 
Cole war nicht überrascht. Idiot,  dachte er. »Aber gottver-
dammt noch mal, wo steckt Catz? Und was geschieht mit uns? 
Wie bin ich zu dir geworden? Und überhaupt ­« 
»Hör zu, ich werde dir sagen, wo Catz ist«, unterbrach ihn 
das Gespenst grinsend. »Aber den ganzen Rest nicht, weil ich 
das nicht getan habe, als du ich warst. Ich weiß noch, dass ich es 
nicht getan habe, also kann ich es jetzt auch nicht. Ist das nicht 
herrlich ­« 
»Wo zur Hölle steckt sie dann?« 
»In Berkeley, vierunddreißigzweiundzwanzig auf der Vier-
ten, gleich an der Universität. Mit vier dieser Typen, die Karten 
spielen. Sie haben sie in einen Schrank gesperrt. Sie erwarten 
dich nicht, aber sie sind bewaffnet. Ich würde dir ja sagen, du 
sollst Hilfe holen, aber das wirst du nicht, soweit ich mich 
erinnern kann, weil du verzweifelt bist, oh, aber das kann ich dir 
nicht erzählen, denn ­« 
Cole wandte sich den Rücken zu und rannte aus der Gasse, 

als das Gespenst ihm hinterher rief: 
»Ich  wusste,  dass du weglaufen würdest, nachdem ich >aber 
das kann ich dir nicht erzählen, denn ­< gesagt habe ...« 
Er rannte zum Auto zurück. 
Er fuhr so schnell er konnte, ohne sich umzubringen, und 
zog die Aufmerksamkeit eines Streifenwagens auf sich, den er 
wieder abhängte, als er die Ausfahrt Berkeley hinunterfuhr. Er 
raste wild drauflos, hupte ununterbrochen, um Fußgänger zu 
warnen und nahm Abkürzungen durch die Seitenstraßen der 
Wohnviertel. 
Er schoss eine Schotterstraße entlang und verfehlte nur 
knapp einen Jungen auf einem Fahrrad, der den Lenker herum-
riss und gegen einen Zaum prallte. Cole fuhr mit quietschenden 
Reifen weiter, bog in die University ein. An der Dritten über-
fuhr  er  eine  rote  Ampel,  bog  ohne  zu  blinken  in  die  Vierte, 
donnerte die ruhige Straße mit 70 Sachen hinauf und suchte die 
Hausnummern ab. Er fuhr so schnell, damit ihn seine Angst 
nicht einholen konnte. Er hatte Angst vor der Tragweite dessen, 
was passiert war; hatte Angst vor seiner eigenen Wut. 
Schnell. 
Dann sah er das Haus: rot eingefasster Stuck, pseudospani-
scher Stil, mit einem braunen Rasen, der von Eukalyptusbäu-
men begrenzt wurde. Ein blauer Buick stand in der Einfahrt. Er 
trat auf die Bremse, sparte sich aber das Einparken und ließ den 
Wagen mit laufendem Motor mitten auf der Straße stehen. Er 
hatte Angst, innezuhalten und nachzudenken, also sprang er 
aus dem Auto und stürmte über die Straße auf das Haus zu. 
Hier schien die Sonne und die Wärme der Photonen leckte 
seine kahle Stelle. Es roch nach Eukalyptus und gebratenen 

Hamburgern. 
Schnell. 
Er rannte um das Haus herum und hoffte, dass niemand aus 
dem Fenster sah. Ein öder Hinterhof mit dem rostenden Wrack 
eines alten VW in einer schiefen Holzgarage. Vergiss das, mach 
schon. Beeil dich. 
Er rannte die Stufen zur hinteren Veranda hoch. Der Beton 
dämpfte seine Schritte, doch als er die Hintertür eintrat, krachte 
es durchdringend wie ein Gewehrschuss. Er zerrte die Pistole 
aus der Tasche (das hättest du schon vorher tun können, Idiot) 
und schaute wütend um sich. Jemand blickte gerade vom Ofen 
auf (der Mann schien sich äußerst langsam zu bewegen, so 
schwerfällig wie eine Zeitlupenwiederholung beim Fußball ­ als 
hätte sich Cole in eine panische Eile hineingesteigert, bis er sich 
in Zeitabschnitten bewegte und dachte, die merklich schneller 
abliefen als bei anderen Menschen), und Cole stürzte auf ihn zu, 
richtete die Waffe auf ihn und drückte ab. Fast im gleichen 
Augenblick, als die Pistole losging ­ und Cole war sich ganz 
entfernt bewusst, dass der Mann schwankte und fiel, die Augen 
nach innen verdreht, als starrten sie das Loch an, das die Kugel 
zwischen sie gebohrt hatte ­, stürmte Cole bereits in das nächste 
Zimmer und feuerte auf die drei Männer, die völlig überrascht 
aufstanden, sich mit großer Langsamkeit bewegten, ihre Mün-
der formten Worte, die nicht mehr die Zeit fanden, ihre Kehlen 
zu verlassen, ehe Cole sie erschoss. Er war so nah dran, dass er 
sie schwerlich verfehlen konnte. Trotzdem wurde der Mann zu 
seiner Linken nur in die Schulter getroffen. Während er zu 
Boden ging, rollte er sich hinter ein schweres Holzregal und 
grabschte unter der Jacke nach seiner Waffe. Und Cole wurde 

von der Trägheit seiner eigenen Masse eingeholt. Er schien 
langsamer zu werden, die Vigilanten schneller. Zwei von ihnen 
starben und wanden sich in normalem Tempo, einer richtete 
seine Waffe auf ihn. Cole warf sich nach links. Er konnte sich 
nur noch mit großer Anstrengung bewegen, als wäre er von 
Sirup umgeben. Als er auf dem Boden aufschlug, zerschmetterte 
die Kugel des Vigs das Fenster hinter ihm. Cole war auf seinem 
verletzten Arm gelandet und der Schmerz hinderte ihn daran, 
seine Pistole richtig einzusetzen: Der Arm war fast nutzlos. 
Jemand kam zur Vordertür herein. Sie öffnete sich und ließ 
zwei kräftige Männer ein, der eine schwarz, der andere ein 
dunkelhaariger Weißer mit Sonnenbrille. Sie zogen Waffen. 
Die Schranktür sprang auf und Catz taumelte blinzelnd her-
aus; sie warf sich sofort auf eine der Schusswaffen, die neben 
dem umgestoßenen Spieltisch lagen, von den Männern fallen 
gelassen. Pulverdampf wehte durch den Raum, der Mann neben 
dem Bücherregal feuerte erneut und verfehlte Cole ein zweites 
Mal ­ er konnte wegen seiner Verletzung nicht richtig zielen. 
Cole versuchte angestrengt, seinen verletzten Arm unter Kon-
trolle zu bekommen und verlor erschöpft seine Pistole in dem 
allgemeinen Durcheinander. Catz kniete auf dem Boden ­ und 
schoss auf ihn? Nein, schoss an seiner Schulter vorbei auf die 
zwei Männer, die das Zimmer durchquerten.  Und einer der 
beiden feuerte einen Schuss ab, der das Holzregal durchschlug 
und versehentlich den verletzten Vigilanten traf. 
Revolverdetonationen erschütterten das Zimmer und die 
zwei letzten Vigs gingen zu Boden. Einer ­ mit einem Schuss im 
Bein ­ ließ fluchend seine Waffe fallen, rappelte sich halb auf 
und hampelte auf dem gesunden Bein hastig zur Vordertür. 

Cole starrte Catz an. Sie sah grausig aus. Blass, das Gesicht 
blutverschmiert, mit einem blauen Auge und verfilzten Haaren, 
die Hände noch immer um die Waffe geklammert, zitternd. Sie 
kniete auf dem Boden, Schock und Schrecken und Triumph im 
Gesicht, drei Gefühle binnen drei Sekunden. Dann ließ sie die 
Waffe fallen. Cole krümmte sich vornüber, röchelte und er-
schauerte, als sich unvermittelt seine Anspannung löste. 
Sie half ihm auf die Beine und zusammen stolperten sie zur 
Hintertür hinaus, die Stufen hinab, in frischere Luft. Sie haste-
ten zum Auto. In der Nähe heulten Polizeisirenen; aus benach-
barten Eingängen schauten Leute mit zusammengekniffenen 
Augen durch das greller werdende Sonnenlicht zu ihnen her-
über. 
Cole stieg auf der Fahrerseite ein und ließ sich von Catz lang-
sam zur Seite drängen. Er fügte sich ihrer größeren Selbstbe-
herrschung: Sie übernahm das Steuer und er ließ sich gegen die 
Beifahrertür sacken. Als sie losfuhr, döste er vor sich hin und 
dachte müde: Herr im Himmel, hoffentlich schaffen wir es über 
die Brücke und werden das Auto los, bevor die Bullen von einem 
der Nachbarn das Kennzeichen bekommen. 
Anscheinend wollte niemand bei der Polizei vorsingen. Sie 
erreichten die Wohnung von Catz' Bassisten in San Francisco 
ohne Schwierigkeiten. Er war für ein paar Tage nicht zu Hause. 
Dort nahmen sie sich in die Arme und schliefen ein. 
 
»Ich hatte schon seit Stunden an meinem Ausbruch gearbeitet. 
Die Seile bin ich ohne Probleme losgeworden. Aber ich konnte 
mich nicht entscheiden, wann ich die Tür eintreten sollte«, 
sagte Catz. »Ich habe darauf gewartet, dass sie sich schlafen 

legen.« 
»Dachte ich mir«, sagte Cole. Bei dem Thema fühlte er sich 
unwohl. 
Sic saßen in einem Café an der Ecke. Die Sonne zitterte be-
harrlich über einem Wolkenkratzer; die City wartete beharrlich 
auf den Einbruch der Nacht. Sie hatten auf einer klumpigen 
Matratze in der Wohnung an der Castro fast den ganzen Tag 
verschlafen und waren vor zwei Stunden beinahe gleichzeitig 
aufgewacht. Sie lagen sich immer noch in den Armen. Bisher 
waren sie sich noch nie körperlich näher gekommen. Und 
während Catz ­ zu Coles Überraschung ­ an ihn gekuschelt 
liegen blieb, war es ihm peinlich. Und ihm war der Arm einge-
schlafen. Aber als er jetzt daran zurückdachte, glühte er inner-
lich. 
Sie hatten sich gewaschen, so gut wie möglich ihre Verlet-
zungen versorgt und Brötchen gefrühstückt. Dann waren sie 
hierher gekommen. 
Jetzt, im zunehmend bläulichen Licht, das durch das staubige 
Schaufenster neben dem mit Tassen übersäten Holztisch fiel, 
sah Catz' Profil zwar ramponiert, aber immer noch beeindruk-
kend aus. Sie saß da, die Ellbogen auf dem Tisch und ihr kanti-
ges Kinn auf die Hand gestützt. Ihre leicht schiefe Nase zeichne-
te sich scharf gegen die Schatten zu ihrer Linken ab, ihre tief 
liegenden Augen waren nach innen gerichtet ­ blaue Flecken 
standen ihr, fand Cole, wie das theatralische Make-up eines 
Angstrockers. Sie trug eine mattschwarze, kurze Jacke mit 
breitem Revers. Ihre kleinen emporgerichteten Brüste waren 
nackt. 
Coles Augen verweilten auf den Narben auf ihren Brüsten. 

Sie trug einen Ausdruck majestätischer Verachtung zur 
Schau, und ihre schwarz lackierten Fingernägel und der 
schwarze Lippenstift verliehen ihrer Haltung eine gewisse 
Autorität. 
Sie schwiegen bereits zu lange. Cole wurde sich eines wach-
senden Unbehagens zwischen ihnen bewusst. Er nahm einen 
Schluck von seinem Cappuccino, damit er etwas zu tun hatte, 
und versuchte so selbstbewusst und sorglos wie Catz zu wirken. 
Er wollte nicht darüber sprechen, was heute Morgen geschehen 
war. Aber ihm fiel nichts anderes ein, und etwas  musste er 
schließlich sagen. Egal was, Hauptsache, es lenkte sie von dem 
Druck ab, der zunehmenden Erwartung, ehe zwischen ihnen 
aufkam. 
Gleich passiert etwas, dachte Cole. 
»Ähm ­ hey, weißt du was, ich kann mich nicht ­«, setzte er 
an und stolperte über die Worte, »ich kann mich irgendwie 
nicht ­ nicht an die Gesichter der Kerle erinnern, die wir gese-
hen haben ­ die heute Morgen ... sollte  ich aber ­ ich meine, 
das waren die ersten, die wir ohne diese bescheuerten Masken 
gesehen haben. Aber ­ komisch, das war irgendwie, als ob ich 
mich den ganzen Morgen darauf eingestellt hätte, immer 
schneller und schneller wurde, als ich dich gesucht habe, und ­ 
dann glich alles einem einzigen verschwommenen Fleck. Ich 
kann mich nicht an sie erinnern. Sie hätten genauso gut diese 
Masken tragen können, ich sehe ihre Gesichter nur als ver-
schwommene pinkfarbene Flecken ... was irgendwie, ich weiß 
nicht,  gemein  ist. Wenn man schon Leute ­«, er senkte seine 
Stimme, »umbringt, sollte man wenigstens ihre Gesichter sehen. 
Moralisch betrachtet ­« 

»Das geht mir anders«, sagte sie und tat seine Schlussfolge-
rungen mit einem schwachen Kopfschütteln ab, ohne den Blick 
von der Straße zu wenden. »Sie haben ihre Masken auf behal-
ten, bis sie mich verschnürt und die Nacht über in den Schrank 
gesteckt haben. Also habe ich sie nie gesehen, und ich habe sie 
mir nicht genau angeschaut, als wir ... heute Morgen. Ich will 
aber gar nicht wissen,  wie sie ausgesehen haben. Ich möchte 
mich nicht daran erinnern.« 
»Ich möchte nie wieder eine Schusswaffe anfassen«, sagte 
Cole. 
Catz zuckte die Achseln. »Wie hast du mich eigentlich ge-
funden?« 
»Das habe ich dir doch beim Frühstück erzählt.« 
»Da war ich noch nicht ganz da. Ich hab es wohl nicht richtig 
mitbekommen.« 
»Also gut ...« Während er das Gekaspere auf dem Broadway 
betrachtete und seine Augen den zunehmend belebten Boule-
vard auf und ab irrten, erzählte Cole von den Männern, die in 
seine Wohnung eingedrungen waren, und von der Warnung 
seines Doppelgängers. 
Als er fertig war, nickte sie finster. 
Cole lachte. »Warum sagst du jetzt nicht: >Du spinnst! Das 
Gespenst hast du dir nur eingebildet! Sie blickte ihn leicht überrascht an. »Nein. Warum sollte ich? 
Schließlich hast du mich gefunden, oder? Wie hätte dir das 
sonst gelingen sollen? Es muss wahr sein. Außerdem bin ich an 
solche Sachen gewöhnt. Für mich«, sie wies mit einer Hand 
zum Fenster hinaus, »ist diese Welt durchsichtig. Manchmal 
kann ich über sie hinaus sehen ... heute ist meine Wahrneh-

mung eingeschränkt. Aber letzte Nacht konnte ich spüren, dass 
du mich holen kommst. Ich wusste nicht genau wann, aber ich 
wusste, dass du unterwegs warst.« 
Cole  fragte  sich,  ob  sie  in  diesem  Augenblick  von  ihm  Ge-
dankenfetzen auffing. Er wurde rot und versuchte ihren Ge-
sichtsausdruck zu deuten. Er hatte sich vorgestellt, wie sie 
miteinander schliefen. Sie blickte zum Fenster hinaus und 
tippte mit einer Hand gegen den Rand ihrer kleinen Espresso-
tasse. Nein, sie hatte gesagt, sie nahm heute nicht viel wahr, 
stellte Cole erleichtert fest. Ihre Fähigkeit kam und ging. 
Hinter der Theke links von Cole klirrte etwas ... ein Kellner 
sagte laut »Verdammt!« und bückte sich nach den Scherben. Es 
wurde langsam voll hier drin, wie aus dem Hut gezaubert 
tauchten die abendlichen Gäste auf. Aus den Milchschaumdü-
sen ­ ausgeklügelte altertümliche Apparate aus Chrom und 
poliertem Holz ­ zischte es schaumweiß in die Kaffeetassen und 
eine Frau mit kurzen blau-orange gestreiften Haaren nahm 
Intercash-Karten entgegen, die sie mit gedankenloser Effizienz 
in ein Terminal schob. »Vielen Dank«, sagte sie nach einem 
Blick auf den Bildschirm. »Vielen Dank«, im immer gleichen 
Tonfall. »Vielen Dank«, und sie reichte die Karte zurück. »Vie-
len Dank«, sie schob eine Karte hinein, tippte, Bildschirm, gab 
sie zurück. »Vielen Dank ... Vielen Dank ... Vielen Dank ...« 
Die Tische des schmalen Raumes waren voll besetzt mit 
Angstrockern aus dem nahe gelegenen Deaf Club (ein Stück die 
protzig neonbeleuchtete Straße hinauf) und mit S/M-Voguern 
und ihren kauernden helläugigen Sklaven an Leinen, ihre 
Mäntel aus dem Fell bedrohter Tierarten gefertigt und mit 
vergoldeten Kreditkartenimitationen übersät. 

Draußen gesellten sich Angster, Voguer und ein paar mürri-
sche Chinesen zueinander. Müslis mit Baretten, Zöpfen, Jeans 
mit Lederflicken und Sonnensymbolen aus Strass verkauften 
Gras oder Zurück-zur-Natur-Zeitungen. »Warum leben die in 
der City, wenn sie zurück zur Natur möchten?«, murmelte Cole. 
Eine Gruppe von Angstern in Gefängniskleidung marschier-
te lachend vorbei. Einer von ihnen blieb etwas hinter den ande-
ren zurück, da er eine Miniaturstahlkugel an einer Fußfessel 
hinter sich herschleppte. 
Cole warf Catz einen Blick zu. Die Spannung zwischen ihnen 
stieg weiter. Sie setzte eine schmale dunkle Brille auf, erhob sich 
plötzlich und streckte sich. Cole schlüpfte in seine alte schwarze 
Motorradjacke und sie gingen hinaus, um sich auf den Abend 
einzulassen. 
Der Himmel färbte sich purpurrot; einige wenige faserige 
Wolken wurden violett angestrahlt. Coit Tower ragte phallisch 
am Horizont auf. Sie hielten sich eng beieinander und schlen-
derten durch die bummelnde Menge. Eine Gruppe japanischer 
Touristen fotografierte Catz, die sie im richtigen Augenblick 
anknurrte. Sic kicherten begeistert. Neonlicht und lodernde 
Glühbirnen tupften halluzinogene Spuren in Coles periphere 
Wahrnehmung. Die einander überlagernden Schilder bildeten 
grelle Schichten. Cole entspannte sich  langsam,  er  fühlte  sich 
hier wohl. Die grellen Schilder der langen Reihe von Nackt-
Live-Sex-Bondage-Sodomie-auf-der-Bühne-Clubs schienen 
ihm einen vertrauten nonverbalen Code zuzublinzeln; die 
Schilder waren im kompositorischen Akkord mit dem finsteren 
Netzwerk der Verkehrsmitteloberleitungen angeordnet, die sich 
über der Straße kreuzten. Funken schlugen aus den Dachkufen 

elektrischer Busse, wenn sie die Vielzahl von Leitungen an einer 
Kreuzung überquerten. 
Taubenschwärme flatterten nervös die Stirn der City entlang. 
Sie kreisten direkt über den Häusern, zogen im Sturzflug kleine 
Kreise, als wären sie Bestandteile eines Mobiles. 
Die regulären Bewohner der Straße ­ Angster, Voguer, Müs-
lis, Huren ­ stolzierten die überfüllten Bürgersteige entlang und 
stellten ihr leuchtendes Federkleid zur Schau, das aus der Ent-
fernung betrachtet kaleidoskopartig ineinander überging; sie 
erinnerten Cole an japanische Dämonen. 
Ein Laserstrahl malte Schriftzüge auf die Wolken: Besuchen 
... Sie uns ... im Jade Tower ... geruhsames Essen für ... den 
eleganten Überdruss ... 
Die Spannung zwischen ihnen hatte sich etwas gelockert und 
Coles Laune hatte sich gebessert (die flüchtigen Bilder von 
verschwommenen Gesichtern, die blutig aufplatzen, von dem 
Mann, dessen Augen sich um das grausam glattkantige Ein-
schussloch verdrehen, verbannte er aus seinen Gedanken). 
Doch als Catz seine Hand nahm, zitterte er. Und als ihm be-
wusst wurde, dass sie ihn zu ihrer Wohnung führte, wurden 
seine Handflächen feucht. 
Als sie am Fuß des Hügels ankamen ­ nachdem sie sich 
durch Chinatown geschlängelt hatten, mit seiner Explosion von 
Gerüchen, seinen Fenstern, in denen ziselierte Elfenbein- und 
Jadekunstwerke auslagen, und seinen zehntausend schlitz-
schmalen Augenpaaren ­, blieb Catz plötzlich stehen und zog 
ihn ein wenig am Arm zurück. Er wandte sich um, schaute sie 
fragend an und versuchte seine Beklommenheit zu verbergen. 
Aber sie war es, die die Frage stellte: 

»Was ist los, Stu?« 
»Nichts«, sagte er niedergeschlagen und dachte: O Gott, jetzt 
liest sie meine Gedanken. 
»Nein, im Ernst.« 
Cole zuckte übertrieben mit den Schultern. »Äh ­ weiß nicht, 
Catz. Ich mach mir wohl Sorgen wegen City ... dass er uns 
suchen könnte ... es ist fast Nacht. Und du ­ na ja, ich habe dir 
ja gesagt, dass er mir nicht helfen wollte, dich da rauszuholen.« 
»Das ist mir gleichgültig. Damit habe ich gerechnet. Ich 
glaube sogar, dass er mich irgendwie zu Fall gebracht hat, als ich 
dir nach draußen folgen wollte, er hat dafür gesorgt, dass die 
Schutztruppler mich erwischen. Er hat Recht: Ich traue ihm 
nicht. Stu, er besteht aus dem Unterbewusstsein Tausender 
fehlbarer Menschen. Glaubst du wirklich, dass die Menschen 
dieser Stadt völlig bei Verstand sind? Im Leben nicht. Unter 
jedem unauffälligen Schädel steckt ein Schlangennest. Als 
Teenager habe ich mal eine Überdosis LSD genommen ­ es 
ging mir gut, bis ich die Kontrolle verloren habe, nicht mehr 
wusste, wo ich war, und unter Anleitung meines Unterbewusst-
seins herumgerannt bin. Und da mein Unterbewusstsein voller 
feindseliger Gefühle war, habe ich angefangen, Sachen ausein-
ander zu nehmen ...« 
Er starrte sie an. Er musste laut sprechen, um das Quietschen 
einer Straßenbahn zu übertönen, die sich langsam den steilen 
Hügel hocharbeitete. »Warum hast du dann mitgemacht? 
Warum hast du uns geholfen?« 
»Du weißt warum. City hat es dir erklärt«, sagte sie ernst, 
»auch wenn du mir diesen Teil der Unterhaltung verschwiegen 
hast.« 

Cole war dankbar, dass sie in der hereinbrechenden Dunkel-
heit nicht sehen konnte, wie er rot wurde. 
»Verdammt, ich benehme mich wie ein verängstigter Teena-
ger«, murmelte er. 
Sie lachte kurz auf. »Es ist wirklich süß, wenn du Selbstge-
spräche führst.« 
In ihrem Tonfall lag kein Hohn, trotzdem wurmte ihn die 
Bemerkung. Missmutig wandte er den Blick ab. »Ich finde, du 
solltest die Stadt verlassen«, sagte er. »Er könnte dich töten.« 
»Vielleicht mache ich das«, sagte sie. »Ich muss zugeben ... 
dass ich auch Angst habe. Auch wenn ich gerne das Gegenteil 
behaupte. Allerdings nicht dir gegenüber.« Ihre Stimme wurde 
ungewöhnlich sanft. »Ich ­ verdammt, letzte Nacht in dem 
Schrank dachte ich, ich werde verrückt. Sie haben mich nicht 
vergewaltigt, aber ich hatte Angst davor. Das möchte ich nicht 
noch einmal durchmachen. Es ist bescheuert. Ich möchte 
einfach die Band mitnehmen und verschwinden. Aber du 
kannst genauso wenig hier bleiben. Er  hat dich ... zu sehr im 
Griff. Bald wirst du keinen eigenen Willen mehr haben, Stu. Du 
musst auch weg von hier.« 
Cole zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich glaube nicht, dass 
ich das kann. Nicht lange ... ich weiß nicht.« 
Die Ampel schaltete auf grün. Sie überquerten die Straße und 
kamen an einem Kuriositätenladen vorbei. In dem staubigen 
Schaufenster stand eine hölzerne Wahrsagerin. Sie stand ­ 
beschädigt ­ seit mindestens zwanzig Jahren dort. Als sie an 
dem Fenster vorbeigingen, zuckte Catz plötzlich zusammen und 
umklammerte krampfhaft Coles Hand. Sie blieb stehen und 
starrte gebannt auf die kleine hölzerne Puppe. Das von der Zeit 

gegerbte Gesicht eines alten Weibes schaute sie boshaft an. »Ihr 
Kopf«, sagte Catz keuchend. »Er ­ sie hat noch nie in diese 
Richtung geguckt. Aber als ich vorbeiging, hat sie sich mir 
zugewandt. Ich hab's aus dem Augenwinkel gesehen ...« 
Das winzige Zigeunerinnengesicht blickte gehässig zu ihnen 
auf. Cole erinnerte sich ­ ja, richtig ­, der Kopf der Puppe hatte 
in die andere Richtung geschaut, als er sie zuvor angesehen 
hatte. 
»Vielleicht ­ funktioniert das Uhrwerk ja wieder. Ein vorbei-
fahrendes Auto ...«, schlug er ohne Überzeugung vor. 
Catz hatte es plötzlich eilig, zerrte ihn hastig weiter. Über die 
Schulter rief sie: »Quatsch! Das ist City. Ich kann es spüren. Er 
beobachtet mich. Er will mich provozieren. Und warnen. Er 
kommt zu sich. Er verfolgt mich.« Ihre Stimme kippte. »Oh 
Scheiße.« 
Sie eilten die immer düsterer werdende Straße entlang. Cole 
blieb neben einem U-Bahn-Eingang stehen. Catz wartete unge-
duldig, nahm die Sonnenbrille ab und sah ihn fragend an. 
»Da kommt eine U-Bahn, die nach Süden fährt«, sagte Cole 
und starrte auf den Boden. 
Catz sah ihn leicht amüsiert an. »Woher weißt du das? Du 
hast keinen Fahrplan.« 
Cole schauderte. Woher hatte er das gewusst? Er blickte zur 
Straßenecke hinüber. »Gleich kommt der Bus zur Mission 
Street.« 
Catz folgte seinem Blick. Zwei Sekunden später kam ein 
Elektrobus um die Ecke gefahren. Vorne dran stand Mission 
Street. 
Catz sah ihn an. Cole fühlte sich seltsam. Irgendwie kalt. Und 

er spürte seine Füße nicht. Ihm war eigentlich nicht kalt, der 
Abend war warm ­ aber seine Füße waren taub. Als ob sie mit 
dem Asphalt verschmolzen. Cole stampfte auf den Boden, bis 
ein wenig Gefühl in seine Fußsohlen zurückkehrte. Dann 
schaute er auf. »Jetzt«, sagte er, »kommt gleich ein Transporter 
um die Ecke. Und danach ein Schwarzer auf einer Harley.« Ein 
großer gelber Lieferwagen fuhr schwerfällig vorbei, gefolgt von 
einem Schwarzen auf einem silbrigen Motorrad. 
Catz starrte ihn mit offenem Entsetzen an. 
Und da klingelte das Telefon in der Telefonzelle neben ih-
nen. 
Die Schiebetür der altmodischen Zelle schob sich auf. Der 
Hörer fiel von der Gabel und baumelte hin und her, als wollte er 
sie herbeilocken. Automatisch ging Cole darauf zu, eine Hand 
ausgestreckt. 
Catz trat mit einer schnellen Bewegung zwischen ihn und die 
Telefonzelle und stemmte ihre Arme gegen seine Brust. »Sprich 
nicht mit ihm. Du weißt, dass er es ist. Bitte nicht ­ nicht jetzt. 
Er ist es, er erwacht zum Leben ... und er macht dich zu einem 
Teil seiner selbst.« 
Cole fühlte sich benommen. Nachdenklich sprach er mit sich 
selbst. »Alle Maschinen auf der ganzen Welt sind miteinander 
verbunden«, murmelte er und sah sich mit wachsendem Begrei-
fen um. »Durch Stromkabel, Telefonverbindungen ­ wie ein 
großes elektronisches Spinnennetz. Die Rohrleitungen ...« Er 
schloss die Augen. Er konnte es sehen, in der unendlichen 
Finsternis hinter seinen geschlossenen Augen leuchtend über-
einander gelegt, blauweiß vor dem Hintergrund der gesprenkel-
ten Schwärze: die große, unendliche Blaupause der elektrischen 

neuralen Kanäle der City, die Verbindungen zwischen den 
Häusern und die geometrischen Zentren, die Verbindungen 
zum Kraftwerk, die ­ 
Erschrocken riss er die Augen auf, ein seltsames Gefühl auf 
dem Gesicht. Dann wurde ihm klar, dass Catz ihn geohrfeigt 
hatte. Er ließ zu, dass sie ihn zum Eingang der U-Bahn führte. 
»Komm jetzt«, sagte sie. »Komm.«  Sie zog an seiner Hand: er 
folgte ihr widerstandslos. Ihm war schwindlig, als wäre er aus 
einem Traum erwacht. Sie stiegen hinab zu den hellen Lampen 
und weißen Kacheln. Mit einer Intercash-Karte zog Catz zwei 
kodierte Fahrscheine aus dem Computer in der Wand. 
Cole hatte immer noch das Gefühl, alles aus großer Entfer-
nung wahrzunehmen, und ließ sich in den schnittigen Edel-
stahlzug führen. Lautlos und automatisch schlossen sich die 
Türen hinter ihnen, und sie schlenderten über die abgewetzten 
Läufer zu den Sitzen neben einem breiten, graffitigedämpften 
Fenster. Die anderen Fahrgäste unterhielten sich leise oder 
lasen Zeitung. Die Stoßzeit war vorbei, außer ihnen fuhr in 
diesem Wagen nur ein Dutzend Leute nach Süden. 
Cole registrierte all dies aufmerksam, doch mit einer Distan-
ziertheit, als wäre alles um ihn herum, die Fahrgäste und die 
Vorrichtungen des Zuges selbst, nichts als kleine, funktionie-
rende Bestandteile des riesigen Getriebes der City. 
Das urbane Kontinuum des Zuges führte eine seiner Aufga-
ben durch: die U-Bahn fuhr los, und mit einer verschwomme-
nen Freude am reibungslosen Ablauf der Maschinerie um ihn 
herum begann Cole die Lichter zu zählen, die im Tunnel vor-
beirasten. Und er lauschte dem rhythmischen Klicken der 
Räder, dem Seufzen der Stoßdämpfer in den Kurven ... 

Einige  Zeit  später  erwachte  Cole  unvermittelt  aus  seiner 
Träumerei von endlosen Blaupausen und Stadtplänen. Er 
schaute sich nervös um. Er fühlte sich einsam und verloren, 
desorientiert ­ und wusste, dass er sich außerhalb von Citys 
Reichweite befand. 
Er war erleichtert, dass Catz neben ihm saß. Sie hatte die Ab-
sätze ihrer Stiefel gegen die Lehne des Sitzes vor sich gestemmt 
und rauchte eine selbst gedrehte Zigarette. 
»Hier drin darf man nicht rauchen«, sagte er grinsend. 
Sie lächelte schwach. »Und was willst du dagegen tun, Arsch-
loch?« 
Er griff sanft nach ihrer Hand. Ihre Haut war warm und 
feucht und schien an ihm zu kleben. 
Seine Haut kribbelte immer noch leicht. »Wo ­ äh, wo fahren 
wir hin?« 
»Dieser Zug fährt nach Süden, wie du gesagt hast, mein 
Schatz. Er fährt durch den neuen Tunnel in den Berkeley-
Hügeln, wusstest du das? Ganz neu, erst seit einem Monat 
offen. Führt bis ganz nach San Jose. Eine lange Fahrt, aber ... 
außerhalb seiner Reichweite, glaube ich.« 
Cole nickte. »Ich konnte spüren, wie ich ihm entglitten bin. 
Es wundert mich, dass er den Zug nicht angehalten hat. Viel-
leicht wären wir dabei umgekommen. Vielleicht ­« 
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, er hätte uns an den regulären 
Haltestellen aufhalten können, er hätte nur den Zug daran 
hindern müssen, weiterzufahren. Aber es gibt noch einen 
Grund. Zum Beispiel, vielleicht weiß er«, sie warf ihm aus den 
Augenwinkeln einen Blick zu, »dass du zurückkommst.« 
Cole holte tief Luft. »Ich fühle mich seltsam.« 

»Entzugserscheinungen.« 
»Was?« 
»Nichts ... Sag mal, als du dieses ganze Zeug vorausgesehen 
hast ­ die Autos, wie ein Wahrsager ­ war das dein Duplikat? 
Diese Erscheinung, die du in Oakland gesehen hast? Hat er dir 
das gesagt?« 
Cole schüttelte den Kopf und sah zu, wie die Tunnelbeleuch-
tung vorbeiraste. Der Zug summte gleichmäßig weiter und 
weiter. »Nein ... ich glaube nicht. Ich hatte eher das Gefühl, als 
würde ich durch die Augen eines anderen blicken. Oder um die 
Ecke durch ein Periskop. Eine Draufsicht, wie im Fernsehen. 
Ich habe nichts zeitlich vorausgesehen ... mehr als ob die Ge-
bäude fast ... durchsichtig geworden wären.« 
»Den Scheiß kann ich nicht ­« 
»Ich erfinde das nicht.« 
»Nein, das weiß ich doch. Ich glaube dir. Ich meine ­ es sieht 
schlimm aus. Er hat dich wirklich am Wickel ­« 
Cole wechselte eiligst das Thema. »Was denkst du denn, was 
ich wirklich gesehen habe? Dieses ­ >Duplikat »Das weiß ich doch nicht«, sagte sie unglücklich. Ihre Ziga-
rette war ausgegangen. Sie zündete sie wieder an und runzelte 
die Stirn, als sie den schwarzen Lippenstift auf der Kippe be-
merkte. »Vielleicht war es eine, äh, Projektion von dir, von 
deinen eigenen latenten Fähigkeiten ausgelöst. Wie Ahnungen, 
die sich in einer Art Vision zeigen.« 
Das fühlte sich nicht zutreffend an. »Mhmm. Dieses Ding ­ 
es glich eher einem Gespenst.« 
Sie lachte nervös. »Nun, das kann es kaum sein. Du bist nicht 
tot, Freundchen.« 

»Nein«, sagte er. Aber er dachte: Noch bin ich nicht tot. Aber 
vielleicht bald. Sehr bald. 
Es fühlte sich zutreffend an. 
 
»Ich weiß nicht«, sagte Cole. Er saß reglos auf dem Rand des 
knarrenden Bettes. »Vielleicht sollte ich zurück. Ich muss das 
jetzt durchziehen. Ich habe was mit ihm angefangen und ir-
gendwie bin ich ihm ... verpflichtet. Außerdem fühle ich mich 
einsam, außerhalb der City. Himmel noch mal, ich habe sie seit 
Jahren nicht mehr verlassen. Ich ­« 
»Ja, ich weiß, du hast Angst, weil du nicht bei Papa bist«, sag-
te Catz. »Aber das ist nicht alles.« 
Sie beugte sich zu ihm hinüber und ließ die Finger durch sei-
ne Haare gleiten. Leise sagte sie: »Du  bist noch wegen etwas 
anderem nervös, mein Freund.« 
Cole zuckte unwillkürlich vor ihr zurück. Ganz schwach 
konnte er ihren Schweiß riechen, ihren natürlichen Moschusge-
ruch. Er war wie berauscht. Aber sein Kreuz war kalt und starr. 
»Sag mal, warum sind wir hierher gekommen?« Er wies mit 
einer Handbewegung auf das alte Hotelzimmer in Santa Cruz. 
Die Luft roch schwach nach Moder und Salzwasser. Die gelbli-
che Tapete löste sich und in den Ecken wucherte Schimmelpilz. 
Das antike Messingbett quietschte bei jeder Bewegung. »Viel-
leicht ist es für dich das Beste, aus San Francisco rauszukom-
men. Aber ­ nicht für mich. Ich sollte nicht hier sein. Ich muss 
mich um meinen Club kümmern, Catz.« 
»Ausreden, Aus-reh-denn ...«, schnurrte sie. 
»Hör zu, ich ­« 
»Wie lang ist es her?«, unterbrach sie ihn. Sie gab sich Mühe, 

der Frage einen beiläufigen Klang zu geben. 
»Seit was?« 
»Kokettier nicht rum«, sagte sie ausdruckslos. 
Er zögerte. »Ein paar Jahre.« 
Sie schloss die Augen. Und lächelte. »Wusst ich's doch. Ich 
gehe jetzt auf deine Wellenlänge.« 
Cole schluckte, um einen Ausruf des Entsetzens zu unter-
drücken. Ihre Fähigkeit ... 
»Ah ...«, sagte sie, zeigte lächelnd ihre scharfen Zähne. »Aha. 
Du warst also impotent« ­ Cole zuckte bei dem Wort zusam-
men ­ »letztes Mal. Mit einer schwarzen Hure. Du hast Angst, 
dass du immer noch impotent bist. Du hast Angst, dass du zu 
alt für mich bist. Du hast Angst, dass ich dich irgendwie aus-
nutze, weil du nicht kapierst, wie ich dich ernsthaft mögen 
kann.« Sie öffnete die Augen. »Ich will dir sagen, warum ich 
dich mag, Stu. Du hast mir in deinem Club meine erste Chance 
gegeben, verdammt, vor Jahren, obwohl du wusstest, dass es 
lange dauern wird, für diese Art Musik ein Publikum aufzubau-
en. Eine Zeit lang hast du Geld verloren. Aber du bist trotzdem 
dabei geblieben, weil ich dir etwas bedeutet habe, weil du meine 
Musik und meine Gedichte verstanden hast. Ich kenne sonst 
keinen Mann, der sie wirklich versteht. Aber es ist nicht nur 
Dankbarkeit. Ich bin seit Jahren scharf auf dich.« Sie lachte über 
seinen Gesichtsausdruck. »Stu, das stimmt. Ich liebe dich. City 
hatte Recht. Ich habe bei der ganzen Sache nur mitgespielt, weil 
ich dich schützen will.« 
»Hör mal, lass ­ ich meine, ich kann nicht ­ ich bin, äh ...« 
»Verdammte Hacke. Du hast etwas Fett angesetzt und du 
hast einen Bierbauch. Na und? Mir sind weiche Männer sowie-

so lieber. Sie sind sanfter. Hör mal, ich kann deine Befürchtun-
gen sehen, Stu. Hör auf, sie vor mir verstecken zu wollen.« 
Cole spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. »Bitte 
nicht ­ hey ­« 
»Und jetzt wirst du auch noch wütend, weil ich ein wenig 
deine Gedanken lese. Ich kann gar nicht anders, wenn ich mich 
dir so nahe fühle. Ich mach dir einen Vorschlag: Wenn du das 
Gefühl hast, ich verletze deine Privatsphäre, dann gehe ich auf 
Distanz, besonders was deine geistigen Bilder betrifft, diese 
Sachen. Die kannst du für dich behalten. Stattdessen konzen-
triere ich mich auf ... deine Gefühle. Ich kann einige deiner 
Empfindungen miterleben. Innerlich und äußerlich. Das ist wie 
ein Feedback. Wir können uns wirklich nahe kommen, Stu.« 
Er blies die Backen auf. »Ich habe das Gefühl, du willst mich 
von irgendetwas überzeugen.« Er starrte auf den fadenscheini-
gen Teppich zu seinen Füßen. 
»Vielleicht. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, zu dir 
durchzudringen.« Sie beugte sich zu ihm hinüber. Ihre Lippen 
brannten auf seinem Nacken. 
Und Cole wäre fast vom Bett gesprungen. 
Sie zog ihn sanft zurück und schüttelte traurig den Kopf. 
»Hey, Stu, entspann dich.« 
»Ich kann nicht.« Er zitterte. Die Spannung zwischen ihnen 
hatte einen Höhepunkt erreicht. Er hatte das Gefühl, dass er 
sich in sich zurückgezogen hatte, als betrachtete er diese Szene 
aus weiter Ferne. »Ich kann da nicht drüber weg, Catz. Äh ­ ich 
möchte dich nicht enttäuschen. Verstehst du?« 
Sie verdrehte die Augen. »Du kapierst es immer noch nicht«, 
sagte sie. Die unverfälschte Liebenswürdigkeit ihrer Stimme ließ 

ihn dankbar aufblicken. »Entspann dich, Stu, ich erwarte nichts 
von dir. Wir müssen nicht großartig miteinander schlafen. Ich 
möchte dich einfach in die Arme nehmen, dich berühren. Wir 
müssen nicht ­ weiß Gott was tun. Ich will einfach ­« Sie mach-
te eine ungeduldige Handbewegung. »Na ja, schon ohne Kla-
motten, aber nicht unbedingt in aller Ausführlichkeit. Kapiert? 
Ich  muss  dich nicht in mir haben. Wenn dir danach ist, mir 
einen Orgasmus zu verschaffen, schön, dafür hat Gott dir 
Finger und eine Zunge und mir eine Klitoris gegeben. Aber 
darauf kommt es nicht an. Versteh doch endlich, du Kamel, ich 
liebe dich. Also kommt es darauf nicht an.« 
Cole atmete langsam aus und etwas in ihm entspannte sich. 
Er fühlte sich lebendig, seine Lebensgeister waren geweckt, ein 
Gefühl der Verbundenheit brandete in ihm auf. Ohne darüber 
nachzudenken streckte er eine Hand aus und schaltete die 
Nachttischlampe aus. Das Zimmer wurde finster, doch durch 
die halb heruntergelassene Jalousie fiel ein kühles Licht. Er 
konnte sie sehen; doch er fühlte sich nicht mehr ganz so unsi-
cher wegen seines Körpers. 
Sie hatte ihre Jacke und ihre Stiefel ausgezogen und schlüpfte 
aus ihrer Hose. Ein Teil der Spannung kehrte zurück, seine 
Hände zitterten und seine schwitzenden Finger rutschten von 
den Plastikknöpfen ab. Er zog sich aus und legte seine Kleider 
sorgfältiger über einen Bettpfosten, als es nötig gewesen wäre. 
Er drehte sich um und glitt in ihre Arme. Es war einfach. Ihr 
Körper war fest und voller Rundungen, ihre Haut glatt und 
feucht. Eine neue Ebene der Entspannung, und ein neuer Stoß 
wohliger Elektrisiertheit durchfuhr ihn, und er verspürte ein 
seltsames Gefühl in der Lendengegend. Überrascht schaute er 

an sich herab. Seine Erektion drückte sich fest gegen ihre feuch-
ten Schamlippen. Ihre Beine umschlangen seinen Hintern, und 
als ihre Lippen sich trafen, presste sie mit beschwörendem, 
rhythmischem Druck ihr Geschlecht gegen den Schaft seines 
Penis. Strom zuckte durch ihre Lippen und er merkte, dass er 
mit den Händen ihren Körper erkundete ­ ohne Vorbehalt oder 
Verlegenheit erkundete. 
»Siehst du?«, flüsterte sie ihm sanft ins Ohr, während ihre 
Finger über seinen Rücken strichen. »Du brauchtest dich nur zu 
entspannen. Entspann dich, und du kommst an einen anderen 
Ort, Mann. Entspann dich, und schon passiert allerhand wirk-
lich Schönes ... Stu ...« 
Es zeigte sich, dass sie Recht hatte. 
 

Uuh-SEX! 
 
Am Morgen, während Catz
 noch schlief, begutachtete 
Cole sich im großen Badezimmerspiegel. »Nicht so übel«, sagte 
er. »Sieht so übel gar nicht aus.« Summend ging er unter die 
Dusche. 
Als er ins Hotelzimmer zurückkam, atmete er wehmütig die 
Düfte der letzten Nacht ein. Catz saß angezogen auf der Bett-
kante. »Komm schon«, sagte sie und wippte ungeduldig mit 
dem Fuß. »Zieh dich an, Stu. Wir müssen los.« 
»Wieso bist du so aufgedreht?«,  fragte  Cole  und  warf  sein 
Handtuch nach ihr. 
Verdrossen wehrte sie das Handtuch ab und wickelte es 
nachdenklich um ihre Hand, während sie sprach. »Ich hatte 
letzte Nacht so einen schrägen Traum. Ich habe ein paar Sachen 
gesehen. Die damit zusammenhängen, was ich damals auf der 
Bühne gesehen habe, als City zum ersten Mal in den Club kam. 
Wir müssen diese Gegend hier verlassen. Wir könnten nach 
New York oder ...« 
»Spinnst du?« 
»Ich meine das ernst.« 
»Einfach alles fallen lassen und verschwinden?« 
»Genau. Das Schiff sinkt, alter Junge. Gestern wärst du fast 

nicht mehr aus der Stadt rausgekommen. Er wollte dich nicht 
gehen lassen.« 
»Er hätte mich aufhalten können.« 
»Er hat versucht, dich davon abzubringen ­ aber er war si-
cher, dass du wiederkommst. Lass uns abhauen.« 
»Nach allem, was wir getan haben? Dem Kampf? Catz, ich 
kann jetzt nicht einfach alles hinwerfen.« 
Sic rutschte unruhig auf dem Bett hin und her und sah ihn 
forschend an. Cole fühlte sich unter diesem Blick unwohl und 
ging sich anziehen. Er schlüpfte in seine Kleider, ohne richtig 
bei der Sache zu sein, und musste sein Hemd ein zweites Mal 
zuknöpfen. Als er fertig war, sagte sie: »Hast du dich entschie-
den?« 
»Ich kann nicht weg. Tut mir Leid.« Er kam nicht auf den 
Gedanken, sich zu fragen, warum  er nicht konnte. Ein Fisch 
kann nur ein oder zwei Minuten ohne Wasser überleben ­ und 
er stellt die Abhängigkeit von seinem Element nicht in Frage. 
»Was soll denn das? Bist du festgewachsen? Hast Wurzeln 
geschlagen?« Sie klang nicht wütend, eher verzweifelt. Sie 
seufzte und sagte: »Stu ­ Liebling ­ glaubst du wirklich, die 
Vigilanten lassen dich am Leben nach dem, was gestern passiert 
ist? Einer von ihnen konnte abhauen. Du hast eine ganze Reihe 
von diesen Schweinen umgelegt, erinnerst du dich? Sie sind tot. 
Und du hast sie ­« 
»Schon gut«, sagte Cole und verzog das Gesicht. 
»Sie werden dich umbringen, so einfach ist das.« 
»Sie werden mich nicht finden. City wird mich beschützen.« 
»Vielleicht. Solange er dich gebrauchen kann. Aber hör doch 
mal zu, du weißt, dass er gegen ITC nichts ausrichten kann, und 

ITC wird von seinen Feinden gesteuert ­ die jetzt auch deine 
Feinde sind ­, und die werden dir den Zugriff auf das bisschen 
Geld sperren, das dir noch geblieben ist. Sie werden deinen 
Club dichtmachen. In deine Wohnung kannst du auch nicht 
mehr. Sie liegen dort auf der Lauer.« 
Cole starrte sie an. Er wurde von Entsetzen überwältigt, wie 
ein Mann, der gerade merkt, dass ihm jemand seinen Schwanz 
weggeschossen hat ... 
»O Himmel«, sagte er leise. Ein Mann, der nicht kreditwür-
dig war, hörte auf zu existieren. Ohne seine Karte, ohne sein 
Konto ­ gesellschaftliche Kastration. 
»Aber ­«, sagte er unvermittelt und spürte einen Knoten im 
Hals. »In einer anderen Stadt wäre das auch nicht besser. Dort 
hätte ich auch kein gottverdammtes Konto!« 
»Anfangs nicht. Aber du könntest darauf hinarbeiten. Du 
könntest bei mir in ­ ich habe in Chicago ein Konto. Darauf 
zahle ich schon seit Jahren ein. Dort könnten wir für dich auch 
einen Kredit beantragen ­ ich weiß aus sicherer Quelle, dass die 
Mafia ITC in Chicago noch nicht in der Tasche hat. Die Stadt 
kennt sich mit organisiertem Verbrechen zu gut aus, sie haben 
von Anfang an Vorkehrungen getroffen.« 
Cole schritt im Zimmer auf und ab und seine Hände beweg-
ten sich in der Nähe seiner Lippen, als wollte er mit Gesten 
etwas ausdrücken, was seine Lippen nicht in Worte fassen 
konnten. »Hey ­ es ist nicht ­ Mist ­ ich glaube ­« Er fuhr sich 
mit zitternden Fingern durch die Haare und versuchte eine 
Begründung für sein Bleiben zu finden, etwas, was Catz gelten 
lassen würde. Warum war es so schwer, ihr das zu erklären? Er 
konnte City nicht verlassen. Nicht jetzt. Vielleicht hatte er hier 

Wurzeln geschlagen, vielleicht gehörte er zu den Pflanzen, die 
abstarben, wenn sie nicht in heimischem Boden mit seiner 
besonderen chemischen Zusammensetzung wuchsen. Der 
Beton und seine San Francisco-spezifische Struktur; der Asphalt 
mit dem Schweiß-Blut-Kotze-Tränen-Samen der Menschen, die 
ihn beschritten, als mystisches Fundament; der Kupferdraht, 
der Asphalt, die Aluminiumfeuertreppen; jene eigenwillige 
Ansammlung von Türmen aus Glas und Stahl; die großen 
grauen hölzernen Ladys, die von Touristen für viktorianische 
Villen gehalten wurden; der Boden von San Francisco. »Du 
verlangst von mir, meine Identität herauszureißen und woan-
ders hin zu verpflanzen. Das würde mich umbringen.« 
Catz spielte ihre letzte Karte aus: »Du würdest lieber mich 
verlieren als City?« 
Cole wich der Frage aus. »Das ist nicht fair ­« 
»Scheiße nein, natürlich ist es nicht fair! Das Leben ist hart. 
Ich liebe dich und sie wollen dich  umbringen.  Er  wird  dich 
benutzen, verbrauchen und ausspucken.« 
»City würde nie ­« 
»City benutzt dich!« 
»Das kannst du nicht wissen!«, brüllte er wild. Er drehte sich 
um und schaute ihr in die Augen. »Du kannst nicht sicher sein!« 
Sie schüttelte den Kopf. »Warum hat er dir nicht geholfen, 
als du ihn um Hilfe gebeten hast, um mich  zu retten? Und 
warum hat er gelogen, von wegen es würde niemand sterben 
müssen?« 
Eine kalte Entschlossenheit ergriff von Cole Besitz. Er hob 
eine Hand, die Handfläche nach außen gerichtet, eine emphati-
sche Geste. Sie schwieg und wartete. Er sagte: »Ich weiß. Ich 

weiß.  Aber was soll ich machen. Ich liebe dich. Ich liebe dich, 
Catz. Wahrscheinlich benutzt er mich ­ ziemlich sicher sogar. 
Und ich weiß, dass ich dich liebe. Aber mir bleibt keine Wahl. 
Ich bin diese Verpflichtung vor langer Zeit eingegangen. Daran 
muss ich mich halten. Ich bin dazu auserwählt.« 
»Du machst mich krank. >Auserwählt.< Das ist die Ausrede 
von Terroristen, von Diktatoren und religiösen Fanatikern ­ 
und dahinter versteckt sich immer etwas sehr Egoistisches. Ich 
weiß ­ gleich sagst du: >Catz, du verstehst mich einfach nicht.< 
Ich verstehe wohl ­ und ich werde es nicht hinnehmen. Ich 
weigere mich, mich von ihm ausnutzen zu lassen. Ich bin 
durchaus bereit, mit den Stadtgeistern zusammenzuarbeiten, 
wenn ich das Gefühl habe, es ist richtig. Mit einigen stehe ich in 
Verbindung. New York und Chicago. Ich habe mit ihnen 
kommuniziert. Sie sind ebenso lebendig wie City ­ wie deine 
Stadt. Sie sind nicht so aktiv, aber sie schmieden Pläne. Ich 
glaube, dass sie etwas vorhaben ... gemeinsam. Sie verkehren 
auf einer Ebene miteinander, die ... na, jedenfalls, wenn du ­« 
»Catz ...« 
»Wenn du der Meinung bist, dass er nicht ­« 
»Catz.« 
»Was ist?« 
»Ich habe gesagt, dass ich weiß,  dass er mich ausnutzt. Das 
steckt in mir drin. Irgendwie eingebaut. Ich muss. Okay?« 
Sie starrte ihn benommen an. »Nein. Nicht okay. Es ist ver-
dammt noch mal nichts okay. Du wirst im Hintergrundrau-
schen untergehen.« 
»Im was?« 
»Das ist der grundsätzliche Unterschied zwischen uns. Einer-

seits bist du ein Außenseiter, ein Nonkonformist, ganz wie du 
willst. Andererseits willst du das gar nicht sein. Du möchtest 
dazugehören. Du möchtest zu einer Gemeinschaft gehören, eine 
gute Drohne innerhalb des Bienenstocks abgeben ­« 
»Schwachsinn, du Schlampe!« 
»Ganz tief in dir drin willst du genau das. Gib es zu. Deshalb 
läuft mit dir und City alles so glatt. Du möchtest dich mit ihm 
identifizieren. Nun gut, ich möchte mich nicht mit ihm identifi-
zieren ­ oder mit sonst irgendeiner Menschenansammlung. Ich 
habe Angst, mich selbst darin zu verlieren. Ich bin fast nichts ­ 
jeder  ist fast nichts ­, doch dieses bisschen ist mir lieb und 
teuer, und ich werde es nicht an City verlieren. Ich kann es auch 
nicht ertragen, wie das mit dir geschieht. Vielleicht bin ich 
eifersüchtig. Aber ich kann nicht hier bleiben und zuschauen. 
Ich glaube sowieso, dass er mich töten wird. Schließlich würde 
ich dich immer von ihm fortziehen ... Hör mal, so zersplittert 
gerade alles ist und so sehr die Kultszene auch boomt ­ die 
Neopuritaner, die Neopunks ­, das sind doch alles nur Modeer-
scheinungen. Trendscheiße. Sogar Angstrock.  Ich bin kein 
Angstrocker, das ist schlicht eine Schublade, in die ich gesteckt 
werde. Ich kann mich mit nichts davon identifizieren. Damit 
wollen sie doch nur alles zukleistern.« 
»Aber ein Teil von City zu sein beschränkt sich nicht darauf. 
Klar geht es da auch um einen Gedankenaustausch, aber das ist 
alles freiwillig und ganz normal ­« 
»Nein, er wiegt dich nur in diesem Glauben.« 
Eine Weile herrschte angespanntes Schweigen. Sie betrachte-
te ihn nachdenklich. 
»Du verschwendest deine Zeit«, sagte er. 

»Ja. Das merke ich auch. Es ist zu spät, für dich ... Hör zu, 
ich verschwinde. In Chicago gibt es einen Typ, der mich produ-
zieren möchte, wenn ich ein brauchbares Demo vorweisen 
kann. Also gehen wir ins Studio --« 
»Ihr wollt eine Platte aufnehmen? Wer  wird denn hier Teil 
der großen Gleichförmigkeit? Du willst dich an die verkaufen, 
die ­« 
»Nein. So kann ich viel mehr Menschen erreichen. Ich werde 
wider jegliche Anpassung predigen ­« 
»Sie werden dein Bild in Dosen abfüllen und Tausende von 
Postern produzieren lassen ... es wird den Catz-Wailen-Look 
geben.« 
»Heb dir deinen Sarkasmus für dich selbst auf. Der ist nicht 
übertragbar.« Sie zitterte. »Scheiße«, sagte sie leise. 
Dann ging sie ins Badezimmer und drehte den Wasserhahn 
auf, damit er nicht hören konnte, wie sie weinte. 
Später Nachmittag. Kurz vor Einbruch der Dämmerung. Als 
Vorspiel verdunkelten sich die zerklüfteten Wolken am Him-
mel. 
Cole stand allein auf dem Flughafen von San Francisco und 
sah zu, wie Catz' Flugzeug nach Chicago seinen Schwung dem 
Luftdruck anpasste und himmelwärts glitt. (Nein, Cole war 
eigentlich nicht allein; aber die Menschen um ihn herum waren 
nicht einfach nur Fremde ­ viel wichtiger war, dass sie nicht aus 
San Francisco stammten. Nicht aus Coles Stadt. Aliens.) 
Tief in seiner Tasche hielt er den Zettel umklammert, auf den 
sie eine Telefonnummer in Chicago gekritzelt hatte ... Die 
ganze Band war mit ihr gegangen. Der rattengesichtige Bassist 
hatte sich beschwert, er hätte seine Zimmermiete bereits einen 

Monat im Voraus bezahlt. Es war Catz nicht schwer gefallen, 
ihn zu überreden, Cole den Schlüssel zu geben. 
Vielleicht irrte sie sich: Vielleicht hatten sie sein Konto nicht 
vollständig gesperrt. Vielleicht gehörte sein Club noch ihm. 
»Für 'n Arsch«, sagte er laut. 
Der Jet wurde von der niedrig hängenden Wolkenbank ver-
schluckt, Wolken, die sich wie ein großer, bedrohlicher Fla-
schengeist über dem Flughafen zusammenbrauten. Catz war 
fort. 
Sie war fort und ihn hatte es nach San Jose verschlagen, weg 
von City. Er schaute sich um. Fremde Leute, massenweise. Er 
war extrem allein. 
Er unterdrückte die aufsteigende Panik, wandte sich um und 
trabte zu einem Aufzug, über dem AUSGANG ZUR STRASSE 
und NAHVERKEHRSZÜGE stand. 
 
Cole betrachtete den ITC-Bildschirm in der öffentlichen Zelle 
mit einer gewissen Befriedigung. KONTO AUFGELÖST, stand 
da. Nicht einfach nur KONTO GESPERRT. Kein bloßes DER-
ZEIT KEINE AUSZAHLUNG MÖGLICH. Für ihn genügte das 
nicht. Für Stuart Cole musste schon der selten verwendete 
Bannspruch KONTO AUFGELÖST herhalten. 
Normalerweise sparten sie sich das für verurteilte Terroristen 
auf. 
»Sie hatte Recht«, sagte er, als er die Ziehharmonikatür der 
Zelle zusammenschob und auf die Straße trat. Er stand an der 
Ecke Market und Sutter im Schatten des unbeleuchteten Vor-
dachs des Kinos für »Therapeutische Erotika«, dessen Schild 
DISZIPLINIERUNGEN WÄHREND DER VORFÜHRUNGEN/ 

ALLE SITZE FÜR VERSIERTE THERAPEUTEN AUSGERÜ-
STET verhieß. »So versiert wie der Esel um den Brunnen geht«, 
murmelte Cole und wandte sich ab. 
KONTO AUFGELÖST ... Die Konsequenzen seiner jüng-
sten Vergangenheit begannen ihn einzuholen. 
Langsam ging er die Straße hinunter, jeder Schritt ein 
schmerzhaftes Knautschen in seiner Brust. Der Schmerz, der an 
ihm fraß, war die Qual der Zurückweisung durch eine ganze 
Gesellschaft. 
»Warum infizieren sie einen nicht einfach mit Lepra?«, über-
legte er laut. 
Er kam an einem Obdachlosen vorbei, der in einem nacht-
schwarzen Eingang lag. Sogar die Säufer, dachte Cole, haben ein 
Konto. Oder zumindest eine Nummer vom Sozialamt für eine 
Lizenz zum Betteln oder eine Invalidenrente. Ich dagegen nicht. 
Ich stehe jetzt unter ihnen. 
Er kam an einer Telefonzelle vorbei, starrte sie an und warte-
te. Er wurde nicht enttäuscht: Das Telefon klingelte. »City?«, 
sprach er in den Hörer. Ein Teil des Schmerzes fiel von ihm ab. 
»Benny?«, sagte eine Stimme mit spanischem Akzent. »Hast 
du das Zeug?« 
Cole fluchte so heftig, dass er gar nicht merkte, was er eigent-
lich schrie, warf den Hörer hin und stapfte davon. »City ...«, 
sagte er. Es klang wie ein Seufzer. Er schaute sich um. Angst 
schlang sich um die Zurückweisung. 
City  hatte  sich  von  ihm  getrennt.  Cole  fühlte  sich  ohne  die 
gewohnte Verbindung zu seinem städtischen Umfeld isoliert. 
City bestrafte ihn. 
Vielleicht war es das für mich, für immer. Vielleicht hat er je-

mand anders gefunden, der besser für diese Aufgabe geeignet ist. 
Er hat mich endgültig abgeschrieben. 
Eine Straßenbahn kam von links den Hügel herunter. Die 
Oberleitungen sprühten Funken und schaukelten, als sie lang-
samer wurde, um Fahrgäste aussteigen zu lassen. Sie nahm 
wieder Fahrt auf und rumpelte bis auf zwanzig Meter an ihn 
heran. Sie würde bei dem Gefälle kaum noch rechtzeitig brem-
sen können. Das war die einzige Möglichkeit, sich Klarheit zu 
verschaffen, herauszufinden, wie City jetzt zu ihm stand. 
Cole rannte auf die Straße und spürte kalten Schweiß auf sei-
ner Stirn. Er hatte Angst. Große Angst. Angst vor dem Tod. 
Doch es war besser, tot zu sein, als diese Beleidigungen ertragen 
zu müssen, wehrlos gefangen wie ein Versuchstier im Glas. Er 
warf sich vor der Straßenbahn flach auf den Boden, kniff die 
Augen zu und versuchte mit den Händen seine Ohren vor dem 
Quietschen der Räder zu verschließen. Die Fahrgäste kreisch-
ten. Er roch das Ozon der elektrischen Oberleitungen. Die Bahn 
warf ihren Schatten auf ihn, den dunklen Schatten des Todes. 
Und dann platzte die Straße auf. 
Cole wurde den Hügel hinabgestoßen. Er rollte nach rechts 
und sah aus den Augenwinkeln ein gewaltiges Rohr, das aus der 
Straße spross, zwischen ihm und der Straßenbahn ­ die mit 
dem Rohr kollidierte. Die hinteren Räder sprangen aus den 
Schienen, als sie sich zur Seite krümmte. Cole streckte eine 
Hand aus und blieb schlitternd liegen. 
Grinsend vor Schmerz stützte er sich auf seine aufgeschlage-
nen Knie und kam auf die Füße. Die Straßenbahn hatte sich 
gedreht und stand jetzt quer auf der Straße. Sie war nicht umge-
fallen. Niemand war ernstlich verletzt. Menschen rannten auf 

ihn zu; ihre wütenden Gesichter schienen ihren Körpern vor-
auszueilen. Andere standen einfach da und glotzten die riesige, 
mannsbreite Röhre an, die das Fahrzeug aufgehalten hatte, zwei 
Sekunden bevor Cole zerquetscht worden wäre. 
»Hee ­ was zum Teufel ­«, brüllte der Schaffner und kam auf 
Cole zugestürzt. 
Ein Taxi wendete über den Mittelstreifen, nachdem es an Co-
le vorbeigefahren war, und bremste, so dass die Türen auf der 
Fahrerseite einladend aufgingen. Cole schwang sich hinein und 
das Taxi fuhr ruckartig an. Er saß keuchend auf dem Fahrersitz. 
Es gab keinen Fahrer. 
»City ...«, sagte Cole leise und schmeckte das Salz seiner ab-
surden Tränen auf der Zunge. 
 
Das führerlose Taxi trug ihn davon. Wohin?,  fragte sich Cole. 
Zwei Blocks weiter blieb es stehen. Cole wandte sich um und 
begutachtete das Wohnhaus im Tenderloin-Viertel. Hoch, 
schmal, schmutziggelb. Die Ellis Street wimmelte von fremden 
Menschen, aber Cole war nicht mehr allein. Er schloss die 
Augen und spürte, wie sechs Straßen weiter südlich ein Hub-
schrauber von einem Dach abhob. In der Finsternis hinter 
seinen Augenlidern konnte er die Autos der Pendler im Norden 
und im Süden sehen, alle fuhren mit dem gleichen Abstand und 
der gleichen Geschwindigkeit, als würden sie von einer unsicht-
baren Strömung getragen. Als wären die Autos einmal mehr 
rote Blutkörperchen, die im Blutkreislauf schwammen. Er 
spürte, wie ein Zug unter seinen Füßen hindurchfuhr, wie es in 
den Röhren entlang der U-Bahn-Tunnel sprudelte und plät-
scherte, wie die Elektrizität in Tausenden von Kilometern 

miteinander verbundener Kabel knisterte. Er konnte den rei-
ßenden Strom in den Abwässerkanälen riechen und die widerli-
chen Abgase tausender Verbrennungsmotoren, die sich mit 
Hunderttausenden von Essensausdünstungen mischten. Für 
Cole war das alles Parfüm. 
Er öffnete die Augen und ging nach oben. 
Er fand die Wohnung, indem er die Briefkästen absuchte. 
Catz' Bassist hatte seinen Künstlernamen auf den Briefkasten 
geklebt: I.M. Dedd. Apartment vierzehn. Cole stapfte durch den 
heruntergekommenen, mit Weinflaschen und durchnässtem 
Toilettenpapier übersäten Flur, betrat den schmiedeeisernen 
Fahrstuhl, der mindestens achtzig Jahre alt war, und zog das 
Gitter hinter sich zu. Er ignorierte das Schild, auf dem AUSSER 
BETRIEB stand. Und der vor langer Zeit stillgelegte Fahrstuhl 
bewegte sich ruckweise aufwärts, mit vor Rost kreischenden 
Seilen und Rollen. Im zweiten Stock stieg Cole aus und schenkte 
der alten Frau, die mit überquellenden Plastiktüten vor ihm 
stand, ein angedeutetes Lächeln. »Das gottverdammte Ding hat 
seit zehn Jahren nicht mehr funktioniert«, sagte sie und be-
trachtete ihn mit wässrigen Augen, als wäre er eine Kakerlake in 
Menschengröße. 
»Funktioniert immer noch nicht«, sagte Cole und drückte 
sich an ihr vorbei. »Versuchen Sie nicht, damit zu fahren.« Und 
dachte: Verflucht! Ich bin aufgefallen. 
Der Flur stank nach Urin, Schimmel und Mäusen. Der Läu-
fer mochte einmal rotbraun gewesen sein; jetzt hatte er die 
Farbe eines viel benutzten Lehmpfades angenommen. 
Er fand Nummer vierzehn. Die Tür war nicht abgeschlossen; 
er steckte den Schlüssel weg und trat ein. 

Eine typische Zweizimmerwohnung: Wohnzimmer, Schlaf-
zimmer, Bad, Küchenzeile. Ein First Tongue-Poster löste sich 
wie ein riesiges altes Heftpflaster von der  brüchigen grünen 
Wand. Sonst gab es nicht viel zu sehen. Ein Pappkarton mit 
schmutzigen zerknitterten Kleidern, ein ausgefranster Gitarren-
gurt, leere Bierdosen, ein klobiges schwarzblaues Sofa mit 
Backsteinen an Stelle von Beinen. Im Schlafzimmer lag eine 
nackte Matratze voller Brandlöcher auf dem Boden, der beun-
ruhigend weit durchhing, daneben eine Spritze von der Dro-
genhilfe und ein Fernsehapparat ... ein altes Gerät aus einer 
Zeit ohne Videotext und Cyberlinks. An der Seite gab es keinen 
Kartenschlitz. Jemand (Catz?) hatte den Fernseher angelassen. 
Der Ton war abgeschaltet, doch der Gouverneur hielt mit 
lautlosem Elan eine Pressekonferenz und schaukelte vor dem 
Wald von Mikrophonen auf dem Podium energisch vor und 
zurück. Cole drehte den Ton auf und setzte sich auf die Matrat-
ze, die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Kinn in die Hand-
flächen gelegt. Er hörte mit halbem Ohr zu und wartete darauf, 
dass City auftauchen würde. Der Gouverneur sagte gerade: 
» ... ich halte es im Augenblick für höchst verfrüht, davon zu 
sprechen, dass die Städte >sterben< ... obwohl sicherlich richtig 
ist, dass die Städte sich verändern, und zwar in durchaus extrem 
zu nennender Weise.« Der Gouverneur war noch jung und trug 
sein farbloses Haar nach hinten gekämmt. Seine goldene Dril-
lingskrawatte hob sich elegant von seiner braunen Weste ab. 
»Die derzeitige Entwicklung wird, äh, wohl noch zunehmen 
und, wie Sie angemerkt haben«, er lächelte den Reporter an, der 
die Frage gestellt hatte, »weist die Bevölkerungsentwicklung 
einen Trend weg von den so genannten Ballungsgebieten auf. 

Die Menschen verteilen sich weitläufiger. Die Telekom hat wie 
immer die, äh«, an dieser Stelle räusperte er sich und warf einen 
Blick auf seine Notizen, »hat wie immer die Zeichen der Zeit 
erkannt und eröffnet nun eine Multifunktionsniederlassung, die 
sich in neunzig separaten Zweigstellen überall auf die Vorstädte 
verteilt, wobei sich jede Zweigstelle in der Wohnung von insge-
samt fünfundvierzig Managern und fünfundvierzig Assistenten 
befindet, die alle über ein Fiberglasterminal verfügen. 
Es gibt schlicht keine Verwaltungsarbeit, die nicht mit Hilfe 
eines Techlink-Terminals bewältigt werden könnte. Und ­ alles 
kann schneller erledigt werden, da niemand mehr in irgendwel-
chen Verwaltungsgebäuden herumlaufen oder Formulare 
ausfüllen muss. Langfristig wird dabei sogar Energie gespart, 
denn niemand muss mehr durch die Gegend fahren. Die Liste 
der Vorteile ist zu lang, als dass ich sie hier alle aufzählen könn-
te.« 
Er warf einen Blick auf seine Notizen. »Aber was für Auswir-
kungen hat das? Da sämtliche Büroarbeit, alle finanziellen 
Transaktionen und die gesamte Datenverarbeitung von Tech-
link-Terminals aus bewältigt werden kann, in Zusammenarbeit 
mit ITC, und da sich diese Terminals ­ um ein extremes Bei-
spiel anzuführen ­ auf der anderen Seite des Planeten befinden 
könnten und immer noch funktionieren würden, gibt es keinen 
Grund mehr für die freie Wirtschaft, die diese, äh, Maschinen 
verwendet, ihr Personal in den Städten zu konzentrieren ... 
Lagerhaltung, Lebensmittelvertrieb, Transport ­ all dies wird 
zunehmend automatisiert ... Visionäre sehen für, sagen wir, das 
nächste Jahrhundert eine Nation elektronisch verlinkter Klein-
städte voraus, ordentlich und mit viel Platz, sauber und wohn-

lich, ohne die Verhältnisse, die zu den bekannt erbärmlichen 
Zuständen führen ... Diejenigen, die sich im Augenblick noch 
von körperlicher Arbeit ernähren, werden auf den Solarzellen-
feldern oder den hydroponischen Farmen eine vergleichbare 
Tätigkeit finden. Das System, das die Menschen in den Städten 
zusammendrängt, erweckt den Eindruck, wir wären überbevöl-
kert. Dabei wird der größte Teil der verfügbaren Fläche in den 
USA eigentlich gar nicht genutzt. Wenn die Menschen besser 
verteilt ­« 
»City«, sagte Cole und schluckte. Es kam sehr plötzlich. 
City war da, der Gouverneur verschwunden. City war deut-
lich größer, als Cole ihn je gesehen hatte, seine reglosen Ge-
sichtszüge füllten den Bildschirm ganz aus. Seine verspiegelten 
Augen blieben unergründlich. »Verstehst du?«, fragte City. 
»Verstehst du?« 
Cole schüttelte den Kopf. 
»Du hast doch gehört, was er gesagt hat«, beharrte City. »Die 
Leute von Techlink stecken mit ITC unter einer Decke, sie 
haben die Hundesöhne in der Tasche. Der Gouverneur ­ gehört 
ihnen.« Citys Stimme zitterte vor unbändiger Wut. »War das 
nicht offensichtlich?« 
»Doch ...« sagte Cole nachdenklich. »Jetzt, wo du es sagst. Er 
hat diese Dezentralisierungs-Geschichte wirklich heftigst ge-
puscht. Und natürlich hätten Techlink und ITC ein Monopol, 
wenn das durchgeht, und alle wären von ihnen abhängig.« Cole 
murmelte das monoton vor sich hin und dachte: City ist allum-
fassend, unzerstörbar, cool und doch menschlich, so perfekt wie 
ein Filmstar. Wie kann Catz an ihm zweifeln? 
Doch Cole war schlagartig wieder bei der Sache, als City sag-

te: »Es will uns töten.« 
Cole fuhr leicht zurück. »Äh ­ Wer? Wer will wen töten?« 
City deutete ein Nicken an. »Die Verbindungen. Die Compu-
ter. Der Krebs in meiner Brust. Das muss alles zerstört werden ­ 
ITC, Techlink. Sie wollen die Menschen gleichmäßig über das 
Land verteilen. Geometrisch ausgewogen wie Sechsecke in 
einem Bienenstock.« 
»Die Stadt ist auf ihre Art auch geometrisch«, sagte Cole re-
serviert. 
»Die Geometrie der Stadt kommt von den Mauern, die durch 
Konkurrenz entstehen, und das ist die Konkurrenz der privat-
wirtschaftlichen Unternehmen. Hier lässt Metall seine Muskeln 
spielen ­ die Alternative wird ruhig, effizient und stumpfsinnig 
sein. Wenn ITC und Techlink sich durchsetzen, wird es für 
Städte keinen Bedarf mehr geben. Uns  wird niemand mehr 
brauchen. Die Mafia ist begeistert von dieser idiotischen Gleich-
förmigkeit ­ sie erleichtert es ihr, an uns heranzukommen, uns 
wehrlos zu erwischen. Das organisierte Verbrechen gedeiht 
unter dem Deckmantel der Ordentlichkeit, wenn es erst einmal 
über eine legale Fassade verfügt ­« 
»Das ­ mag schon sein«, sagte Cole unsicher. 
»Du  glaubst  mir nicht?« Citys Gesicht auf dem Bildschirm 
dehnte sich aus, bis fast nichts mehr übrig war außer der Spie-
gelbrille, seinen Augenbrauen und seiner Nase. 
Erschüttert richtete Cole sich auf und stützte sich auf seine 
Ellbogen. »Klar doch. Ich glaube dir ­ ich weiß nur nicht so 
genau, ob diese Kleinstädterei es den Ganoven leichter machen 
wird. Im Falle einer allgemeinen Dezentralisierung müssten sie 
mit ihren Jungs eine ziemlich große Fläche abdecken. Ich habe 

eher den Eindruck, dass Techlink in Konkurrenz zu ITC steht, 
und ­« 
City sagte: »Willst du mich wieder verraten?« 
Cole erbebte angesichts dieses Vorwurfs und wandte seinen 
Blick ab. »Hey, damit wollte ich nicht ­« 
»Mit dieser Frau. Du bist weggegangen. In eine andere Stadt. 
Ich hätte deine Hilfe gebrauchen können. Du hast auf sie ge-
hört. Was ist mit uns?« 
Und da spürte Cole die wunderbar verseuchte, herrlich ver-
kommene, geschmeidige und doch scharfkantige Präsenz der 
Stadt. Die Blaupausen hinter seinen Augenlidern, das Geflecht 
der Macht und die Bevölkerungszentren, all das leuchtete in der 
geistigen Finsternis. In Cole glühte das nicht in Worte fassbare, 
tief greifende Gefühl vollständiger Zugehörigkeit und unzwei-
felhafter Identität, als er sagte: »Wir treten ihnen entgegen.« 
 
Es musste eine Bombe sein. Es gab einige Orte, an die City 
kaum herankam, in seinem Inneren, so wie ein Mensch nicht 
die Funktion jedes einzelnen Organs steuern kann. City konnte 
die Zugänge zum Computer öffnen, aber er konnte ihn nicht 
zerstören. Nicht so, wie er eine Straße aufreißen oder einen 
Laternenpfahl umwerfen konnte. Aber Cole diente als Citys 
Hände. 
City hatte die Bombe besorgt. Cole hatte sie aus einem 
Schließfach im Busbahnhof geholt. Sie hatte die Form und 
Größe einer Konfektschachtel, nur in braunes Papier einge-
schlagen. Sie passte unauffällig und bequem unter seinen Arm. 
An einer Ecke befand sich ein schwarzer Knopf, der aus einem 
sauberen Schnitt im Papier ragte, und auf diesem Knopf befand 

sich ein weißer Strich. Wenn man den Knopf so drehte, dass er 
auf ein schwarzes Kreuz zeigte, das auf das Papier gemalt war, 
würde die Bombe nach einer Minute hochgehen. 
Die Bombe war klein, aber äußerst wirkungsvoll. Zumindest 
hatte City ihm das versichert. 
Cole  fragte  sich  nur  kurzzeitig, wer ­ welches menschliche 
Werkzeug ­ sie gebaut und wer sie für ihn bereitgelegt hatte. 
Im Augenblick stand er vor einem niedrigen Gebäude aus 
schwarzem Granitimitat: die Steuerzentrale der gesamten 
Datenbanken von ITC. Aus Loyalität zu City (und in dem 
Versuch, ITC zu diffamieren und seine eigenen Zweifel zu 
beseitigen) stellte sich Cole den großen unterirdischen Compu-
ter als eine gigantische schwarze Spinne vor, die zwischen 
Glasfaserkabeln hockte, ihrem elektronischen Netz ... 
In seiner Vorstellung spürte er das Summen des riesigen 
Rechners durch den Beton unter seinen Füßen hindurch. Er 
stand wenige Meter von der Südseite des schmucklosen Gebäu-
des entfernt auf dem Bürgersteig und schaute sich um. Er trug 
eine kurze schwarze Lederjacke, helle Jeans und Turnschuhe. 
Keine Maske ­ sie wussten, wer er war. Er stand im Dunkeln 
unter einer kaputten Straßenlaterne und wartete. 
Der Bürgersteig teilte sich, die City bot sich ihm dar. Der Be-
ton war mit einem kräftigen, aber kurzen Krach!  aufgeplatzt. 
Der Spalt wurde langsam größer, Zementbrocken verschwan-
den in der finsteren Öffnung und verursachten auf einer unbe-
kannten Oberfläche ein tickendes Geräusch. Der Riss wurde 
breiter, ein darunter liegendes Stockwerk teilte sich und augen-
blicklich drang ein gelber Lichtstrahl nach oben. Cole schob die 
Bombe in seine Jacke, neben die Pistole (von der er sich ge-

schworen hatte, sie nie wieder anzufassen). Mit einem Blick die 
leere Straße entlang ­ es war zwei Uhr morgens ­ ging er auf 
Hände und Knie und ließ sich in den Spalt hinab. Er sprang in 
das gelbe Licht, auf verbotenes Gelände. Er landete auf den 
Füßen und schaute sich um, während er nach seiner Waffe 
tastete. Doch hier war niemand. Aufgeschreckt von einem 
knirschenden Geräusch über sich sah er nach oben. Der Spalt in 
der Decke schloss sich. Er starrte den Korridor entlang, in 
Richtung des Granitgebäudes und der unterirdischen Compu-
terzentrale. 
Der Flur war beängstigend breit und hell; er fühlte sich frem-
den Blicken ausgesetzt. Doch hier war niemand. 
Er zog los, wobei er instinktiv leicht geduckt ging, obwohl 
ihn das weder geräuschloser noch weniger auffällig machte. Er 
kam an eine Kreuzung und schaute vorsichtig um beide Ecken, 
fand jedoch nur leere Korridore vor. 
Gelbe Lichtröhren und geflieste Böden zur Linken, Gelbe 
Lichtröhren und geflieste Böden zur Rechten. Wohin sollte er 
sich wenden? Wie zur Antwort blinkte links eine Lampe an und 
aus ­ danke, City. Er wandte sich nach links und zog seine 
Pistole ein Stück heraus, sodass sie leicht in seiner Handfläche 
lag. 
Er konnte spüren, wie die City überall um ihn herum vibrier-
te, wie ihr Widerhall von dem unterirdischen Gang eingefangen 
und verstärkt wurde. »Ich befinde mich unter seiner  Haut«, 
sagte er zu sich selbst. Er war von dieser enormen Intimität 
ganz trunken. Daher stellte er sich nicht die Frage: Was zum 
Teufel mache ich hier? Da noch nicht. 
Noch eine Kreuzung. Rechts blinkte eine gelbe Lampe. Auf 

einem Schild an der Wand stand: ITCCZ. Darunter wies ein rot 
aufgemalter Pfeil nach rechts. Er wandte sich in diese Richtung. 
Drei Schritte. Blieb stehen und packte die Waffe fester. 
Der Autosecur rollte direkt auf ihn zu, leicht vornüber ge-
beugt, die segmentierten Arme schwankten träge hin und her. 
»City«, flüsterte Cole. Das Ding rollte weiter auf ihn zu. »City?« 
Es machte einen höflichen Bogen um ihn und fuhr davon. 
Cole stieß pfeifend die Luft aus. »Danke.« 
Am Ende des Flurs befand sich eine Tür mit Stahlbeschlägen, 
die unpassierbar in die Wand zementiert war. In die Tür war 
ein Fenster mit einer kugelsicheren Drahtglasscheibe eingelas-
sen. Er schlenderte hinüber, schaute hindurch und verfluchte 
sein übersteigertes Selbstbewusstsein. Ein Wachmann mit einer 
grauen Baseballkappe auf dem Kopf zog gerade seine Waffe. 
Der Mann starrte ihn von der anderen Seite der Tür aus an. 
Die Tür rollte langsam beiseite und glitt in die Wand hinein. 
Als das Fenster vorbeischlitterte, sah Cole, wie der Wachmann 
ihn überrascht anschaute. City hatte den Öffnungsmechanis-
mus in Gang gesetzt, das verwirrte den Mann. City würde auch 
die Waffe des Wachmanns außer Gefecht setzen. 
Und von Cole erwartete er, dass er diesen fremden Menschen 
auf der Stelle niederschoss ... Cole zögerte, qualvolles Hadern. 
Die Tür verschwand vollständig in der Wand. Der Wach-
mann betrachtete seine Waffe in höchster Verblüffung: Sie 
funktionierte nicht. Hinter dem Mann ein langer Flur voller 
Chromstahl und Lichtpunkte: der Zentralrechner. 
Einen Augenblick lang herrschte völlige Stille, während die 
beiden Männer einander unschlüssig gegenüberstanden. Der 
Flur vibrierte, doch eigentlich war kein richtiges Summen zu 

hören. Die Computer waren geradezu unheimlich still. Endlose 
Reihen verchromter Geräte ­ ruhig, kalt, ihrer selbst gewiss. 
Schweigen in Chrom. 
Der Mann tat einen Sprung und Cole hob die Pistole. Aber er 
schoss nicht, denn der Wachmann war nicht in seine Richtung 
gesprungen, sondern seitwärts, wahrscheinlich wollte er einen 
Alarm auslösen. Einen Alarm, der nicht funktionierte. Als der 
Wachmann das begriff, sagte er: »Verdammte Scheiße!« Aber es 
schien ihn nicht weiter zu überraschen. 
»Meine Kanone funktioniert«, sagte Cole und zielte damit auf 
die Brust des Mannes. 
Der Mann trat einen Schritt zurück, starrte auf die Pistole 
und atmete schwer. Cole hatte jetzt Zeit zu registrieren, dass der 
Mann jung und schlaksig war, braun gebrannt mit langen 
Haaren. In seiner Freizeit ging er wahrscheinlich Surfen. Er sah 
kräftig aus. Seine blauen Augen wurden schmal, und er fragte: 
»Was ­ was läuft hier? Was hast du vor?« 
Cole biss sich auf die Lippen. Er spürte, wie City unsichtbar 
neben ihm stand und drängte: Leg ihn um leg ihn um leg ihn um 
leg ihn um ... 
»Nein«, sagte Cole. 
»Was?«, wollte der Mann erschrocken wissen. Seine Lippen 
zitterten. 
»Nichts. Wie viele Wachen gibt es noch?« 
»Sechs. Die meisten sind oben, machen Pause.« 
Sechs! City hatte einen guten Zeitpunkt abgepasst. »Leg dich 
flach auf den Boden«, befahl Cole. 
Der Mann gehorchte langsam. Irgendjemand wird sicher um-
kommen, wenn die Bombe hochgeht, dachte Cole, als er an dem 

Wachmann vorbeiging und das Päckchen gegen ein verchrom-
tes Gerät lehnte. Er zögerte. Seine rechte Hand zitterte über 
dem Knopf. 
Er zögerte ... und etwas traf ihn von hinten: Er war erneut zu 
selbstsicher gewesen. Er wurde mit dem Gesicht nach unten zu 
Boden geschleudert und der Wachmann warf sich auf ihn. Er 
spürte, wie sein Gegner die Finger seiner Schusshand zusam-
menquetschte, der sehnige Körper, die wütende Masse auf 
seinem Rücken. Der Wachmann versuchte verzweifelt, Cole am 
Boden zu halten, ihm die Pistole zu entwinden. Krampfhaft 
drückte Cole zweimal ab. Die Schüsse erschreckten den Wach-
mann, sein Griff lockerte sich und Cole nutzte die Gelegenheit, 
sich wegzurollen. Er hielt die Pistole fest umklammert und 
sprang auf die Füße. Er drehte sich um, rannte durch die Tür 
und sprintete den Flur entlang. Hinter sich hörte er Schreie. Die 
anderen Wachen waren von den Schüssen alarmiert worden. 
City würde die Stahltür rechtzeitig schließen ­ das würde einige 
von ihnen aufhalten. Cole keuchte, schmeckte Eisen, seine 
Lungen brannten. Er donnerte den Flur hinunter und schlitterte 
um die Kurven. Der Klang seiner hastenden Schritte war ihm 
zuwider. 
Über ihm in der Ferne jaulten Sirenen. 
Cole wandte sich nach links, stürzte den Gang hinunter und 
bog rechts ab. Er wusste nicht mehr so genau, wohin er rannte. 
Eine Tür flog vor ihm auf. Er raste hindurch, ein paar Betonstu-
fen hinauf und fand sich in einem Heizungskeller direkt unter-
halb der Straße. Er schlängelte sich zwischen Röhren und 
Leitungen hindurch, entdeckte eine Stahlleiter, kletterte unbe-
holfen hinauf ­ die Pistole war ihm im Weg ­ und griff mit der 

linken Hand nach oben, um mit dem Rad der Bodenluke zu 
kämpfen. Die Luke drehte sich und öffnete sich allzu leicht: 
Citys Unterstützung. Er kletterte in die nächtliche Finsternis 
hinauf und sog dankbar die kühle oberirdische Luft ein. Er 
befand sich in einer Ladezufahrt hinter dem Gebäude aus 
schwarzem Granitimitat. Lichter blitzten die Straße hinunter, 
Sirenen rasten vorbei und heulten wie fliegende Gespenster, um 
die Ecke ertönten Schreie. Ein Scheinwerferpaar schwenkte 
bedrohlich in die Gasse ein. Das Fahrzeug füllte die schmale 
Durchfahrt auf der ganzen Breite aus und raste auf ihn zu. 
Panisch und fluchend suchte er nach einem Schlupfwinkel. 
Umsonst. Das Auto fuhr weiter auf ihn zu. Seine Umrisse waren 
im grellen Gegenlicht der Scheinwerfer kaum zu erkennen. Er 
drückte sich flach gegen die Wand. Es blieb keinen halben 
Meter vor ihm stehen. Die Scheinwerfer gingen aus. Ein leeres 
Taxi mit einer offenen Tür. »Gott sei Dank«, keuchte Cole und 
tapste durch den roten Nebel der Erschöpfung zur Fahrerseite. 
Besser, er setzte sich auf den Fahrersitz, damit niemand das 
führerlose Taxi bemerkte. Die Tür knallte zu, ein Gang legte 
sich ein, die Scheinwerfer gingen an und das Lenkrad richtete 
sich aus, während das Taxi rückwärts aus der Gasse und auf die 
Straße fuhr. 
Sie schossen nach rechts. Zu schnell, dachte Cole. Er wird 
auffallen, wenn er sich so beeilt. Fast sofort hängten sich zwei 
Streifenwagen an ihn dran. Das Taxi erhöhte seine Geschwin-
digkeit (sowohl Cole als auch City wussten, dass niemand diese 
Kreuzung überqueren würde) und raste den fast leeren Boule-
vard hinunter. Lichter glitten Kometen gleich vorbei, im Wech-
sel mit schattigen Stellen, Licht/Finsternis/Licht/Finsternis, yin, 

yang, yin, yang, Finsternis/Licht; und im Rückspiegel sah er die 
wirbelnden Gummikugeln der beiden Streifenwagen wie zwei 
rote dämonische Augenpaare Seite an Seite hinter ihnen her-
heulen. Citys Stimme drang aus dem Radio: »Du hast ihn nicht 
umgebracht, und du hast die Bombe nicht scharf gemacht.« 
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich kein gottverdammter Ge-
heimagent bin«, sagte Cole, verletzt über die Andeutung eines 
Treuebruchs. 
Die Polizeifahrzeuge holten auf. Ein weiterer Streifenwagen 
schoss aus einer Seitenstraße und schloss sich der Jagd an. Bald 
würden sie vor ihm eine Straßensperre errichten. 
City griff ein. Die Streifenwagen wurden langsamer, bis sie 
fast standen, und fingen an, absurde Achter umeinander he-
rumzufahren, einer hinter dem anderen, unablässig im Kreis 
herum. Cole schaute im Rückspiegel zu und lachte. Wie sie das 
wohl in ihren Berichten erklären würden. »>Ich hatte das Ge-
fühl, der Wagen würde tanzen, Sir!<«, höhnte Cole. 
Das Taxi blieb ruckartig stehen; Cole wurde nach vorne ge-
schleudert, packte hastig das Steuer und entging um Haares-
breite einer bösen Schädelprellung. Direkt vor ihnen blockier-
ten zwei Streifenwagen die Straße. Aus einem Lautsprecher 
quäkte es: »BLEIBEN SIE, WO SIE SIND ­« 
Plötzlich drang an Stelle der barschen Stimme Musik aus 
dem Lautsprecher und die Fahrzeuge begannen im Kreis he-
rumzufahren, Schnauze an Hintern. Mainstreampop schallte 
aus dem Lautsprecher, ein Stück, das vor einem Jahr ein Hit 
gewesen war: 
 
 

Come on baby let's go round and round 
Come on baby all over town 
Come on baby round and round ... 
 
Cole saß lachend da, als das Taxi um die nächste Kurve bog. 
Der Wagen hatte ein gemächlicheres Tempo eingeschlagen und 
beförderte ihn zu der Wohnung im Tenderloin-Viertel. In 
Coles Lachen lag eine Spur von Hysterie. 
 

SIE-bähn! 
 
Cole saß an einem
 finsteren Ort über der City, zwischen 
Abfällen, und betrachtete den nächtlichen Lichterteppich der 
Großstadt, der sich unterhalb des großen Fensters erstreckte. 
Zu seiner Rechten: ein lautlos flackernder Fernsehapparat, der 
unablässig lief. Zu seiner Linken: eine halb leere Literflasche 
Bier und eine halb gerauchte Zigarre, deren Glut ihre Hitze 
längst an die Welt abgegeben hatte. In seinem Schoß: eine 
Waffe. 
City hatte ihm ein leeres Penthausapartment in Rackham 
Arms besorgt, um ihn vor der Polizei und den Vigs zu verstek-
ken ­ irgendjemand würde mit Sicherheit sämtliche Örtlichkei-
ten durchsuchen, die mit Catz Wailen zu tun hatten. Der ei-
gentliche Mieter des Penthauses hatte den Sommer über die 
Stadt verlassen; niemand schien Coles Kommen und Gehen in 
Frage zu stellen, da der Besitzer die Wohnung regelmäßig an 
Freunde verlieh. Das Apartment war gut mit Essen und Geträn-
ken ausgestattet, die Gefriertruhe war randvoll mit Fleisch, in 
den Schränken drängten sich die Dosen. Als Cole die ver-
schwenderische Ausstattung und die von einem Innenarchitek-
ten gestalteten Räume sah, fasste er sofort eine Abneigung 
gegen den Fremden, der hier zu Hause war. Vor einem Mann, 

der nicht genug Einbildungskraft besaß, um seine eigene Woh-
nung einzurichten, hatte Cole keinen Respekt. Inzwischen 
schmückten leere Dosen und Packpapier und Flaschen und 
Geschirrstapel das Zimmer und lenkten etwas von den teuren 
Möbeln ab. 
Nachdem City ihm das Apartment besorgt hatte, war er ver-
schwunden. Cole war allein. Er fühlte sich vom urbanen Geist 
umgeben wie vom Hintergrundrauschen eines Radios, doch 
ohne klare Konturen. Cole wartete seit drei Tagen, er hatte die 
Wohnung nicht ein einziges Mal verlassen. Er wartete auf eine 
Nachricht von City. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick auf den 
Fernseher in der Hoffnung, dass Citys unerschütterliche Ge-
sichtszüge dort auftauchten. Doch es war bereits Samstag und 
er hatte noch nichts von ihm gehört. Die Ereignisse der vergan-
genen Woche hatten in Coles Erinnerung eine traumhafte 
Qualität angenommen und er bekam allmählich Zweifel an der 
Wirklichkeit außerhalb des Fensters ­ eines Fensters, das eine 
ganze Wand des Apartments einnahm. Tagsüber schlief er, 
nachts stand er auf und wartete. 
»Aufstehen und warten.« Cole führte wieder Selbstgespräche. 
»Blöde. Blöde.« Er saß im Schneidersitz auf dem Teppich, dicht 
an der Fensterfront. Das Zimmer war dunkel mit Ausnahme 
des plasmisch blauen Flackerns des Fernsehschirms. Cole hatte 
ihn auf schwarzweiß umgestellt ­ die Farben lenkten ihn ab, 
weckten in ihm die Ungeduld, in die Welt hinauszugehen. Er 
lebte in einem Zwielicht des Wartens. 
Seine Gedanken kehrten mit ärgerlicher Regelmäßigkeit zu 
Catz zurück. 
Er hatte die Nummer in Chicago angerufen, die sie ihm ge-

geben hatte. Sie war nie zu Hause. Einmal hatte sich eine ver-
schlafene männliche Stimme gemeldet und gefragt: »Häh, was? 
Oh, sie hat irgendwo einen Auftritt. Werisndran?« 
Die Stimme des Mannes klang eifersüchtig, also hatte auch 
Cole Grund, eifersüchtig zu sein. 
Cole schaute zum Fernseher hinüber. Jerome Jeremy, der 
hermaphroditische Talkmaster, streichelte mit einer Hand ein 
Voguersternchen und mit der anderen seine eigenen Brüste. 
Cole gähnte. »Vielleicht«, erklärte Cole den Lichtern der City, 
»will City mich wieder bestrafen. Vielleicht soll ich mir ja den 
Kopf darüber zermartern. Vielleicht verlässt er mich ... aber 
warum hat er mich dann hier untergebracht?« 
»Gute Frage«, drang Citys Stimme aus dem Fernseher. 
Cole wandte den Kopf. Citys Gesicht füllte den Bildschirm 
aus. Eine Halluzination auf Grund des Mangels an äußerer 
Wahrnehmung? Cole biss sich in einen Finger, der Schmerz 
fühlte sich echt an. 
Die Echtheit des Schmerzes war über jede Frage erhaben. 
Also war City hier, und Cole sank in sich zusammen, plötz-
lich erschlafft. Ihm wurde bewusst, dass er die wachen Stunden 
der letzten drei Tage in angespannter Erwartung zugebracht 
hatte. 
Cole richtete sich unsicher auf und trommelte mit den 
Handflächen auf seinen Beinen herum, um seinen Kreislauf in 
Gang zu bringen. Er näherte sich dem Fernseher, blieb einen 
Augenblick davor stehen und betrachtete Citys Gesicht mit 
einer Mischung aus Ehrfurcht und Abneigung. Dann ließ er 
sich neben dem Apparat nieder. Es war unangemessen, dass er 
auf City herabschaute. Ich gehöre ihm, dachte Cole. Catz hatte 

Recht. 
»Beim  Chronicle  arbeitet ein Mann, der fürs Feuilleton 
schreibt, aber auch vor Ort recherchiert«, sagte City. »Er heißt 
Barnes. Rudolph Barnes.« 
Hungrig hing Cole an jeder einzelnen Silbe, forschte nach 
Betonungen, nach Anzeichen von Anerkennung ­ oder Missbil-
ligung. Citys Stimme klang kalt, allerdings nicht kälter als sonst. 
Cole konnte sich auf nichts verlassen. 
City fuhr fort: »Barnes weiß über Rufe Roscoe und die Vigs 
Bescheid, teilweise sogar über dich. Er weiß, dass sie nach dir 
suchen. Er kennt die Mafia-ITC-Connection ­ die allerdings 
allgemein kaum noch ein Geheimnis ist. Er will für die landes-
weiten Medienagenturen eine große Enthüllungsgeschichte 
schreiben. Ich möchte, dass du ihn anrufst und dich mit ihm 
triffst. Sei vorsichtig, denn das wird morgen im Laufe des Tages 
über die Bühne gehen müssen. Im Augenblick ist er in Santa 
Cruz. Er wird morgen wieder in San Francisco sein, bis morgen 
Nachmittag. Du hast nur wenige Stunden. Triff dich mit ihm, 
erzähle ihm, wo Rufe Roscoes Bänder liegen und was du sonst 
noch weißt ­ aber kein Wort über mich. Davon würde er sich 
nur sehr schwer überzeugen lassen, und ich möchte mich ihm 
nicht zeigen ­ ihm fehlt jegliche Voraussetzung. Er ist kein 
Einwohner von San Francisco ­« 
Cole hatte den Eindruck, dass in Citys Stimme Verachtung 
schwang. 
»­ er kommt aus New York und ist seiner Stadt loyal. Also, 
spür ihn auf ­ er wird dir helfen. Ruf den Chronicle  morgen 
früh um neun an. Und geh schlafen.« 
»Cit­« 

Doch er war bereits verschwunden. 
Er war verschwunden; aber er war gekommen, er hatte mit 
ihm gesprochen. Stuart Cole weinte vor Erleichterung. 
 
Trotz der niedrigen Auflösung des Vidphon-Bildschirms konn-
te Cole erkennen, dass Barnes ein rotgesichtiger Mann war, 
ebenso hager wie gesund, fast ohne Kinn und mit einer gedrun-
genen Nase. Doch sein Blick war lebhaft und eindringlich, und 
unter dem dünnhaarigen, nervösen Äußeren eines Mittvierzi-
gers vibrierte eine Berufung. Er war der richtige Mann für diese 
Aufgabe. 
»Ja? Bitte?«, fragte Barnes mit kratziger Stimme. 
Cole atmete tief durch und legte los: »Ich heiße Cole. Stuart 
Cole. Ich weiß, was Sie über ITC und Rufe Roscoe wissen, und 
ich kann Ihnen noch einiges mehr erzählen.« 
»Hören Sie, Kumpel, es ist Sonntag«, sagte Barnes mit einem 
übertriebenen Aufseufzen. »Ich versuche mir den Sonntag 
freizuhalten. Ich bin nur wegen einer kurzen Konferenz hier 
und dann fliege ich ­« 
»Also sparen wir uns diesen Quatsch«, sagte Cole. »Dafür 
habe ich keine Zeit.« Ihm war klar, dass Barnes ihn nur auflau-
fen ließ, um seine Reaktion zu testen. Er wollte herausfinden, ob 
Cole ein Spinner war oder wirklich etwas wusste. »Ich mache 
Ihnen nichts vor, und ich lasse mich nicht so schnell abwim-
meln.« 
Cole rutschte unbehaglich hin und her, als Barnes ihn über 
den Bildschirm unverblümt musterte. Coles Haarschnitt war 
eher konservativ; er hatte im Schrank einen höchst konventio-
nellen Anzug gefunden, und er trug eine blau getönte Brille ­ er 

wäre in jeder Menschenansammlung unsichtbar gewesen. 
Trotzdem war er nervös. Er stand in einer öffentlichen Telefon-
zelle in Chinatown, und hier drehten Polizeistreifen mit schö-
ner Regelmäßigkeit ihre Runde. Ein Cop, der gerade ein Fahn-
dungsfoto von ihm gesehen hatte, könnte ihn auf Anhieb er-
kennen. 
»Sie sehen zumindest aus wie Cole«, sagte Barnes. 
Cole erschrak. »Sie haben ein Bild von mir gesehen?« 
»Klar, wir bekommen die ganzen Fahndungsfotos. Sie stehen 
ganz oben auf der Liste, Freundchen. Ich zumindest werde Sie 
bezahlen. Wenn Sie mir entsprechende Daten rüberschieben, 
wird Ihre Kreditwürdigkeit von hier bis Fort Knox reichen, 
jedenfalls soweit es an mir liegt.« 
»Am Broadway«, sagte Cole, »gibt es ein Restaurant, das 
heißt Luigi's.« 
Barnes nickte. »Wann?« 
»So bald wie möglich. Ich werde das Haus im Auge behalten, 
und wenn die Luft rein ist, komme ich rüber, sobald ich Sie 
sehe. Tragen Sie nichts Auffälliges.« 
»Okay. Hören Sie, sollte ich nicht ­« 
»Die Polizei anrufen?« 
»Nein.« Barnes grinste. »Nein, ich wollte sagen, sollte ich 
nicht etwas mitbringen, das meine Story später belegt? Einen 
Camcorder?« 
»Nein. Das würde nur Aufmerksamkeit erregen. Ich werde 
Ihnen sagen, wo Sie Ihre Beweise herbekommen.« Cole drückte 
auf den Unterbrechungsknopf und wandte sich vom leeren 
Bildschirm ab. Er trat in den strahlenden Sonnenschein und 
blinzelte.  Er  hatte  sich  an  das Nachtleben gewöhnt. Die Sonne 

brannte ihm in den Augen und er musste Tränen wegzwinkern. 
Er gähnte. Er hatte nicht genug geschlafen. Langsam ging er den 
Hügel hinunter und versuchte wie ein Geschäftsmann auszuse-
hen, der nach einem chinesischen Restaurant Ausschau hält. 
Er schleppte sich durch die mittägliche Menschenmenge den 
Berg hinauf, verlor sich in einem zähen Lavastrom aus Touri-
sten. Zur Linken marschierten ärmellose Hemden und Sonnen-
brillen; zur Rechten randalierten hupende Autos. Die heiße Luft 
roch nach Schweiß, Rasierwasser, verschiedenen Parfüms und 
Deodorants, Fisch und scharf gewürzten Gerichten in den 
chinesischen Lebensmittelläden. Straßenverkäufer boten An-
denken und Eiscreme feil und versuchten, mit ihrem Kreischen 
das auf- und abschwellende Lied der Straße an einem Sommer-
tag in Chinatown zu übertönen: »Schön kühle Eiscreme!« 
Als er den Broadway erreichte, war er unter seinem warmen 
Anzug durchgeschwitzt und flüchtete sich dankbar in den 
Schatten einer Markise gegenüber von Luigi's. Er stand mit dem 
Rücken zu einem Feinkostgeschäft und starrte mit gespielter 
Gleichgültigkeit durch den Vorhang von Menschen, die auf 
dem Bürgersteig vorbeihasteten. Er konnte den Eingang von 
Luigi's  sehen, doch die Sonne in seinem Rücken verwandelte 
das Fenster des Restaurants in eine undurchsichtige weiße 
Fläche. Barnes war höchstwahrscheinlich noch nicht dort. 
Jetzt hatte Cole das Gefühl aufzufallen, weil er sich vom 
Hauptstrom der Straße gelöst hatte. Er rieb sich die Hände an 
seiner Hose ab: Er war nervös und ängstlich, und als er das 
bemerkte, wurde er noch nervöser und ängstlicher, da er be-
fürchtete, jemand könnte ihn misstrauisch beobachten. Seine 
Anspannung wuchs und er musste sich wiederholt ermahnen, 

nicht über seine Schulter zu blicken. 
Ein Streifenwagen fuhr langsam die Straße entlang. Coles 
Hände ballten sich zu Fäusten. Er starrte stur geradeaus. Das 
Auto fuhr vorbei, doch seine Nervosität nahm noch zu. 
Um sich abzulenken, dachte er an Catz. Hier in der Nähe 
hatten sie in einem Café gesessen, sich über einander Gedanken 
gemacht. Er lächelte leise, als er an die darauf folgende Nacht 
dachte. So alt war er noch gar nicht. 
Er benutzt dich, hatte sie gesagt. 
Cole hatte keine Lust mehr, an sie zu denken. 
Ohne besonderen Grund ­ zumindest bewusst ­ behielt Cole 
zwei Männer im Auge, die auf der anderen Straßenseite an 
einer Ecke neben Luigi's  standen. Der eine trug ein geblümtes 
rotblaues Hemd, eine Kamera hing an einem Riemen um seinen 
Hals. Er hatte Badeshorts und Sandalen an. Er war jung und 
kräftig, und es kam Cole seltsam vor, dass er sich wie ein Tou-
rist mittleren Alters gekleidet hatte. Neben ihm stand ein großer 
Mann mit einer dunklen Brille, geschlitzten Hosen und einer 
Jacke, die ­ wie Coles Jackett ­ bei diesem Wetter zu warm war. 
Irgendetwas an seiner Haltung war seltsam. Cole schaute ge-
nauer hin. Er schien sich nach links zu neigen, die rechte Seite 
hatte er Cole zugewandt ­ und angesichts seiner Schräglage 
hätte er eigentlich umfallen müssen. Cole beobachtete ihn 
weiter, den Kopf geradeaus gerichtet, die Blickrichtung seiner 
Augen hinter den bläulichen Brillengläsern verborgen. Der 
Mann drehte sich leicht nach rechts und warf Cole einen Blick 
zu. Cole hatte den Eindruck, dass seine Augen kurz an ihm 
hängen blieben und dann allzu schnell weiterhuschten. Cole 
konnte jetzt erkennen, dass sich der Mann auf einen Spazier-

stock stützte. Er war noch ziemlich jung für jemanden, der 
einen Stock benötigte, dachte Cole. Ein dritter Mann trat zu 
ihnen. 
Der dritte Mann ­ der einen gepflegten blauen Anzug trug ­ 
erweckte den Eindruck, als würde er die beiden kennen, sagte 
jedoch nichts. Nicht einmal hallo, zumindest bewegte er nicht 
die Lippen. Und Cole hatte den Eindruck, dass alle drei in seine 
Richtung sahen, immer mal wieder. 
Cole atmete schwer und spürte, wie der Schweiß über seinen 
Adamsapfel in seinen Kragen lief. Wer sind die Kerle? 
Den Mann mit dem Stock glaubte Cole schon einmal ir-
gendwo gesehen zu haben: Es lag nicht so sehr an seinem Ge-
sicht, sondern an seiner Größe, an der Haltung seiner Schul-
tern, seinem kantigen Kinn. Wie jemand, an den er sich aus 
einem Traum verschwommen erinnerte. Wo hatte er ihn schon 
einmal gesehen? 
Der Stock. Das kaputte linke Bein. Der Mann hielt den Stock, 
als hätte er sich noch nicht an ihn gewöhnt. Seine Hand glitt 
unruhig am Griff hin und her. Das linke Bein ­ einer der Vigs 
im Haus in Berkeley, wo sie Catz festgehalten hatten, hatte sich 
einen Schuss ins Bein eingefangen. Der Einzige, der überlebt 
hatte. Der Einzige, der Cole wieder erkennen würde. 
Cole wandte sich um und stürzte sich auf ein Taxi, das in die 
Sutter einbog. 
Eine Frau, die einen Kinderwagen mit einem fetten Baby 
schob, drängelte sich zwischen ihn und das Auto. Fast wäre er 
über sie geflogen, er entschuldigte sich, sprang zur Seite, und 
das Taxi war verschwunden. Jemand tippte ihm von hinten auf 
die Schulter. Cole grabschte in seiner Jacke nach der Pistole und 

wirbelte in Erwartung eines Schlages herum. Barnes grinste ihn 
an. »Sind wir ein bisschen nervös?«, sagte er. 
Cole schaute zu Luigi's hinüber. Die drei Vigs waren von der 
Ecke verschwunden. Cole sah, wie sie voller gespielter Gemüts-
ruhe die Straße überquerten. 
»Dort drüben wartet ein Taxi auf mich«, sagte Barnes. »Ich 
dachte mir ­« Barnes deutete auf ein gelbes Taxi. 
Cole sprintete los. 
Hinter sich hörte er jemand rufen. »Hee!«, und das war nicht 
Barnes' Stimme. Er packte den hinteren Türgriff der Taxe, riss 
die Tür auf und hörte den Fahrer sagen: »Hey, ich bin schon 
besetzt ­« 
»Geht klar, er gehört zu mir«, sagte Barnes und drängte sich 
hinter Cole ins Auto. 
»Bitte fahren Sie los!«, rief Cole mit weit aufgerissenen Au-
gen und beobachtete einen Polizisten, der von hinten auf sie 
zugerannt kam. Er betete, dass der Fahrer den Cop nicht sah. 
Das Taxi fädelte sich in den Verkehr ein, fuhr über eine gelbe 
Ampel und den Broadway hinunter. »Fahren Sie Richtung, äh, 
Coit Tower«, sagte Cole. Er hatte das erste Ziel genannt, das 
ihm eingefallen war. Der Fahrer nickte. 
»Darf ich dem entnehmen, dass wir gerade nicht alleine wa-
ren?«, forschte Barnes. 
Cole nickte. »Vielleicht sind wir es immer noch nicht. Sie 
werden uns folgen.« 
Barnes seufzte vernehmlich. »Junge, Junge, hoffentlich sind 
Sie kein Spinner.« 
»Ich bin ein Spinner«, sagte Cole beiläufig. »Aber ich werde 
Ihnen trotzdem die Wahrheit sagen.« 

»Aber ­ woher wussten die Typen, wo sie uns finden konn-
ten?« 
Cole runzelte die Stirn. »Ehrlich gesagt wollte ich Sie das fra-
gen.« 
Barnes hob die Augenbrauen. »Erzählen Sie weiter.« 
»Tja ­ ITC ist überall, fast buchstäblich. Bei uns in diesem 
Taxi ­« Er wies auf das ITC-Terminal der Taxe. »Und, äh, wie 
sind Sie auf den Gedanken gekommen, dass Sie in der Gegend 
herumlaufen und Fragen über sie stellen könnten, ohne aufzu-
fallen?« 
»Aber woher wissen die, wo wir ... ?« Barnes starrte Cole mit 
offenem Mund an. »Mein Vidphon. Wahrscheinlich wird es 
abgehört.« 
Cole nickte. »Wahrscheinlich schon lange.« 
Inzwischen fuhren sie steile Bergstraßen empor, durch ein 
Villenviertel, unter an Smog verreckten Blättern hindurch, zum 
Coit Parkgelände hinauf. 
Ein weiteres Taxi fuhr ihnen hinterher, die sonnenweiße 
Straße entlang. Cole behielt es eine Weile über die Schulter im 
Auge. Drei Gestalten, den Fahrer nicht eingerechnet. »Viel-
leicht«, sagte er und wandte sich wieder nach vorne, »sollte ich 
Ihnen jetzt alles erzählen ... Punkt eins, Rufe Roscoe hat alle 
seine Treffen mit seinen Komplizen auf Video aufgenommen.« 
Barnes rieb sich über seine zerfurchte Stirn. »Das ist nicht 
besonders klug von ihm.« 
»Ich weiß. Scheint jedenfalls so. Aber vielleicht hat er ja gute 
Gründe. Jedenfalls bewahrt er die Bänder in einem Tresor auf, 
und wenn jemand einen entsprechenden Durchsuchungsbefehl 
bekommen könnte ­ der von einem Bezirksstaatsanwalt kom-

men müsste ­, dann hätte er die ganze Organisation an der 
Gurgel ...« 
Cole bemerkte, dass der Taxifahrer sie im Rückspiegel beo-
bachtete. Das runde Gesicht und die umschatteteten Augen des 
schwarzen Fahrers zeigten heftigstes Misstrauen. »Was zum 
Donner ist los mit Ihnen beiden?«, fragte der Mann hastig. 
Seine Augen schnellten vom Spiegel zur Straße und wieder 
zurück. 
»Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram.« 
Der Taxifahrer schüttelte den Kopf. »Moment, können Sie 
überhaupt die Fahrt bezahlen? Sie reden ziemlich verrücktes 
Zeug. Letzte Wochen haben mich zwei Typen zusammenge-
schlagen und gezwungen, ihnen meine gottverdammte Uhr zu 
geben, die ich seit zwölf Jahren habe ­« 
»Kommen Sie schon, das wird wohl kaum zweimal hinter-
einander passieren«, sagte Cole müde. 
Der Taxifahrer fuhr rechts ran. Cole warf einen Blick über 
die Schulter. Das andere Taxi hielt ebenfalls. 
»Dann zahlen Sie jetzt und auf der Stelle. Irgendwas. Ich hab 
so ein Gefühl ... Ich weiß immer, wenn jemandem seine Karte 
abgelaufen ist. Ich hab da einen Riecher für«, sagte der Fahrer 
gereizt. 
Barnes schnaubte und holte seine Karte aus der Brusttasche 
seines nur mäßig ausgefüllten Golfhemdes. Er drückte seinen 
Daumen auf das temporäre Abdruckpad auf der Inhaberseite, 
hinterließ einen kurzfristigen Daumenabdruck und reichte dem 
pummeligen Fahrer die Karte. Der Mann schob die Karte in das 
Terminal und wartete. Auf dem winzigen Bildschirm erschien: 
KONTO AUFGELÖST. Cole und Barnes starrten überrascht 

darauf. 
»Aber ich hab zweitausend Steine auf diesem Konto!«, brüllte 
Barnes. »Ich habe erst heute Morgen mein Frühstück damit 
bezahlt ­« 
Cole schüttelte resigniert den Kopf. »Sie stehen auf der 
schwarzen Liste. Die haben mitbekommen, dass Sie mit mir 
unter einer Decke stecken. Sie hassen mich.« 
»Hör mal zu, Kumpel«, sagte der Taxifahrer wütend ­ und 
hielt inne und starrte an seinen Fahrgästen vorbei durchs Heck-
fenster. »Wer zum Teufel sind diese Wichser? Hee, der Schwei-
nehund hat eine Knarre!« 
Barnes warf sich auf den Boden des Fahrzeugs. Cole fuhr mit 
der Hand an seine Pistole. Er zog sie hervor, starrte sie an und 
überlegte, ob er sie je wieder würde einsetzen können. Er schau-
te sich panisch um. Sie standen auf einer schmucklosen Allee: 
Große Wohnhäuser aus Ziegelstein, einige mit Efeu bewachsen, 
drängten sich auf beiden Straßenseiten aneinander. Ein Mann 
sah aus einem Fenster; als sich ihre Augen trafen, zog er den 
Vorhang zu. Cole schaute in den Rückspiegel. Die drei Männer 
waren vielleicht noch zehn Meter vom Wagen entfernt. Zwei 
von ihnen setzten zum Sprint an, der dritte stapfte mit seinem 
Stock hinterher. Alle drei waren bewaffnet. 
Da  Cole  wusste,  dass  er  sich nicht überwinden konnte, die 
Pistole zu benutzen, richtete er sie auf den schwitzenden, glot-
zenden Taxifahrer und brüllte: »Raus hier, verschwinde!« 
Der Mann gehorchte und rief zum Abschied noch: »Fickt 
euch doch, ihr verrückten Pleitegeier!« Cole kletterte auf den 
Vordersitz, warf die Waffe auf den Beifahrersitz und gab Gas, 
schleuderte den Wagen in eine holperige Kehrtwende, biss die 

Zähne gegen die reißende Fliehkraft zusammen und fuhr auf 
die drei Männer zu, die jetzt breitbeinig vor seiner Motorhaube 
standen. Einer warf sich zur Seite, der andere hob eine nach 
einer Luger aussehende Waffe, um direkt durch die Wind-
schutzscheibe zu schießen. Cole schloss die Augen vor Mün-
dungsfeuer und fliegenden Glassplittern; etwas stach ihm in die 
Wange. Mit geschlossenen Augen trat er das Gaspedal durch. 
Das Auto holperte zweimal, die Räder kreischten matschig über 
etwas hinweg; ein weiterer Schuss von der Seite ­ Cole hörte, 
wie das linke hintere Fenster zu Bruch ging und ein Wimmern 
vom Rücksitz. Er öffnete gerade noch rechtzeitig die Augen, um 
zu sehen, wie sich ein Streifenwagen quer über die Straße stellte. 
Cole riss das Lenkrad blind nach rechts. Auf dem Bürgersteig 
sprang ihm jemand aus dem Weg. Es gab einen zähneklappern-
den Ruck, das vordere Ende wurde in die Höhe geschleudert, als 
der Wagen den Bordstein rammte, mit zwei Rädern auf dem 
Bürgersteig am Heck des Streifenwagens vorbeifuhr und um die 
Kurve schoss. Aus allen Richtungen waren Sirenen zu hören ... 
Sirenen sind die Hintergrundmusik meines Lebens, dachte 
Cole. 
Die Straße stürzte in aberwitzigem Tempo an ihm vorbei. 
Die Autos auf der Gegenspur hupten. Die Fahrzeuge vor ihm 
wichen nach rechts und links aus, um aus der Bahn des 
wahnsinnigen Taxis zu kommen, das sie im Rückspiegel heran-
rasen sahen. Cole hupte ununterbrochen, um die Leute aus dem 
Weg zu scheuchen. Aus dem Taxifunk ertönte statisches Rau-
schen und Stimmensalat. Cole steuerte mit einer Hand, über-
fuhr rote Ampeln und setzte auf sein Glück. Ihm kam eine Idee. 
Er streckte eine Hand nach dem Taxifunkgerät aus, drückte die 

Sprechtaste und brüllte: »City! Du kannst tagsüber nicht ein-
greifen, aber mit mir reden kannst du! Also sprich mit denen! 
Kannst du die Cops nicht auf eine falsche Fährte setzen? Pfeif 
sie zurück! Führ sie in die Irre! Spiel Polizeifunkzentrale!« 
»Ja ...«, drang eine bekannte eisige Stimme durch das 
Durcheinander auf der Frequenz des Taxifahrers. 
Die Sirenen entfernten sich. Der Wind blies ihm durch das 
kaputte Fenster ins Gesicht, Glasscherben klirrten auf dem 
Boden. Cole fuhr zum Bahnhof. Dort hielt er an, stellte den 
Motor ab und lehnte sich zurück. Sein Atem ging schwer, er 
zitterte und ließ dem Adrenalinstoß seinen Lauf. Einen Augen-
blick lang wurde ihm schwindlig. Dann fiel ihm Barnes ein. 
»Hey ­ hey, Barnes ­ oh Himmel, was hatte ich Schiss ... Aber 
ich bin nicht schlecht gefahren, oder? Himmel, man weiß 
einfach nicht, wozu man fähig ist, bis man ­« 
Er hielt inne und musste an den Schuss denken, der das Sei-
tenfenster durchschlagen hatte. Und an das Wimmern vom 
Rücksitz. Cole wandte sich nicht um. Er konnte sich einfach 
nicht überwinden hinzuschauen. »Barnes?«, rief er mit rauer 
Stimme. »O Gott, es tut mir Leid. Es tut mir Leid, Barnes.« 
Schließlich musste er hinschauen. Vielleicht musste Barnes 
ins Krankenhaus. 
Cole wandte sich um. 
Barnes hatte den größten Teil seines Kopfes verloren. 
Und am meisten Angst machte Cole, dass ihn der Anblick 
eines gewaltsamen Todes nicht mehr erschütterte. 
Er ließ das Taxi stehen und ging, erschöpft und mit trübem 
Blick, zum Bahnhof. 
 

Cole ließ das Telefon am anderen Ende klingeln, obwohl es 
bereits dreißig Mal geläutet hatte. 
Es klickte und eine schläfrige Stimme sagte: »Yeah.« 
Coles Herz pochte. »Oh ­ äh ­ Catz?« 
»Stu?« 
»Ja ­ warum stellst du das Bild nicht an?« 
»Oh, meine, hm, Bildröhre ist hinüber ­ das Telefon ist 
ziemlicher Schrott.« 
»Kannst du mich sehen?« 
»Nein ...« 
Cole fragte sich, ob sie die Bildfunktion nicht eingeschaltet 
hatte, weil sie nicht wollte, dass er den Mann neben ihr im Bett 
sah. 
»Na ­ was läuft so?«, fragte sie. 
Cole lachte humorlos. »Ich weiß kaum, wo ich anfangen soll. 
Äh ­ nimm den Ohrstöpsel.« 
»Okay«, sagte sie. 
Also war jemand bei ihr. Sonst hätte sie gesagt, dass sie den 
Ohrstöpsel nicht brauchte. Das geht mich nichts an. 
Schnell und mit mechanischer Stimme erzählte Cole, was 
geschehen war, seit sie San Francisco verlassen hatte. 
Als er fertig war, herrschte Schweigen. 
Schließlich sagte er mit grimmigem Humor: »Und ­ wie 
läuft's so in Chicago?« 
Als sie wieder sprach, hörte er an ihrer Stimme, dass sie 
weinte. »Gottverdammt, Stu. Du steckst in einem Irrenhaus. 
Jetzt überfährst du schon Leute, und um dich herum werden sie 
erschossen, und er lässt dich Bomben legen, von denen du nicht 
mal weißt, was sie auslösen. Du machst mich krank,  Mann. 

Verdammt, Stu.« 
In der darauf folgenden Pause zischte die Leitung vor sich 
hin. 
Bis Cole voll Bitterkeit sagte: »Catz ­ ich habe solche Angst. 
Aber ich kann hier nicht weg. Ich brauche dich. Bitte ­« 
»Nein. Verschwinde von dort. Du musst von ihm wegkom-
men. Er benutzt dich. Ich möchte nicht, dass du den letzten 
Rest deiner selbst verlierst ­ komm schon, es ist doch offen-
sichtlich, oder? Ich meine, City hat Angst davor, dass die urba-
ne Konzentration aufgebrochen und über das ganze Land 
verteilt wird, wenn Techlink und ITC die derzeitigen Verhält-
nisse überflüssig machen. Er weiß, dass Städte überflüssig sind. 
Für ihn ist diese Mafiageschichte nur eine Rechtfertigung ­ er 
würde das so oder so machen, gerechtfertigt oder nicht. Für die 
Stadt ist es Zeit zu sterben, Stu, und du musst von dort ver-
schwinden, wenn du nicht mit ihr untergehen willst.« 
»Aber das kann ich nicht!«, rief Cole aufbrausend. »Ich brau-
che dich, aber ich muss ­« Er hielt inne. Er hörte ein seltsames 
Geräusch ... Das Freizeichen. 
 

A-A-acht! 
 
Das Penthausapartment stank.
 Es war mit Schmutzwä-
sche, Einwickelpapier und schimmelnden Konservendosen voll 
gestopft. Perverserweise fand Cole Gefallen an dem Geruch. Er 
war in der Stimmung für etwas negative Untermalung. 
Gott sei Dank war es Nacht. 
Er  hatte  seit  drei  Tagen  nicht geschlafen. Es war Mittwoch-
abend und er hatte ungeduldig auf den Einbruch der Nacht 
gewartet. Er fühlte sich nicht mehr wohl, wenn City im Verbor-
genen war ... 
Er hatte die Vorhänge vor der Glaswand zugezogen und ging 
davor auf und ab, rang die Hände und schaute immer wieder 
durch den Schlitz im Vorhang ­ war die Sonne schon unterge-
gangen? Ja, sie war untergegangen. 
Und dann spürte Cole sie, die langsame Schwingung einer 
Präsenz, deren Wellenlängenfrequenz anstieg, sein Rückgrat 
hinauf vibrierte und eine Blaupause in seinem Kopf aufleuchten 
ließ: die Nervenbahnen der City über die seinen gelegt. 
»Cole ...« 
Cole lief zum Fernsehapparat und ging vor Citys elektroni-
schem Götzenbild in die Hocke. »Cole«, wiederholte City, als ob 
er den Namen genießen würde. »Geh heute Nacht nicht in die 

Stadt; du musst dich ausruhen. Morgen wirst du einen Ausflug 
unternehmen. Aus der Stadt hinaus.« 
»Nein!« Cole setzte sich auf. Er zitterte. »Nein ­ ich fühle 
mich ganz ­ nutzlos ... wenn ich dich verlasse ... Ich glaube, ich 
würde durchdrehen. Letzte Woche wäre mir das noch möglich 
gewesen. Aber jetzt ist alles anders.« Er legte die Stirn in Falten, 
versuchte nachzudenken: Was war anders geworden? 
»Wir stehen einander näher«, sagte City und sprach damit 
aus, was Cole hatte in Worte fassen wollen. »Da Barnes tot ist, 
musst du das erledigen. Ich schicke dich zum Assistenten des 
Bezirksstaatsanwalts.« 
»Ich ­ hör mal, könnten wir das nicht so drehen, dass er 
hierher kommt? Irgendwie fällt mir hier alles leichter. Jetzt. 
Selbst tagsüber ­ ich habe dieses Taxi vor ein paar Tagen wie ­ 
wie ein professioneller Stuntman gefahren. Weil ich dir näher 
stehe und die Straßen und die Autos auf den Straßen fast ein 
Teil von mir sind. Aber ­ außerhalb der Stadt ­« 
Cole gab auf. City war unbeugsam. Es war sinnlos, mit ihm 
zu diskutieren. »Muss ich ...«, setzte er zögernd an und wandte 
den Blick von den vorwurfsvollen Augen auf dem Bildschirm 
ab. »Muss ich, äh, am Tag zu ihm gehen?« 
»Ich fürchte schon. Das ist die beste Zeit, um ihn zu erwi-
schen. Ich habe für dich einen Termin gemacht ­ er geht davon 
aus, dass du jemand anders bist als in Wirklichkeit.« Fast lächel-
te City. »Jemand Wichtiges.« 
»Aber ­« Cole setzte sich hektisch auf, ihm war ein berech-
tigter Einwand gegen seinen Ausflug eingefallen. »Aber ich 
kann gar nicht ins Büro des Bezirksstaatsanwalts gehen, weil ich 
von der Polizei gesucht werde, und bei dem ganzen Chaos, das 

ich verursacht habe, sind sicherlich die Behörden im ganzen 
Land alarmiert worden. Selbst wenn du mich unter falschem 
Namen hinschickst, wird mich mit großer Wahrscheinlichkeit 
jemand erkennen. Und im Laufe der Geschichte muss ich ihn 
auf jeden Fall wissen lassen, wer ich bin, um den Beweisen eine 
gewisse Glaubwürdigkeit zu verleihen ­ man muss belegen 
können, dass man der ist, der man zu sein vorgibt, sonst ent-
behrt die Geschichte vor Gericht jeglicher Grundlage.« 
»Ich merke schon, dass du über die neusten Entwicklungen 
nicht auf dem Laufenden bist«, sagte City. 
Cole rümpfte die Nase. »Ich habe keine Nachrichten gesehen. 
Ich will nichts über die ...« 
»Die Schießereien? Da hättest du dir keine Sorgen machen 
müssen. Darüber wurde nicht berichtet. Mit Ausnahme von 
leisen Anspielungen auf einen Bandenkrieg. Kein Wort über 
dich. Die wenigsten Polizisten wissen, wer du bist. Überleg mal 
­ sie sind ja nicht alle korrupt. Leute wie Barnes gibt es bei den 
Bullen und bei den Zeitungen. Nimm mal an, du wirst festge-
nommen und so jemand verhört dich und glaubt deine Ge-
schichte zumindest so weit, dass er zu den Bundesbehörden 
geht ... ITC will auf keinen Fall, dass du aussagst, so oder so, 
von anderen Stellungnahmen ganz zu schweigen. Die Cops, die 
über dich Bescheid wissen, haben letzten Sonntag Befehl erhal-
ten, dich ohne Zögern zu erschießen, ob du Widerstand leistest 
oder nicht. Eine Entschuldigung werden sie dann schon fin-
den.« 
»Sie kehren es unter den Teppich? All die Menschen, die ge-
tötet worden sind?«, fragte Cole. Doch im Grunde war er nicht 
überrascht. 

City starrte ihn nur an. 
Schließlich nickte Cole. »Wo und wann?« 
»Sacramento, Justizministerium, Zimmer vier, fünfzehn Uhr. 
Dein Zug geht Punkt zwölf.« 
»Aber ­ was soll ich ihm erzählen?« 
»Im selben Schließfach, aus dem du auch die Bombe geholt 
hast, befinden sich ein Fahrschein und eine Aktentasche. Darin 
sind nach Roscoes Videoaufnahmen entstandene Abschriften 
von einem entscheidenden Treffen sowie ein Teil der entspre-
chenden Aufzeichnung, um sie zu verifizieren. Das sollte ein 
Anfang sein, auch wenn alles auf illegalem Wege erworben 
wurde und nicht als Beweismittel gilt.« 
»Wie erworben?«, fragte Cole gespannt. »Ich möchte den 
Mann kennen lernen, der die Sachen in das Schließfach legt, der 
sie für dich besorgt ­ wir könnten einander helfen ... und 
reden.« 
»Nein«, sagte City. Sein Bild wurde schwächer. »Das ist kein 
Mann. Es ist ein Autosecur. Nur eine kalte Maschine. Ihr hättet 
wenig gemeinsam.« 
»Da bin ich mir nicht so sicher«, murmelte Cole vor sich hin, 
als Citys Bild vom Schirm verschwand. Nur eine kalte Maschine. 
 
Cole war froh, dass er einen Fahrschein Erster Klasse und damit 
Anspruch auf eine Schlafnische hatte. Denn von dem Augen-
blick an, als er die unterschwellige, aber allgegenwärtige Reich-
weite von Citys Bewusstsein verließ, war ihm übel. Selbst hier, 
im beruhigenden, schaukelnden Dämmerlicht der Schlafnische, 
litt er Qualen. Er wälzte sich von einer Seite auf die andere, 
fühlte  sich  in  diesem  Augenblick eingesperrt, im nächsten 

entsetzlich ungeschützt. Aber vor allem fühlte er sich schreck-
lich einsam. Sein Bauch war eine einzige schmerzende Grube. 
»Scheiße«, sagte er laut, kaute auf seinem Daumennagel und 
starrte in die zwielichtigen Ecken des kleinen Raumes. »Ich 
benehme mich wie ein Kind.« Er versuchte in dem regelmäßi-
gen wrrr-klick-wrrr-klick des elektrischen Zuges Trost zu 
finden. Er sehnte sich nach einem Drink. Bei dem Treffen 
würde er jedoch auf der Hut sein müssen. Auch wenn es ihm 
helfen könnte, sich ein bisschen zu betäuben. Nur ein bisschen. 
Jede Vibration des Zuges schien in der Leere in seinem Inneren 
ihren Wiederhall zu finden. 
Er schüttelte sich wütend und schwang sich aus dem Bett, 
schob sich durch die Vorhänge seiner unteren Koje und kam 
auf die Füße, wobei er in dem schmalen Durchgang zwischen 
einem Dutzend verschlossener Kojen hin und her schwankte. Er 
machte sich auf den Weg zum Salonwagen und dachte: Nur 
einen oder zwei. Irgendwer wird mich doch zu einem Drink 
einladen. 
Im lauten, windigen Übergang zwischen zwei Wagen begeg-
nete Cole einem Mann mit einem gegabelten Bart. Er hatte ein 
blasses Gesicht und war klein und schlank. Die hinter einer 
Sonnenbrille verborgenen Augen erregten seine Aufmerksam-
keit ­ die Spiegelbrille erinnerte ihn an City. Der Mann trug 
sein Haar kurz und auf seine Schläfen waren Malteserkreuze 
gebleicht worden. Er hielt etwas unter seinem Armeemantel 
versteckt, als Cole den dröhnenden Verbindungsgang betrat. 
Cole blieb stehen und begutachtete ihn. Zwischen ihnen fand 
ein stiller Austausch statt, dann entspannte sich der Mann. Er 
nahm seine Hand von der Brust seines Mantels, so dass Cole 

das Tablettenfläschchen sehen konnte, das er umklammert 
hielt. Sie waren sich noch nie begegnet, aber sie kannten einan-
der: Cole war der Käufer, der Fremde war der Dealer. Ihr Stra-
ßeninstinkt sorgte dafür, dass sie einander augenblicklich 
erkannten, obwohl Cole seit Jahren keine Drogen mehr gekauft 
hatte. »Irgendwas anzubieten?«, fragte Cole und vergaß für den 
Moment, dass er kein Konto mehr hatte. 
»Thrilitiums«, antwortete der Mann. »Langzeitberuhigungs-
mittel. Vier pro Stück.« 
Cole dachte nach. Er hatte kein Konto, keinen Kredit, nichts. 
Aber er besaß eine goldene Uhr, die er in einer Schublade im 
Apartment gefunden hatte, eine teure Digitaluhr mit eingebau-
tem Rechner und Empfangsgerät. »Ich hab nur das«, sagte er, 
zog die Uhr ab und reichte sie hinüber. 
Das Gesicht des Mannes zeigte keine Regung, aber seine 
Stimme klang zu gleichgültig, als er sagte: »Ja, gut ­ die dürfte 
drei wert sein.« Obwohl sie beide wussten, dass sie über drei-
hundert wert war. 
Cole zuckte die Achseln und nickte. Der Mann gab ihm drei 
Thrilithiums, die Cole zu seiner letzten Zigarre in die Plastik-
hülle steckte. Dann ging er schnurstracks zum nächsten Was-
serhahn und schluckte alle drei Tabletten. Er kehrte zu seiner 
Schlafnische zurück, legte sich hin und dachte: Wie komme ich 
vom Bahnhof zum Justizministerium? Ich hab keine Karte, um 
ein Taxi zu bezahlen. 
Er legte sich hin und sank in einen herrlichen, betäubenden 
Morast. 
Wie sich herausstellte, war der Bahnhof nur einen Fuß-
marsch vom Büro des Bezirksstaatsanwalts entfernt, ungefähr 

anderthalb Kilometer. Benommen taumelte Cole durch einen 
Dunstschleier aus Betäubungsmitteln die Straße hinunter. Die 
Aktentasche baumelte an fast kraftlosen Fingern und gelegent-
lich stieß er mit Leuten zusammen. Wiederholt schaute er sich 
nach Straßenschildern um, betrachtete den Adresszettel in 
seiner verschwitzten Hand und kämpfte sich zum Gebäude-
komplex der Regierung vor. 
Wie ein Schlafwandler betrat er das Wartezimmer des Assi-
stenten des Bezirksstaatsanwalts, und fast wäre er hingefallen. 
Die Sekretärin sah ihn misstrauisch von oben bis unten an. Cole 
lächelte ihr zu (er hoffte, dass es ein Lächeln war ­ seine Ge-
sichtsmuskeln waren nicht eben in Bestform) und sagte undeut-
lich: »Tschuldigung, ich bin etwas groggy, hab ein paar ... 
Erkältungstabletten genommen, offenbar bin ich da empfind-
lich.« 
Sie nickte langsam. »Kommt vor.« 
»Würden Sie Faraday bitte sagen, dass ich da bin?« 
»Sir, das habe ich bereits. Sie heißen Stuart Cole und arbeiten 
als Sonderermittler für den Stadtkämmerer von San Francisco?« 
»Ja«, sagte Cole und schwankte hin und her. Er konnte sich 
nicht daran erinnern, ihr das gesagt zu haben, doch offensicht-
lich hatte er. Dann wurde ihm plötzlich klar: Der Dealer hatte 
Langzeitberuhigungsmittel  gesagt. Also bekam er vermutlich 
jetzt erst die volle Wirkung des Trilithiums ab ... Cole murmel-
te »verfickter Scheiß« vor sich hin. Er hoffte, dass er den Termin 
überstehen würde. 
»Vielleicht möchten Sie Platz nehmen ­«, setzte die Sekretä-
rin an. Doch eine Stimme aus einem versteckten Lautsprecher 
auf ihrer Schreibtischoberfläche sagte: »Schicken Sie ihn her-

ein.« 
Sie wandte sich wieder ihrem Datenschirm zu und wies mit 
erhobenem Daumen auf eine Tür zu ihrer Rechten. 
Cole ging unsicher an ihr vorbei und versuchte, nicht die O-
rientierung zu verlieren. Seine Beine waren weit, weit weg. 
Gegenstände am Rande seines Blickfeldes schienen miteinander 
zu verschmelzen. Er schob sich durch die Pendeltür und betrat 
Faradays Büro. Der Mann hinter dem großen Chrom- und 
Plastholztisch schien im Nebel zu verschwinden ­ Cole blinzel-
te, doch der Nebel wurde nur noch dichter. Die Droge. Cole 
konnte Faraday nicht klar erkennen, hatte jedoch den Eindruck 
eines knochigen, reservierten Mannes, der sein dichtes schwar-
zes Haar in einer Neopompadour-Frisur trug. »Ist mit Ihnen 
alles in Ordnung, Mr. Cole?«, erkundigte sich Faraday mit 
ziemlich jugendlicher Stimme. 
»Ja ... ich habe eine schlimme Erkältung ... die Medikamen-
te, Sie wissen sicher, wie das ist. Ach ­« Cole starrte ihn an und 
versuchte den echten Faraday von den beiden anderen Faradays 
in dem Dreifachbild zu unterscheiden, das er sah. Er blinzelte 
mehrmals und konzentrierte sich ­ aus drei Faradays wurde 
einer. Cole trat einen linkischen Schritt vor und donnerte den 
Aktenkoffer auf Faradays Schreibtisch, nestelte am Verschluss, 
bekam ihn schließlich auf und holte die Papiere und das Video-
band heraus, die er auf den Schreibtisch Faraday direkt unter 
die Nase legte. »Am besten kommen wir gleich zur Sache«, sagte 
Cole. »Mir geht es nicht besonders. All dies sind Beweise für ­« 
Er suchte nach Worten. »Für Korruption innerhalb der Polizei 
von San Francisco und der Geschäftsstelle von ITC in San 
Francisco ­ namentlich Rufe Roscoe ...« 

»Ich weiß«, unterbrach ihn Faraday hastig, »über Ihre Be-
hauptungen Bescheid.« Er blätterte die Abschriften durch, Seite 
um Seite sprangen seine Augenbrauen in die Höhe. 
Cole stellte sich erst viel später die Frage, woher Faraday über 
seine »Behauptungen« Bescheid wusste. 
»Nun gut«, Faraday nickte, um zu zeigen, wie sehr ihn das 
Material beeindruckte, auch wenn er es ­ wie Cole fand ­ nur 
sehr oberflächlich durchgesehen hatte. »Das muss ich mir 
genauer anschauen. Ich werde mir den Rest des Nachmittags 
dafür Zeit nehmen und mich heute Abend mit meinen Jungs 
vom Geheimdienst darüber unterhalten. Wenn Sie mich bitte 
jetzt entschuldigen würden? Wenn ich all das unter die Lupe 
nehmen soll, muss ich mich gleich dranmachen. Leider habe ich 
zur Zeit schrecklich viel zu tun. Äh ­ könnten Sie morgen 
wiederkommen?« 
Cole öffnete den Mund, um zu antworten, und schloss ihn 
dann wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Morgen? Das würde 
bedeuten, dass er eine Nacht und einen Teil des Tages von City 
getrennt sein würde ­ eine abstoßende Aussicht. Doch ihm 
blieb keine Wahl. Er versuchte Zeit zu gewinnen und schaute 
sich im Büro um. Durch den Drogennebel konnte er einen 
Kommunikationsbildschirm erkennen, neben dem ein Metall-
schrank stand, eine Art Maschine. 
»Mr. Cole?« 
Cole blickte erschrocken auf. »Oh ­ o ja, dann wohl mor-
gen.« 
Er drehte sich ruckartig auf dem Absatz um und hätte fast 
das Gleichgewicht verloren, als der Schwung ihn einholte. Die 
Kombination von Schlafmangel und Trilithium hatte ihn in 

eine unbeholfene Marionette verwandelt. Er riss sich zusammen 
und stolperte durch die Tür ins Wartezimmer ­ und blieb 
abrupt stehen. Was hatte er vergessen? Den Aktenkoffer? Den 
konnte er morgen mitnehmen. Etwas anderes. Er hatte verges-
sen, für seinen Folgetermin eine Uhrzeit auszumachen. 
»Sir?« Die Stimme der Sekretärin hinter ihm. Darin lag eine 
Spur von Verachtung. Wahrscheinlich hielt sie ihn für betrun-
ken. 
Ihm war nach Lachen zumute. Er würde sich auf ihren Schoß 
setzen, damit sie seinen Atem riechen und sich davon überzeu-
gen konnte, dass er ­ er konnte sich gerade noch zurückhalten 
und schüttelte heftig den Kopf. »Geh noch mal rein und mach 
einen Termin aus«, redete er sich  zu.  Er  drehte  sich  vorsichtig 
um und stapfte durch den Treibsandteppich zurück in Faradays 
Büro. 
Faraday stand neben der quadratischen grauen Maschine 
(die in die Wand eingebaut war, das Maul und eine Reihe von 
Wählscheiben die einzigen Armaturen) und schaute nicht auf, 
als Cole hereinkam. Er fütterte etwas in die Maschine, während 
er mit dem Kommunikationsbildschirm zu seiner Linken 
sprach. Auf dem Bildschirm befand sich ein Gesicht, das Fara-
day beobachtete ­ das Gesicht von Rufe Roscoe. Roscoe sagte 
gerade: »Wenn Sie sicher sind, dass alle beizeiten hier eintref-
fen, dann machen Sie sich weiter keine Sorgen, packen Sie den 
Kram einfach ­«, er brach ab. Auf seinem Bildschirm irgendwo 
in San Francisco hatte er Cole bemerkt, der hinter Faraday 
stand. »Verdammt!« 
Cole starrte Faraday an. Der Assistent des Bezirksstaatsan-
walts fütterte die Abschriften, die Cole mitgebracht hatte, in die 

Maschine, einen Papierschredder. Er hat einen in seinem Büro 
stehen,  dachte Cole. Gut vorbereitet, das Kerlchen. Laut sagte 
Cole: »Sie hoffen wohl auf das Amt Ihres Vorgesetzten ­« 
Er konnte die Männer nicht sehen, die ihn von hinten pack-
ten, aber er wehrte sich immerhin so sehr, dass einer von ihnen 
ihm einen Schlag auf den Kopf versetzte. Und gerade, als er 
dankbar das Bewusstsein verlor, dachte er: Das sind Bullen, und 
sie werden mich umbringen. 
 

NEU-ihn! 
 
Die Betonwand der Zelle
 schien alle Wärme aus ihm 
herauszusaugen. Draußen war die Nacht mild. Hier in der Zelle 
im Stadtgefängnis von Sacramento fühlte Cole sich arktischen 
Stürmen ausgesetzt. Zitternd knöpfte er den obersten Knopf 
seines Hemdes zu. 
Als er bei Einbruch der Finsternis mit pochendem Schädel 
aufgewacht war, hatte er sich überlegt, dass sie ihn nur deswe-
gen nicht umgebracht hatten, weil es zu viele Zeugen gab, die 
ITC gegenüber nicht loyal sein mochten. Cole war sicher, dass 
sie ihn umbringen würden. Normalerweise wäre ein bewusstlo-
ser Gefangener aufs Krankenrevier gebracht worden. Sie woll-
ten nicht, dass ein Arzt seine Verlegung nach San Francisco 
verzögerte. 
Cole saß auf dem Rand seiner schmuddeligen Pritsche und 
nickte düster. Sie würden den gestellten Fluchtversuch und die 
Erschießung am Morgen in die Wege leiten, während der 
Verlegung. Das war nur logisch. 
Er wickelte sich die grobe Gefängnisdecke um die zitternden 
Schultern, schloss die Augen und lauschte auf die nächtlichen 
Geräusche von Sacramento, die durch das vergitterte Fenster 
oberhalb der Straße zu ihm drangen. Er ließ seine Gedanken 

treiben, ließ sich vom abgehackten Lied der Stadt in den Schlaf 
wiegen, suchte Trost in der surrenden Präsenz einer Stadt, die 
so sehr der seinen glich und doch  so  anders  war.  Doch  etwas 
erkannte er wieder: ein Gefühl unsichtbarer Zusammenhänge. 
Er versuchte sich auf das zarte Muster zu konzentrieren ... 
»Hier drüben.« Die Stimme einer Frau von der stahleinge-
fassten Tür her. 
Cole blickte zum vergitterten Fenster in der Tür. Er konnte 
nicht klar sehen. Catz? 
Er sprang auf, lief zur Tür und ließ die Decke von seiner 
Schulter gleiten. 
Doch die Frau an der Tür war ihm fremd. Ihr Haar war auf 
eine Seite geworfen, die rot gefärbten Fransen flossen schüch-
tern über ihre nackte Schulter. Das grellgrüne hautenge Kleid 
zeigte eine ihrer Brüste, auf der lässig eine weiße Hand ruhte, 
die Fingernägel spiegellackiert. Sie war füllig, die ursprüngliche 
Farbe ihres herzförmigen Gesichts unter totenstarreblauer 
Hauttusche begraben. Ihre Augen verbargen sich hinter einer 
umlaufenden Spiegelbrille. Cole wusste, dass sie eine Hure war, 
das erkannte er nicht an Kleidung und Make-up ­ eine Vogue-
rin mochte das grelle Aussehen einer Hure nachahmen ­, 
sondern an ihrer Haltung: Sie war zugleich verführerisch und 
widerspenstig. Noch etwas war seltsam an ihr: Da war ein 
gewisses unerschütterliches Selbstbewusstsein, eine Andeutung 
verborgener Dimensionen. Die ganze Kombination von Merk-
malen war ihm so erst ein Mal begegnet. 
»City?«, fragte Cole zögernd. 
Sie lächelte, kaum wahrnehmbar. Die Bewegung ihrer Ge-
sichtshaut glich der Zeitlupenaufnahme einer Marmorwand, die 

sich bei einem Erdbeben wölbt. Sie war hart, hart. 
»City?«, fragte Cole, nun fast sicher. 
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.« Ihre Stimme klang rauchig, 
neckend, weise. »Der Ort bin ich nicht. Ich bin anderswo.« 
»Wie ­ wie bist du hier reingekommen?« 
»In dieser Stadt kann ich kommen und gehen, wie es mir ge-
fällt. Fast. Ein paar Stellen sind auch mir nicht zugänglich.« 
»Sie wissen nicht, dass du hier drin bist?«, fragte Cole. 
»Sie wissen nicht, dass ich hier bin ... Sie wollen dich um-
bringen, Cole.« 
»Das dachte ich mir ... sie haben sich nicht die Mühe ge-
macht, mir meine Rechte vorzulesen. Kein Telefongespräch. 
Wahrscheinlich haben sie mich bloß nicht erledigt, weil ­« 
»­ sie die Verantwortung lieber den San Franciscoer Bullen 
überlassen, falls es eine Panne gibt«, beendete sie für ihn den 
Satz und nickte. 
Cole spuckte auf den Boden. »Wie weit reicht Roscoes Ein-
fluss?«, fragte er. 
»Bis nach Redding, zumindest in diesem Bundesstaat. Aller-
dings versucht die Mafia ITC überall zu infiltrieren. Mit ge-
mischtem Erfolg. Sie werden bald eine ziemliche Überraschung 
erleben, wenn der Rest von uns ­ die Orte  sich vernünftig 
organisieren.« 
»Was meinst du damit?« 
»Ich meine Tod. Ich meine zerschmettern und zerfleischen 
und Gliedmaßen abtrennen. Starkstrom und reißende Flüsse. 
Alles sehr effizient und zielgerichtet. Tod den richtigen Leuten.« 
Cole wurde übel von ihrem unbeteiligten Ton. »Aber wir müs-
sen uns erst auf eine Zusammenarbeit einigen. Ich fürchte, 

deine ­ dein City arbeitet nicht mit uns anderen zusammen. Er 
ist ziemlich zwanghaft. Er weigert sich, loszulassen. Deine 
Freundin hat dich gewarnt ­ das weiß ich, weil sie mit Chicago 
spricht, und Chicago spricht mit mir.« 
»Du meinst Catz?«, fragte Cole und packte das Gitter mit 
feuchten Händen. 
»Ja. Sie hat zu Chicago ein enges Verhältnis.« 
Coles Gedanken wirbelten und kamen langsam zur Ruhe, als 
die Bedeutung all der scheinbar beiläufigen Bemerkungen der 
Frau zu ihm durchdrang. Und Cole wusste: »Du bist Sacramen-
to.« 
Sie nickte. 
»Und alle großen Städte verfügen über ­ Selbsterkenntnis, äh 
­ Persönlichkeit? Und können sich physisch manifestieren?« 
»>Manchmal< beantwortet beide Fragen.« 
Cole atmete lang und keuchend aus. »Dann ­ kannst du 
mich hier rausholen?« 
»Ja ­ wenn du mir etwas versprichst.« 
»Ja.« 
»Versprich mir, dass du versuchst City zu überzeugen, mit 
uns zusammenzuarbeiten ­ beim Großen Kehraus. Er weiß, was 
damit gemeint ist ... Wenn er mit uns in engerem Kontakt 
stehen würde, hätten wir ihm sagen können, dass dein Ausflug 
sinnlos ist, dass Faraday gekauft worden ist ...« 
»Versprochen.« 
Und süß wie der Kuss eines Kindes schwang die Zellentür 
auf. 
Der Betonkorridor war leer bis auf eine umherflatternde 
Motte. Cole folgte ihr ­ Sacramento ­ zu einer kahlen Wand am 

Ende des Korridors. Als schnitte sie Stücke aus einer Torte, zog 
Sacramento große Steinblöcke aus der Mauer ­ unter ihren 
Fingern schienen sie zu poröser Geschmeidigkeit zu schmelzen. 
Cole wollte helfen und holte sich nichts als Schrammen. Für ihn 
war die Wand so massiv wie eine massive Wand ... Methodisch 
zerlegte sie die Barriere und stapelte die Steinblöcke ordentlich 
aufeinander, bis sie einen Durchgang in eine Seitengasse ge-
schaffen hatte. 
Dann führte sie ihn in die Nacht hinaus. Ein führerloses Taxi 
brachte sie zum Bahnhof; der Mitternachtszug nahm gerade 
Fahrgäste auf. 
Sie küsste ihn zum Abschied, ihre Lippen auf seinen Wan-
gen. 
Die Haut auf seiner Wange brannte, als hätte er sie auf Trok-
keneis gedrückt. 
Catz. 
Sie wartete auf dem Bürgersteig vor seinem Hotel auf ihn. Es 
war vier Uhr morgens. Citys Präsenz nahm ab. Der Morgen 
schlug einen Bogen über die Stadt wie der Schwenkarm eines 
Radaroszilloskops. Es wurde merklich heller, sogar während er 
da stand und sie wortlos anschaute. 
Er schüttelte den Kopf. 
Er war aus dem Gefängnis geflohen, aus einer Falle, die töd-
lich gemeint war. Catz war hier, und er war wieder bei City. 
Das konnte nicht von Dauer sein. 
Dann vergeude es nicht, sagte er sich und ging auf sie zu. 
Sie umarmten sich. Coles Müdigkeit, die ihn noch vor weni-
gen Augenblicken hatte taumeln lassen, verflog beim Anblick 
von Catz, die im läuternden Licht der Morgensonne stand, 

umgeben von schwindenden blauen Schatten. Der Tau um ihre 
Stiefel verdunstete und schwebte als Nebel empor. Jetzt, mit ihr 
im Arm, blies er vor Erstaunen über die Vielfalt der Gefühle, die 
in ihm aufstiegen, seine Backen auf ... Sie schien seltsam klein, 
knochig, substanzlos unter ihrer Lederjacke, im Gegensatz zu 
der monumentalen Größe, die sie in seiner Erinnerung hatte. 
Er trat einen Schritt zurück, hielt sie auf Armeslänge und be-
trachtete sie. Ihre goldbraunen Augen waren groß, die Pupillen 
weit von den Schatten, durch die sie gegangen war. Ihre Haare 
waren zerzaust; sie trug kein Make-up, ein paar Narben zeich-
neten sich eindrucksvoll auf ihren Wangen ab und verliehen ihr 
ein wunderbar tragisches Aussehen. Sie presste die Lippen fest 
aufeinander, als wollte sie ihr Zittern unterdrücken und nicht 
zeigen, wie froh sie in Wirklichkeit war, ihn zu sehen. Sie trug 
uralte zerrissene anliegende Jeans und ein T-Shirt unter ihrer 
geflickten Jacke. Neben ihr auf dem Bürgersteig stand ein 
Matchbeutel mit weißer Sprühschablonen-Aufschrift: ANAR-
CHIE. 
Sie wies mit einem Nicken in Richtung des Hotels. »Be-
kommst du uns beide da hinein?« 
»Ja ...« Er räusperte sich. »Ja, um diese Zeit gibt es keinen 
Portier mehr. Die Tür lässt sich durch einen Schlüssel und 
einen Stimmabdruck öffnen. Das hat City für mich geregelt. 
Aber es funktioniert nur einen Monat lang, bis der eigentliche 
Mieter zurückkommt.« Er stand da und betrachtete sie. Die 
morgendliche Kälte steckte ihm arthritisch in den Fingerknö-
cheln. Er konnte sich nicht überwinden, zum Haus zu gehen 
und damit die Stimmung zu zerstören. 
Catz nahm ihm das ab, als sie sagte: »Himmel, nun mach 

schon«, sich bückte und ihren khakifarbenen Matchbeutel über 
die Schulter warf. Sie richtete sich auf. »Ich bin ziemlich fertig. 
Bin mit dem verdammten Greyhound gefahren. Die sind noch 
schlimmer geworden, seit ich ein Mädchen war. Kaum zu 
glauben.« 
Ein Teil seiner Müdigkeit kehrte zurück. Er kramte eine volle 
Minute in seiner Jackentasche, bis er den Schlüssel fand. Ge-
meinsam gingen sie auf die Glastüren zu. Er steckte den Schlüs-
sel ins Schloss und sagte: »Bewohner.« Ein Klicken. Er zog den 
Schlüssel ab, und die Tür schwang vor ihm auf ... 
Während sie im Aufzug nach oben fuhren, erzählte er ihr, so 
gut er das durch den verschwommenen Nebel aus Müdigkeit 
hindurch konnte, wen er in Sacramento getroffen hatte. Seine 
Beschreibung der Frau, die eine Inkarnation von Sacramento 
war, faszinierte sie. »Ich würde sie gerne kennen lernen«, sagte 
sie fast ehrfürchtig. »Die Apotheose aller Huren.« 
»Wie sie mir gesagt hat scheinst du ein enges Verhältnis zu 
Chicago zu haben. Wahrscheinlich könntest du auch mit Sa-
cramento in Verbindung treten. Ich glaube, für dich würde sie 
ihre menschliche Gestalt annehmen.« Der Aufzug stieg Stock-
werk um Stockwerk empor. Es war seltsam, sich um halb fünf 
Uhr morgens in einer aufwärts fahrenden Kiste zu befinden. 
»Wie hast du herausbekommen, wo ich bin?« 
»Chicago hat sporadisch Kontakt mit City. Anscheinend ist 
San Francisco ein ziemlicher Einzelgänger ... Du hast gesagt, 
ich könnte mit Sacramento in Verbindung treten. Als ob es für 
dich nicht in Frage käme, mich zu begleiten. Denn dann müss-
test du hier weggehen, als ob dieses Loch ein verdammtes 
Paradies wäre ­« 

»Hey, lass mich bloß in Ruhe!«, fauchte Cole. »Ich hab seit 
Tagen nicht geschlafen ­ außer als ich für ein paar Stunden 
bewusstlos war, und das war nicht eben erfrischend. Ich sehe 
Sterne, und ich bin dieser Diskussion jetzt einfach nicht ge-
wachsen.« 
Catz starrte geradeaus auf die graue Stahltür. Wie auf ihren 
Blick hin öffnete sich die Tür auf das oberste Stockwerk, und 
Cole führte Catz den Korridor hinunter zur Tür des Penthausa-
partments. Sie ließen ein weiteres elektronisches Öffnungsritual 
über sich ergehen und traten ein. Catz holte scharf Luft. »Bäh 
... Abfälle!« 
»Tut mir Leid. Ich weiß, dass es stinkt. Irgendwie war das 
Absicht. Hat wohl zu meiner Stimmung gepasst ... Ich ­« Er 
holte tief Luft. »Ohne dich ging es mir ziemlich elend.« 
Sie berührte ihn ganz sanft an der Wange und schüttelte voll 
trauriger Zuneigung den Kopf. 
Dann ließ sie ihre Tasche fallen und ging ans Fenster, um die 
Vorhänge aufzuziehen. »Nicht!«, schrie Cole. »Die Sonne 
scheint!« 
Sie ließ den Arm sinken, den sie nach dem Vorhangknopf 
ausgestreckt hatte, und warf ihm einen angewiderten Blick zu. 
»Es ist bloß, äh ­«, stammelte er. »Ich habe nicht geschlafen, 
meine Augen brennen. Ich mag jetzt kein grelles Licht ... bevor 
ich mich ausgeruht habe.« 
Sie verzichtete darauf, seine Begründung anzufechten. 
»Na, dann komm.« Sie watete durch das Chaos zum Schlaf-
zimmer. »Gehen wir schlafen. Meine Batterien sind alle.« 
»Ja«, sagte er und folgte ihr, erleichtert, der Auseinanderset-
zung entronnen zu sein. »Ich bin auch völlig fertig.« 

Sie zogen sich im dämmerigen Licht des Schlafzimmers aus, 
legten sich auf die nackten Laken und sonnten sich in der 
Anwesenheit des anderen. Cole hatte das Gefühl, in der Matrat-
ze zu versinken. Schläfrig hörte er Catz zu, drückte sie an sich 
und starrte in das Nichts  an jenem Nicht-Ort hinter seinen 
Augenlidern. 
» ... obwohl es mir seltsam vorkam«, sagte Catz, »dass mich 
City  durch  Chicago  wissen  ließ,  wo  ich  dich  finden  würde.  Er 
hat mich auch nicht daran gehindert herzukommen. Ich meine, 
er wollte mich doch eindeutig aus dem Weg haben, bevor ... 
Fast könnte man meinen, er möchte einlenken. Aber vielleicht 
ist das nur vorübergehend. Vielleicht schenkt er uns etwas, weil 
er vorhat, uns noch mehr zu nehmen ... Oder er weiß, dass ich 
nicht lange bleiben kann. Ich muss zurück und versuchen, 
diesen Plattenvertrag unter Dach und Fach zu bekommen ...« 
»Reine Spekulation«, murmelte Cole in den feuchten Kopf-
kissenbezug neben seinen Lippen. 
»Ich meine ­ also wie lange noch, Stu?«, fuhr sie fort. Sie 
gähnte. »Wie lange hältst du noch durch? Menschen sind nicht 
dafür geschaffen, so zu leben, wie du es tust. Auf Dauer funk-
tioniert das nicht, Mann. Du wirst wie all die anderen marschie-
renden Matschköpfe auf der Straße enden, die durchgeknallten 
Schizos, die Leute anschreien, die gar nicht da sind, und mit 
Laternenpfählen streiten und mit den Armen wedeln ­ das 
muss  doch  irgendwann  aufhören. Du kannst nicht bis in alle 
Ewigkeit hier bleiben. Und ­ ich muss immer an das Gespenst 
deiner selbst denken, das du getroffen hast. Ich meine ­ wo soll 
das alles enden, Stu?« 
Er antwortete nicht, zog es vor, sie glauben zu lassen, er wäre 

eingeschlafen. 
Eine Minute später war er das auch. 
 
Sie verschliefen den ganzen Tag. Als Dämmerung die Vorhänge 
verfinsterte, standen sie auf, duschten und zogen saubere Ba-
demäntel an. Blaue Seide mit den Initialen eines Fremden auf 
der Brusttasche. 
In stillschweigendem Einverständnis räumten sie die Woh-
nung auf und warfen Armladungen voll Abfall in die Entsor-
gungsklappe. Cole bemerkte, dass Catz Telefon und Fernseher 
ausgestöpselt hatte. Er sagte nichts; er konnte spüren, wie City 
jenseits der Vorhänge und Fenster vor sich hin brütete. 
Es war Nacht geworden, und jetzt hatte Catz etwas dagegen, 
die Vorhänge aufzuziehen. 
Sie griff in ihren Matchbeutel, holte ein Abspielgerät und ei-
nen Stapel Kassetten heraus und drehte die Lautstärke bis zum 
Anschlag auf. 
Auf dem Band befand sich eine Mischung verschiedener 
Künstler, beliebt und unbekannt, alt und neu. Die Musik wurde 
zu einem vernunftbegabten Wesen, das den Wänden neue, 
lebendige Bedeutung verlieh. Der Rhythmus, der nimmermüde, 
ewige Rhythmus. Ein Song aus den Achtzigern, The Odds: 
»Sex-Changed Bitch« ­ 
 
Doesn't matter if it makes you sick 
it's all the same, to her tricks 
I met her in a leather bar 
she took me home to show me her scars . . . 
 

Catz tanzte, Cole mixte Drinks. Cole war zu gehemmt, um 
nüchtern zu tanzen. Eine warme Düsternis verwischte die 
Ecken des Wohnzimmers, die Möbel schienen in Schatten 
gehüllt. Cole fühlte die Anziehungskraft der Stadt ums Haus 
rotieren: Er kam sich vor wie die Achse, um die sich die City 
drehte. Dennoch mixte er die Drinks und sah Catz zu. Sie hatte 
ihren Bademantel aufgehen lassen und tanzte wie besessen, nass 
vor Schweiß. Cole hatte den Eindruck, sie wollte die letzten 
Tropfen ihrer Jugend auskosten. 
Die Band spielte weiter, hart, schnell und fordernd, der Sän-
ger knarzte heiser im Ton eines Gebrauchtwagenverkäufers ­ 
 
She 's better than a real girl 
Twice as hot & twice as cruel 
She'll do you in the parking lot 
For a credit she'll risk getting caught 
 
She's just a sex-changed bitch 
Someday she's gonna make me rich 
She'll do you coldly but she'll do you best 
if you don 't mind the hair on her chest 
 
She's just a sex-changed bitch 
shit she's just a sex-changed bitch . . . 
 
Cole brachte Catz einen Drink, setzte sich und sah sie an. Im 
Halbdunkel schien ihre weiße Haut blau zu fluoreszieren. Sie 
sah stark und schlank aus, der Bademantel wirbelte um sie 
herum, eine frisch dem Grab entstiegene Vampirin. Cole lächel-

te anerkennend. Sie tanzte und verschüttete ihren Drink. 
Der Song endete, ein anderer begann, und Catz ließ sich ne-
ben Cole aufs Sofa fallen. Mit einer Hand kippte sie ihren 
Scotch mit Cola hinunter, die andere glitt seinen Nacken und 
seine Schultern entlang. Rittlings schaukelte sie auf der Arm-
lehne vor und zurück. 
Cole hatte seinen zweiten Scotch ausgetrunken, als Catz ihm 
das Glas aus der Hand nahm und es mit Schwung gegen die Bar 
warf, wo es knapp das schwache rote Licht verfehlte, ihre einzi-
ge Beleuchtung. Das Glas zerbrach und Catz lachte. Cole war 
klar, dass sie das nicht aus Wut getan hatte. Er schnappte sich 
ihr Glas und warf es gegen die Eingangstür; es zerbrach nicht. 
Catz lachte ihn an und ließ sich von der Armlehne gegen seine 
Schulter gleiten, bis ihr Gewicht ihn flach in die Kissen drückte. 
Er öffnete seinen Bademantel, von den Drinks benebelt, und 
sie schlängelte sich an ihm herab. Seine obere Hälfte war weich, 
seine untere Hälfte konzentrierte Härte, die sie mit ihren Lip-
pen umschloss, während seine Hände ihre Rückenmuskeln 
entlangstrichen, ihrem Rückgrat elektrische Funken entlockten. 
Sie bäumten sich gleichzeitig auf, Muskeln oszillierten von 
einem zum anderen auf derselben Wellenlänge. Sie umfing 
seine Achse mit einem Kompass, ihren zusammengepressten 
Schenkeln. Und beinahe ließ er sich gehen. Doch sie richtete 
sich auf, ließ seine Steifheit gegen seinen runden Bauch schnal-
zen und rutschte nach oben, um sich rittlings auf ihn zu setzen, 
schob sich zurecht und wand sich, bis all ihre Lippenpaare im 
Einsatz waren. Die Musik ging in rhythmisches Heulen über, 
ein donnernder Kontrapunkt, ein dröhnender Beat, das Aufein-
anderschlagen von Schwert und Schild hörbar im Klang von 

Plektrum auf Metallsaiten. 
Nach einer Zeitspanne hastigen Luftholens und sanften Aus-
atmens rollten sie auseinander. Sie stand auf und ging unter die 
Dusche. 
Doch in jener Nacht sollte es nicht das letzte Mal sein. Es lag, 
so stellte Cole verschwommen fest, eine gewisse Verzweiflung 
in ihrem Paarungstrieb, das Bedürfnis, in der verbliebenen Zeit 
so viel wie möglich zu erleben. 
Morgen früh, dachte Cole. Morgen früh wird irgendetwas 
passieren. 
Es war fast Mitternacht, als Catz sich ankleidete und loszog, 
um sich um Bandgeschäfte zu kümmern. Mitternacht war die 
Hauptarbeitszeit der Leute, die sie aufsuchen wollte. Cole fiel in 
einen unruhigen Schlaf. 
Um zwölf Uhr dreißig hatte er einen Traum. Er träumte, dass 
seine Arme darum stritten, wer rechtmäßiger Besitzer seiner 
Schultern sei. Und seine Beine stritten sich um das Eigentum 
seiner Hüften. Seine Hüften und Schultern wiederum prote-
stierten schrill, sie hätten selbst ein Anrecht als eigenständige 
Körperteile, ja sie waren sogar der Meinung, dass Arme und 
Beine in ihren Zuständigkeitsbereich gehörten und nicht an-
dersherum. Während die Arme heiße Debatten darüber führ-
ten, dass sie über das Schicksal der Schultern bestimmen sollten, 
und die Schultern wild ihren Anspruch auf die Arme behaupte-
ten, und Beine und Hüften sich in Gebietsstreitigkeiten verwik-
kelten, begannen Magen und Unterleib eine Auseinanderset-
zung. Der Unterleib beanspruchte den gesamten Körper für 
sich, da die Fortpflanzung schließlich die Hauptsache sei. Der 
Magen hielt wütend dagegen, dass Coles physische Gestalt ganz 

ihm unterstellt werden sollte, schließlich wüsste jeder Narr, dass 
Essen anerkanntermaßen das Wichtigste auf der Welt war. 
Nur der Kopf schwieg. 
Cole wachte in dem Bewusstsein auf, dass er allein war (bis 
auf die City, die um das Apartment tobte, sich um Cole als 
menschliche Achse drehte). Es war zwei Uhr morgens. Er lag 
auf dem Rücken. Er blinzelte. Er war schweißüberströmt, 
trotzdem fror er. Kalt und leer. Er war hellwach. In höchster 
Alarmbereitschaft. Was hatte ihn geweckt? Das Gefühl, dass 
etwas seinen rechten Arm heraufkroch. Er schluckte und holte 
dreimal tief Luft. Er hatte eine entsetzliche Abneigung gegen 
Nagetiere. Vielleicht kroch eine Maus seinen Arm hinauf. Oder 
schlimmer, eine Ratte. Was, wenn sie an ihm nagen würde? 
Bemüht, nur den linken Arm zu bewegen, tastete er nach der 
Lampe, die neben der Matratze auf dem Boden stand, und 
knipste sie an. Er hielt den Atem an, drehte den Kopf und hob 
die Hand, um das Vieh fortzuschleudern. 
Da war nichts, bis auf ein Lampenkabel, der Stecker gezogen. 
Eine von zwei Lampen. Komisch, dass das Kabel auf dem Bett 
lag. Es lag wie eine Ader auf der unbezogenen, verknitterten 
Decke, eine Verbindung zu der toten Lampe auf dem gläsernen 
Nachttisch neben dem Bett. Warum glotze ich dieses Kabel an?, 
fragte sich Cole. 
Catz musste es aufs Bett geworfen haben, als sie gegangen 
war; vielleicht war es ihr im Weg gewesen. 
Aber was hatte sich auf seinem Arm bewegt? Ein Traum. 
Er schleuderte das Kabel vom Bett und streckte sich aus. Er 
fühlte sich seltsam schwer, dankbar für die Entspannung. Es 
dauerte noch fünfundvierzig Minuten, bis er wieder einschlafen 

konnte. 
Er dämmerte weg, sank langsam durch die Matratze, verflüs-
sigte sich und strömte munter durch Rohre unter Citys Straßen. 
Während über ihm leuchtende Blaupausen, Gebäude und 
Versorgungsbetriebe entblößt und im Neonlicht sichtbar ge-
macht, in einer maschinellen Choreographie an und aus blink-
ten ... 
Irgendetwas weckte ihn um vier Uhr früh. Etwas hatte sich 
um seinen rechten Arm gewickelt: das Lampenkabel lag eng um 
seinen Bizeps, der Stecker bohrte seine Kupferzinken in seine 
Schulter wie die stumpf gemachten Giftzähne einer Schlange. 
Er brüllte zusammenhangslos und schlug mit den Armen 
wild um sich, bis er das Kabel abgeschüttelt hatte. Es hatte in 
seinem Fleisch Spuren hinterlassen. 
Seine Schulter war zweifach punktiert, wo die Fänge des Ste-
ckers eingedrungen waren, und die Wunde kribbelte und war 
bösartig taub. Er hob den Arm, um die Wunde besser sehen zu 
können, aber die Taubheit breitete sich aus, bis sie den ganzen 
Arm durchsetzte, sein Fleisch war unfasslich schwer. Er musste 
den Arm aufs Bett zurückfallen lassen. Er ist nur eingeschlafen, 
redete er sich zu. 
Er versuchte den Arm zu bewegen. Er rührte sich nicht. 
Er hörte sich wimmern. Er würgte es ab. Er stand auf, tau-
melte, hustete Galle und hatte das Gefühl, als versuchte er in 
einem Flugzeug zu laufen, das gerade zum Sturzflug ansetzte, 
die Schwerkraft zerrte an ihm. Er schaffte es bis ins Bad, obwohl 
seine Beine zitterten und seine Muskeln so zäh reagierten, als 
hätten sie das Bedürfnis, ganz woandershin zu gehen. Er stol-
perte zum Waschbecken, wühlte mit seiner funktionierenden 

Hand in Catz' Beutel herum ­ die andere baumelte wie totes 
Fleisch an seiner Seite ­ und schraubte mit Mühe ein Fläsch-
chen Schlaftabletten auf. Er nahm sechs, ohne Wasser. Dann 
taumelte er zum Bett zurück und schaltete das Licht aus. 
Er fiel in den Schlaf wie ein Fels von einer Klippe. 
 
Doch trotz der Schlaftabletten wurde er gegen sechs Uhr wieder 
wach. Die Sonne fuhr in schrägen, harten Strahlen durch den 
Spalt zwischen den Vorhängen hindurch. 
Cole versuchte sich aufzusetzen. Er konnte sich nicht bewe-
gen. Er blickte an sich hinab. 
Das Kabel war um seinen Hals geschlungen. Zwei Kabel, eins 
um seine Taille. Cole schaffte es, seinen Kopf vom Kissen zu 
heben und rechts über den Rand des Bettes zu schauen. Das 
Kabel, dass sich langsam um seinen Hals zuzog, führte über den 
Rand der Matratze, am Bett hinunter, unter dem Glastischchen 
hindurch ­ aber nicht zur Lampe, wie er erwartet hatte. Das 
abgetrennte Ende, das in den Lampenfuß gehört hätte, steckte 
fest in der Wand. Er spürte etwas Bohrendes, das an seiner 
Schädelbasis nagte. Es kribbelte ­ aber es war kein Elektro-
schock. 
In diesem Augenblick wurde ihm jedoch mit hysterisch ob-
jektiver Klarheit bewusst, dass er insgesamt kaum noch etwas 
spürte. 
Seine Körperteile fühlten sich schwer an, tot, geschwollen. 
Ohne Zweifel wurde starker elektrischer Strom in ihn gelei-
tet, den er einfach nicht spürte. Ohne Zweifel. Zweifellos. Wahr-
scheinlich. Womöglich. Hämische, blecherne Wörter, die durch 
sein versagendes Gehirn zuckten. 

Cole röchelte und wurde bewusstlos. 
Als er aufwachte, war es fast Mittag. Doch Cole wusste nicht, 
wie spät es war. Er konnte nicht auf die Uhr schauen, weil er 
sich nicht bewegen konnte. Dinge bewegten sich auf ihm. 
Schlängelten sich über ihn hinweg, krochen auf ihm herum. 
Kabel, schwarze Stromleitungen, schlangen sich um ihn, zogen 
sich geschmeidig fest. Verwandelten ihn. 
City? Ein tonloser Schrei. City! 
Keine Antwort. 
Und wo steckte Catz? Sie hatte allerdings gesagt, dass sie bis 
zum Abend fortbleiben würde. Nur gut, dass sie nicht hier ist 
und das sieht, dachte Cole. Sie würde sich nur einmischen wol-
len. Widerstand ist zwecklos. 
Cole wusste, dass er starb. 
In manchen Fällen ist Wahnsinn keine Verirrung. In man-
chen Fällen ist Wahnsinn notwendige Anpassung. In manchen 
Fällen ist es der einzige Ausweg. 
Es gibt bestimmte Schrecken, denen man ohne Wahnsinn 
nicht entgegentreten kann. Das war immer so, und schon sehr 
viele Menschen haben das gesagt. Es ist eine Wahrheit, die jeder 
kennt. Es gibt bestimmte Schrecken ... 
Und einer jener Schrecken besteht in schleichender Paralyse, 
jener Paralyse, die ewig zu dauern scheint. Unter dem Gewicht 
einer Stadt gefangen zu sein; lebendig begraben; die Stilllegung 
des eigenen Selbst zu erleben. 
Für Cole fühlte es sich an, wie er sich vorgestellt hatte, dass es 
sich anfühlen würde, zwischen zwei aufeinander zukommenden 
Wänden gefangen zu sein, langsam zwischen den flachen Kie-
fern eines monströsen Schraubstocks zu Gelee zerquetscht. 

Cole hatte sich gefragt, ob City es für ihn schmerzlos gestal-
ten konnte. Ob City das wollte. 
Er wollte nicht. Der Schmerz loderte auf, kam durch die 
Taubheit wie ein großer, grauenhafter Sattelschlepper, der 
urplötzlich aus dichtem Nebel auftaucht, rauschte direkt auf ihn 
zu, entsetzlich laut und mit unglaublicher, metallischer Wucht. 
So sehr tat es weh. 
Es gibt bestimmte Schrecken ... 
Cole konnte keinen Ton von sich geben. Aber innerlich lach-
te er. Als der Schmerz seine Wirbelsäule hinauf- und hinunter-
sang und sich in sanften Wellen wütend durch seine sämtlichen 
Nerven schlängelte ­ da fragte er sich, was aus Pearl geworden 
war. Und aus Catz. Und ­ 
Er lachte, weil er das Schreien hinter sich gelassen hatte. 
City ­ 
Ein weißes Tosen ... 
Cole starrte angestrengt an die Decke und tat so, als gäbe es 
nichts außer ihr. 
 
Er wurde vom Gewicht einer Stadt zerquetscht ... bis der Tod 
kam und das Gewicht von seinen Schultern nahm. 
 
Es war der Klang von Catz' Stimme, der ihn zu sich brachte. 
Er merkte, dass er neben dem Bett stand und sie anstarrte. Er 
konnte sich nicht erinnern, wie er aufgestanden war. Er erin-
nerte sich, dass er sich nicht hatte bewegen können, dort auf 
dem Bett, dass er gefangen gewesen war, gefesselt und ­ ver-
wandelt. Gefolgt von einem Kaleidoskop der Blaupausen von 
City. Und einer alles umfassenden Finsternis. Und jetzt war er 

hier und schaute Catz an, die in der Schlafzimmertür stand, 
gähnte und sich die Augen rieb. 
Es war acht Uhr abends. Das Zimmer war dunkel, die Gestalt 
auf dem Bett verschwommen. 
Wer lag auf dem Bett?, wunderte sich Cole. »Catz?«, sagte er. 
Seine Stimme hallte seltsam nach. Es war eine Stimme und doch 
keine Stimme. Er kicherte. 
Auf dem Bett lag jemand. 
Catz streckte die Hand aus und schaltete die Deckenbeleuch-
tung an. Cole blinzelte. Die Gestalt auf dem Bett war durchsich-
tig. Das ganze Zimmer ­ Cole schaute sich verwundert um ­ 
war durchsichtig. Wie eine schlechte Holographie. Die Wände 
bestanden aus einem seltsam statischen Nebel, durch den er die 
Drähte und Balken sehen konnte, das Zimmer dahinter und den 
Flur noch weiter hinten ... dann wurde der Nebel dichter und 
verbarg den Rest. Er blickte auf seine eigene Hand hinunter. Sie 
war solide, sie war echt. Wie es schien, war er das einzige sub-
stanzielle Ding auf der Welt. 
Und die Gestalt auf dem Bett war er. Er lag in die Matratze 
eingesunken da, als würde er mächtig viel wiegen. Das war 
seltsam, denn er war durchsichtig ­ scheinbar flüchtig wie Gas. 
Und dann fiel der Groschen, und Cole wurde von einhundert 
Erkenntnissen überflutet, einer nach der anderen, bis er taumel-
te und sich den Kopf hielt. Hier sind drei dieser Erkenntnisse: 
 
Er selbst war gestorben. War tot. 
(2) Die Gestalt auf dem Bett war sein Körper, verwandelt und 
entwendet. 
(3) Aus seinem Blickwinkel ­ dem seines neuen Körpers 

(Astralkörpers?) ­ schien die Welt aus Gas zu bestehen, war 
hier und doch nicht hier. Sie hatte sich als die vergängliche 
Illusion offenbart, die sie war; doch aus Catz' Blickwinkel war 
sie solide, war sie echt und Cole war tot. 
 
Das wären drei. Noch eine vierte: 
 
(4) Er selbst lebte. War am Leben; in einem neuen Körper, 
einer neuen Daseinsform. Nur der alte Cole war tot. 
Er lebte und er konnte denken. Aber er war nicht mehr zu-
rechnungsfähig. 
City hatte den alten Cole umgebracht ­ hatte sich seines 
Körpers bemächtigt, ihn durch das lange enge Verhältnis 
vorbereitet. Der Körper eines einzelnen Mannes, von einer 
ganzen Stadt besessen ­ das zumindest lag auf dem Bett. 
 
Catz schrie. 
Sie rüttelte den einstigen Cole an den Schultern, versuchte 
mit ihren Händen Leben in seine Brust zu hämmern. Wo die 
Knöchel auftrafen, bluteten sie. Als sie das sah, wich sie zurück 
und legte die zitternden Finger auf ihren weit offenen Mund. 
Ihre Augen waren weit aufgerissen und dunkel von jähem 
Begreifen. 
Der nackte Körper im Bett war zu Stein geworden. 
Doch City konnte Stein zum Leben erwecken, er konnte ihn 
zum Fließen bringen und wie Fleisch die Muskeln spielen 
lassen. Das Gefüge auf dem Bett streckte sich und das Bett 
knarrte unter dem Gewicht. Die Augen blieben geschlossen. Es 
setzte sich auf. Der Kopf beugte sich vor und zurück, drehte 

sich nach links und rechts wie eine Radarschüssel, die das 
Zimmer absuchte. Es stand langsam auf und betrachtete sich im 
Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Die strengen, gesto-
chen scharfen Gesichtszüge zeigten keine Regung. Das Gesicht 
gehörte Cole, der Ausdruck City. Was einst Cole gewesen war, 
hob die Hände, um seine Augen zu bedecken, und verbarg die 
obere Hälfte seines Gesichtes hinter der hohlen Hand. So blieb 
es zehn Sekunden lang stehen, während sich Catz vor Entsetzen 
flach an die Wand drückte; keuchend starrte sie es an. Dann 
ließ es die Hände sinken, und wo die Augen gewesen waren, 
trug es jetzt eine Spiegelbrille, das Gestell fest mit dem Fleisch 
um die Augenhöhlen verwachsen. City wandte sich um, schaute 
Catz an und füllte seine Spiegelaugen mit ihrem Abbild. Catz' 
Gesichtsausdruck ­ Abscheu ­ spiegelte sich zwiefach darin. 
»Catz!«, sagte Cole. Überrascht blickte sie in seine Richtung. Sie 
schien ihn nicht zu sehen ­ aber sie hatte ihn gehört. »Kannst 
du mich sehen?« 
»Stu?«, fragte sie vorsichtig. Sie blinzelte. »Ich kann dich fast 
­ da ist etwas, aber ­« 
»Catz ­«, sagte Cole. Sie spitzte die Ohren. Sie hatte ihn ge-
hört. 
»Stu!« 
Die Gestalt vor dem Spiegel ­ City ­ wandte sich um und 
schaute Cole an. Cole fühlte seine Augen auf sich. Er spürte City 
um sich her wie ein Schwimmer etwas von den Tiefen des 
Ozeans  unter  sich  ahnt,  obwohl  er  in  flachem  Wasser  entlang 
der Küste schwimmt ... ein Widerhall aus großen, fernen 
Tiefen. Die Plätze der Stadt waren durchdrungen vom Lärm des 
Verkehrs und den Mühen der Menschen, dem Geschrei der 

Kinder ­ 
City wandte sich von ihm ab und das Gefühl völligen Stadt-
seins schwand in den Hintergrund. City ging auf Catz zu und 
streckte eine kalte Hand nach ihrer Schulter aus. »Dies ist nicht 
dein Ort«, sprachen die eisernen Lippen unter der nicht atmen-
den Nase und den Spiegelaugen. 
Sie stieß ein Geräusch aus: »Au ­ au ­ oph ­ au ­«, und wich 
vor ihm zurück und rieb sich die wunde Stelle, wo seine Finger 
sie berührt hatten. Dann drehte sie sich um und ging hinaus, 
und Cole hörte sie noch sagen: »Stu, es tut mir Leid.« 
Etwas Warmes verließ Cole und er litt an seiner Neuheit. 
City wandte sich ihm zu und sagte: »Geh wohin du willst. 
Durchschreite die Weite des Raumes und die Länge der Zeit. 
Aber misch dich nicht in meine Angelegenheiten. Es ist Zeit für 
den Großen Kehraus ...« 
Schimmernd schritt City durch schimmernde Tore über 
schimmernde Ebenen und ließ Cole mit der ganzen Welt allein. 
 

ZEHNNN! 
 
Drei der sieben Männer
 im Konferenzraum dachten in 
diesem Augenblick lediglich ans Abendessen ­ sieben Uhr 
dreißig an einem Donnerstag. Die anderen vier dachten an das 
Abendessen und an ihre Pläne für den Abend (einer von ihnen 
­ der Anwalt ­ hing in Gedanken einer sexuellen Fantasie nach; 
mit seiner linken Hand hätschelte er die Erektion unter seiner 
Hosentasche) und, was zumindest entfernt möglich war, befass-
ten sich mit den anstehenden Geschäften. Sie hatten die Diskus-
sion satt und das Thema war in zunehmendem Maße peinlich 
geworden.  Die Saboteure. Sie dachten nicht gern an die Sabo-
teure (einige beharrten darauf, dass es nur ein einzelner Mann 
gewesen war, aber ein müder Clubbesitzer konnte nicht allein 
für den versuchten Bombenanschlag verantwortlich sein, für 
den Tod einer ganzen Anzahl von Vigilanten, für die Störung 
der Aktion auf dem Rockkonzert, für die propagandistischen 
Holos, für ein halbes Dutzend unerklärlicher Ereignisse ein-
schließlich des Massakers an den Ganoven cum  Vigilanten 
durch eine völlig unbegreifliche Eruption von Abwasserrohren 
und Straßenlaternen), denn die Schlussfolgerungen waren 
beängstigend. Alles war so glatt gelaufen bis vor kurzem ... 
Entsprechend hatte sich die Diskussion von rhetorischen Wort-

gefechten zur Debatte zur bockigen Streitigkeit zur Schimpfka-
nonade gewandelt, um mit Seufzern und Schulterzucken zu 
enden. Ohne zusätzliche Informationen gab es für das Problem 
keine Lösung: Vertagen wir es also. 
Rufe Roscoe war mit dem Ausgang der Konferenz natürlich 
nicht zufrieden. Er hatte den Eindruck, dass es seinen Beratern 
eindeutig an Entschlusskraft mangelte. Sie schienen müde und 
gleichgültig.  Selbstgefällige Schweinehunde. Vielleicht sollten 
diese Konferenzen nicht in einem klimatisierten Raum hoch 
oben in einem bewachten, erdbebensicheren Wolkenkratzer 
stattfinden. Ein Mutterschoß mit Aussicht ­ womöglich zu 
bequem. Als er vor achtundzwanzig Jahren angefangen hatte, 
wurden Pläne in billigen, verqualmten und nach Schweiß 
riechenden Hinterzimmern beim Klappern der Billardtische 
und Murmeln der Rouletteräder von nebenan geschmiedet. 
Dieses ungeschützte Umfeld hatte sie stets daran erinnert, dass 
sie höher hinauskonnten, an einen sicheren Ort, und dieses 
Wissen hatte sie angetrieben. In einem solchen Zimmer hatte er 
erstmals den Computerveruntreuungsplan vorgeschlagen, mit 
dem er seine erste Million verdient hatte. 
Hier? Pastellfarbene Wände, Musikberieselung aus versteck-
ten Lautsprechern, sanft dahintreibende Wolken vor den pola-
risierten Fenstern ... sämtliche Männer im Konferenzraum 
waren von diesem bequemen Käfig eingelullt, von ihrer eigenen 
Sicherheit überzeugt, in dem selbstzufriedenen Wissen vereint, 
dass sie unangreifbar waren (daran konnten auch die beiden 
Maskierten nichts ändern, die auf diesem Stockwerk in genau 
solch ein Zimmer eingedrungen waren und den Mann aus dem 
Osten erschossen hatten ­ es waren neue Sicherheitsvorkehrun-

gen getroffen worden, sehr umfassende Vorkehrungen, das 
konnte nicht wieder passieren). Sie befanden sich in Sicherheit. 
Die verschlossene Tür des Konferenzzimmers flog aus den 
Angeln und knallte in Fred Golagongs schmalen orientalischen 
Rücken, brach ihn an drei Stellen und tötete ihn augenblicklich. 
Trotz seiner Panik dachte Rufe Roscoe: Geschieht den selbst-
gefälligen Schweinehunden recht ... Ein Mann tauchte im Tür-
rahmen auf (und obwohl Roscoe ihn noch nie von Angesicht zu 
Angesicht gesehen hatte, war er ihm nicht fremd ­ es war eine 
bekannte Gestalt aus einem ganz bestimmten seltsamen, immer 
wiederkehrenden Traum), stürmte wie eine Dampfwalze los 
und zerschmetterte den Konferenztisch. Aus drei Richtungen 
wurden Waffen abgefeuert, eine aus dem dahinter liegenden 
Flur, und Männer kreischten schrill. Nur einer der Schreie war 
vernünftig, und der kam von Rufe Roscoe: »Was zum Teufel ist 
mit den ganzen großartigen Wachen und den großartigen 
Alarmsystemen?« Das waren die letzten Worte, die er in diesem 
Leben sprach, da ihn der Mann mit der Spiegelbrille und den 
Armen, die so stark wie eine Zugbrücke waren, Sekunden später 
mit einem einzigen Schlag tötete. 
Es galt sieben Männer zu töten, doch es dauerte nur andert-
halb Minuten. 
Der Große Kehraus hatte angefangen, und San Francisco 
trug seinen Teil dazu bei. 
 
Acht Uhr abends in Phoenix, Arizona. Eine warme Nacht. 
Phoenix ist eine Stadt, in der Bauarbeiten unablässig das 
städtische Narbengewebe erweitern, das von den Menschen 
Siedlungsbauvorhaben genannt wird. Aufbau und Zerstörung, 

und Menschen halten Einweihungsreden über den ewigen 
Kreislauf von Tod und Wiedergeburt, wie Neues aus der Asche 
des Alten entsteht, die Asche, aus der sich ­ vermutlich ­ der 
Phoenix erheben wird. 
Und wie der Kopf eines unbeholfenen Stahlvogels hob die 
vollautomatische Abrissmaschine ihren Derrickkran und holte 
ihre zehn Tonnen schwere Kugel an ihrem Kabel ein. Wie ein 
Vogel, der seinen Kopf an seinem langen Hals hebt, um sich 
umzusehen. Sie hatte ihr Nest in den Ruinen eines riesigen 
Gebäudes gebaut, ein runder Hohlraum, in dem unterschiedlich 
große Stücke Mauerwerk und zersplittertes Bauholz herumla-
gen. 
Um den surrenden Kran herum zeigten sich an dem zu drei 
Vierteln ausgehöhlten Bau auf dem verlassenen Abrissgelände 
die aufgeschnittenen Waben eines der letzten Häuser aus dem 
neunzehnten Jahrhundert, die es in der Stadt noch gab. Einst 
war es ein großartiges Gebäude gewesen, der Stolz der Stadt, 
verschwenderisch mit Engeln bestückt, die Gesimse und ver-
zierte Dachrinnen stützten. Es war ein massives Haus gewesen, 
aus gutem Holz und Stein für die Ewigkeit gebaut, und es hätte 
noch ein weiteres Jahrhundert seinen Zweck erfüllt, wäre da 
nicht die Habgier der Immobilienmakler gewesen ... Der Ar-
chitekt, der das alte Gebäude 1891 entworfen hatte, hatte über 
den fertigen Blaupausen stolz seinen Schnauzbart gezwirbelt. Er 
hatte diesen Tag nicht vorausgesehen, er hätte sich nicht einmal 
vorstellen können, dass das massive und trotzdem elegante 
Kind seines Erfindergeistes als vergewaltigte Ruine um eine 
gefühllose Maschine stand, um einen Attentäter. 
Doch als hätte dieser Attentäter ein Verständnis für das Erbe 

entwickelt, das er zerstört hatte, als wäre er entschlossen, den 
Mord zu rächen, für den er die Mordwaffe abgegeben hatte, 
schaltete er seine Kameraaugen und seine Positionslampen ein 
und rumpelte mit seinen zahllosen Tonnen Gewicht aus dem 
Abrissgelände heraus und eine ruhige Seitenstraße entlang. 
Die Maschine war ohne Hilfe ihres Programmierers erwacht, 
und ohne Richtungsanweisung durch den Programmierer folgte 
sie einem zielgerichteten Kurs durch das Labyrinth der Seiten-
straßen, brachte den Verkehr durcheinander und löste fünf 
verschiedene Alarmanlagen aus. 
Jeder ging ihr aus dem Weg ­ niemand blieb, um das Un-
mögliche in Frage zu stellen. 
Bis zum Ziel der Abrissmaschine waren es nur sechs Blocks: 
ein neues Bürogebäude, sechs übereinander liegende sechsecki-
ge Kästen, jedes Stockwerk durch Rolltreppen und Aufzüge in 
durchsichtigen Wirbelsäulen miteinander verbunden. Der 
ganze Bau bestand aus polarisiertem Plastglas und Chroma-
lumbändern, von dekorativen, aufwärts gerichteten Flutlicht-
scheinwerfern eingepackt. Im ersten Stock dieses gleißenden 
Gebäudes stritten drei Männer und zwei Frauen heftig mitein-
ander. 
Einer von ihnen, Lou Paglione, schlug wiederholt mit der 
flachen Hand auf den Tisch, um jedes einzelne Wort zu beto-
nen: »Es ist mir egal« ­ klatsch! ­, »ob dieser Mann sich für den 
Don der ganzen westlichen Hemisphäre hält« ­ klatsch! ­, »er 
muss sich trotzdem an die« ­ klatsch! ­ »Regeln halten!« ­ 
klatsch! Er richtete sich auf, stieß die Hände in seine Hosenta-
schen; endlich hörten ihm alle zu. Er war der vielleicht am 
wenigsten imposante Mann im Zimmer ­ mit schmalen Schul-

tern, Spitzbauch, einer Brille mit dicken Gläsern, und er glich 
insgesamt eher einem Lehrer an einer Fachhochschule ­, doch 
alle Gesichter wandten sich ihm in respektvoller Erwartung zu. 
»Also«, sagte Paglione und kratzte sich am Ohr, »Ihnen mag es 
wie eine Kleinigkeit vorkommen, aber für mich ist das äußerst 
wichtig. Mr. Rufe Roscoe veranlasst, dass ihm jeder Stadtaus-
schuss nach jeder Sitzung alle Einzelheiten per Datatrans über-
mittelt; mit einigen von uns in benachbarten Zeitzonen möchte 
er direkt in Verbindung treten. Oh, ja! Es scheint keine Rolle zu 
spielen, dass wir uns weiß Gott an unsere eigenen Zeitpläne 
halten müssen ­ und dann missachtet er seine eigenen Anwei-
sungen ...« Paglione deutete auf den leeren Bildschirm, der 
gleichzeitig als Tischoberfläche diente, die alle fünf Direktoren 
der Sunset Operations West voneinander trennte, jener Deck-
organisation für den Computerinfiltrationszweig des Syndikats 
in Phoenix. 
Eine Frau mit zynischen blauen Augen und einem abge-
härmten Patriziergesicht unter den Locken einer blonden 
Perücke schürzte ihre kabeldünnen Lippen und gab zu beden-
ken: »Lou, wir sollten in Betracht ziehen, dass Rufe Roscoe sich 
bisher  immer  an seine Versprechen gehalten hat. Dies ist das 
erste Mal ... und das auch noch bei einer wichtigen Sitzung. Es 
ist sonst nicht seine Art, einen Termin platzen zu lassen. Und 
dann noch der Umstand, dass sich in seiner Zentrale überhaupt 
niemand meldet ­ nun, er hätte zumindest einen Telefondienst 
beauftragt, aber nicht einmal das gibt es.« 
Paglione runzelte die Stirn und wies mit dem Kopf auf den 
blaugrauen Bildschirm. »Sie denken also, etwas ist schief gelau-
fen.« Man konnte schief gelaufen unterschiedlich betonen. 

Paglione wollte damit andeuten: Er ist angegriffen worden. 
»Ich habe Gerüchte über seltsame Vorkommnisse gehört«, 
sagte ein junger Mann vorsichtig. »So ganz ­ äh ­ konnte ich 
das nicht glauben. Aber jetzt klingt es nicht mehr so unglaub-
würdig ... Langsam denke ich ­« 
Tief in seinem Rachen stieß er ein Röcheln aus und starrte 
die abgedunkelte Fensterscheibe hinter Paglione an. Paglione 
wandte sich um. »Was? Wo?«, sagte er. 
Das Fenster war auf halbe Durchlässigkeit eingestellt, doch in 
geringer Entfernung war eine große Silhouette zu erkennen. 
»Das ist nur ein Schatten«, sagte die Frau missmutig und 
wandte sich vom Fenster ab. 
Paglione starrte weiter hinaus. Die Silhouette wurde mit je-
der Sekunde größer und bedrohlicher: ein riesenhafter Umriss, 
ein gigantisches Skelett mit einer großen runden Faust. Der 
junge Mann stand abrupt auf, ging ans Fenster und schaltete es 
auf durchsichtig. 
Paglione hatte es nicht dadurch zum hiesigen Don gebracht, 
dass er seine Vorahnungen ignorierte. So konnte er nicht mehr 
sehen, wie die Stahlkugel auf das Fenster zusauste; er rannte 
bereits den Flur entlang zum Aufzug. 
Doch der junge Mann und die anderen sahen sie kommen; 
und jeder hatte Zeit für genau einen Schrei. 
Es kam zu unerwartet und es war zu nahe (und zu groß), um 
in diesem Moment klar erkennbar  zu  sein,  auch  wenn  es  sich 
vor dem Hintergrund der blitzenden Lichter der Stadt deutlich 
abzeichnete. Für die vier Menschen, die in dem Konferenzraum 
zurückgeblieben waren, wirkte es schlicht wie das gewaltige 
Instrument ihres Todes. Bevor sie Zeit fanden, für einen zwei-

ten Schrei Atem zu holen, explodierte der Raum. Riesige Glas-
scherben und Chromalumteile, Blut und Fleischfetzen regneten 
auf den himmelblauen Synteppich des darunter gelegenen 
Parterrebüros hinab. 
Paglione stürmte die Rolltreppe hinunter (die bereits für die 
Nacht abgestellt worden war; er nahm immer vier Stufen auf 
einmal) in die geflieste Tiefgarage, stolperte und fiel, als der 
Boden bebte und Brocken todbringenden Silikons auf ihn 
herabstürzten. Er wurde von keinem direkt getroffen, rappelte 
sich auf und gab in panischer Flucht Geräusche von sich, die 
wie »Argh, aughk!« klangen. 
Der Abrisskran zerlegte das Gebäude mit todbringender Effi-
zienz. Die magnetisch gesteuerte Kugel schnitt zielgerichtet 
durch Eckpfeiler und Streben, nahm die Struktur des Gebäudes 
methodisch auseinander, geradezu mit Bedacht. Die Abrissku-
gel selbst sandte Mikrowellen aus, die in den widerstandsfähige-
ren Abschnitten des Gebäudes die Träger aufweichten. Inner-
halb von fünfzehn Minuten war das ganze vier Monate alte 
Gebäude im Wert von mehreren Millionen wie ein Kartenhaus 
in  sich  zusammengefallen.  Der  Einsturz  hallte  in  der  ganzen 
Stadt wider. 
Einer der zahlreichen Feuerwehrleute, die aus in der Nähe 
geparkten Löschfahrzeugen erstaunt zuschauten, pfiff leise vor 
sich hin. Der Mann neben ihm lächelte auf eine seltsam ver-
träumte Art zufrieden. »Wie in dem Traum, den ich letzte 
Nacht hatte«, sagte er. »Komische Sache.« 
»Ja, davon habe ich auch geträumt.« 
Der Feuerwehrwagen, Teil einer Vielzahl unterschiedlicher 
Rettungsfahrzeuge, die sich auf Meldungen über einen Amok 

laufenden Cyberkran hin versammelt hatten, stand im rechten 
Winkel zu den anderen, mit abgestelltem Motor, ausgeschalte-
ten Scheinwerfern und ohne Fahrer. Und trotzdem sprang er 
an, fuhr auf die Straßenmitte hinaus und erschreckte die Feu-
erwehrleute auf ihrer Hühnerleiter. Er raste auf eine Gestalt zu, 
die schwitzend den Bürgersteig entlangtrippelte, ein kleiner 
Mann mit schütterem Haar. Er blickte über seine Schulter und 
sagte: »Argh, aughk!«, als das Löschfahrzeug ihn überfuhr. 
Dann war Don Paglione tot, und der Abrisskran hielt inne, und 
der Feuerwehrwagen blieb stehen, und ein ganz bestimmter 
Abschnitt des kollektiven Bewusstseins von Phoenix schlum-
merte wieder ein. 
Einige hunderttausend Menschen, die schliefen oder vor dem 
Fernseher tagträumten, stießen ein zufriedenes Grunzen aus. 
Sie hätten nicht sagen können, worauf sie in diesem Augenblick 
stolz waren. Aber stolz waren sie, und ein Parasitennest war 
ausgeräuchert. 
Phoenix hatte seinen Teil getan. 
 
Und in Chicago ... Und in Sacramento ... Und in Portland, 
Seattle, Boise ... 
... In Manhattan fuhr eine Gruppe grimmig dreinschauender 
Männer in einer gepanzerten Limousine zu einer Sitzung. Die 
Panzerung nützte ihnen wenig, als der Wagen unerklärlicher-
weise ein Eigenleben entwickelte, mit hundertvierzig Stunden-
kilometern durch den Lincoln Tunnel raste (eindeutig nicht die 
richtige Richtung) und die Steuerung sich weigerte, dem ver-
ängstigten Fahrer zu gehorchen. Direkt auf der anderen Seite 
des Tunnels, auf einem breiteren, weniger befahrenen Straßen-

abschnitt, kollidierte er frontal mit einer anderen Limousine. 
Ein Augenzeuge beschrieb den Unfall später als »spektakulär«. 
Die zweite Limousine, die ebenfalls nach eigenem Willen 
und mit großer Geschwindigkeit unterwegs war, beförderte vier 
einflussreiche Männer aus Boston, die zu einem Treffen mit 
eben jenen Männern unterwegs waren, mit denen sie zusam-
menprallten. Das Treffen fand so gründlichst statt. 
... In Houston gab es einen Turm. Er war höher als die Space 
Needle in Seattle, glich ihr ansonsten jedoch weitgehend. Er war 
höher, eleganter, gläserner, moderner ­ will sagen, deutlich 
schlechter gebaut. Wie bei der Space Needle befand sich auch in 
seiner Kuppel ein Restaurant, und dieses Restaurant drehte sich, 
um einen Ausblick auf die beeindruckende Skyline von Hou-
ston und den Golf von Mexiko zu gestatten, alle fünfundvierzig 
Minuten einmal um die eigene Achse. Heute Nacht drehte sich 
das Restaurant nicht. Es war geschlossen. Es war ausgesprochen 
leer, mit Ausnahme von sieben Männern und zwei Frauen, die 
an einem der Tische saßen, tranken und diskutierten und auf 
einen Bildschirm neben dem Zuckerstreuer deuteten, auf dem 
kein Bild zu sehen war. Diese neunköpfige Kamarilla war sich 
nicht bewusst, dass sie allein war: Niemand hatte bemerkt, dass 
ihre Wachleute und der einzige Kellner das Gebäude verlassen 
hatten (ebenso wenig hatten Roscoe und Paglione bemerkt, dass 
ihre Bediensteten weggelockt worden waren, so dass nur noch 
die unzweifelhaft Schuldigen zurückblieben), die Stadt hatte 
ihnen einen Streich gespielt. 
Einer der Neuen aus Houston hob die Hand, bat um Ruhe 
und rief verdrießlich in Richtung Bar: »Jude, tausend Höllen-
hunde, warum hast du das eingeschaltet? Ich werde seekrank, 

wenn sich das verdammte Ding dreht!« 
Die anderen richteten ihren Blick überrascht auf das Netz der 
grellen Lichter der Stadt und bemerkten, ah ja, das Restaurant 
drehte sich tatsächlich. 
Von Jude kam keine Antwort. 
»Hee!«, rief die Frau und runzelte die Stirn. »Hee ...« Etwas 
leiser dieses Mal. »Hee du ­ verdammte Scheiße!« Beim Ver-
such aufzustehen war sie hingefallen. Die Drehgeschwindigkeit 
des Restaurants hatte plötzlich zugenommen und sie hatte das 
Gleichgewicht verloren. Sie kam nicht wieder auf die Füße. 
Innerhalb von Sekunden verwandelten sich die Lichtpunkte in 
Meteoritenspuren und dann durchgehende Lichtstreifen. Die 
Kuppel des Turmes drehte sich schneller, als ihre Maschinen 
alleine sie hätten antreiben können. Und noch schneller. 
Viele Schreie wurden dort oben laut, doch der Turm thronte 
zu hoch über der Stadt, als dass die Schreie (gefolgt von pani-
schem Jaulen und dann Kreischen und dann Wimmern und 
dann Schweigen) von der schlafenden Bevölkerung hätte gehört 
werden können. 
Es ist erstaunlich, was ausreichende Zentripedalkraft mit 
menschlichem Fleisch tun kann. Was einmal mehr beweist, dass 
Muskeln und Knochen nicht so stabil sind, wie sie aussehen ... 
... Und in Miami ... In Biloxi, Atlanta, Los Angeles, San 
Diego, Detroit ... 
 
»Die eine Hälfte der Nation fürchtet sich«, sagte Cole zu sich 
selbst, »und die andere Hälfte ergötzt sich staunend.« 
»Ja. Die religiösen Gruppierungen haben regen Zulauf«, er-
widerte Cole. Denn Cole sprach nicht im übertragenen Sinne 

mit sich selbst. Er hatte sich wieder getroffen, sein körperloses 
Selbst aus einer anderen Zeitkonvergenz: Sie ruhten sich an 
einer Wahrscheinlichkeitsgabelung aus und unterhielten sich. 
Natürlich wussten beide, was der andere sagen würde, bevor 
es ausgesprochen war. Trotzdem musste es gesagt werden. Und 
gehört. Eine Litanei. 
Ein Cole befand sich auf dem Weg, um seiner Geburt beizu-
wohnen. Der andere war zu seiner ersten Begegnung mit Catz 
Wailen unterwegs; er hatte gerade seine Geburt gesehen (und 
auf dem Weg dorthin war er sich begegnet, der gerade von dort 
zurückkam; auf diese Weise entstehen die Muster orientalischer 
Teppiche). Sie standen vor dem mit Brettern vernagelten Club 
Anesthesia. Die City um sie herum flackerte zwischen Sichtbar-
keit und Unsichtbarkeit, Zeitströme trafen aufeinander und 
wurden zurückgeworfen, die Menschen glichen stroboskopi-
schen Ereignisfolgen, die sich die Straßen entlangbewegten. Die 
Coles dagegen waren solide ­ in ihren eigenen Augen. 
»Von Cole zu Cole gesprochen«, sagte einer von ihnen und 
beugte sich vor, »die Neutralität unserer Position, regt die ... 
uns nicht auf?« 
»Manchmal. Auf somatischer Ebene spüre ich nicht viel von 
dieser Ebene. Wenn ich mich zwicke, tut es weh ­ aber wenn 
ich mit der Faust auf den Boden schlage, gibt er nach ... auch 
wenn er für sie aus Beton ist. Also, äh, das weist doch darauf 
hin, dass es eine Ebene gibt, auf die ich ­ wir ­ gelangen können 
und gelangen werden, auf der wir im weiteren Sinne auf die 
physische Welt Einfluss nehmen können.« 
»Da kommen wir noch hin«, stimmte der andere Cole zu 
und kratzte sich an der nackten Leiste. Er runzelte die Stirn. 

»Wir tragen beide keine Kleider ... aber ich kann mich erin-
nern, dass ich mich getroffen habe, als ich die Warnung vor den 
Vigilanten in Oklahoma erhalten habe, und dass, äh, wir etwas 
anhatten ...« 
»Ach, in einer anderen relativen Zeitfolge wirst du ­ werde 
ich ­ beschließen, etwas anzuziehen. Verstehst du, die Klei-
dung, die du früher getragen hast, hat sich deinem Körper so 
weit angepasst, dass sie auf physischer Ebene von den, hmm, 
charakteristischen Vibrationen durchdrungen wurde, die dich 
und mich ausmachen ... Auf die Art können Leute mit überna-
türlicher Wahrnehmung verschollene Menschen finden ­ sie 
berühren ein altes Kleidungsstück von ihnen ... Das hat etwas 
mit der Absorption von Elektronen zu tun, deren Schwingung 
für dein elektromagnetisches Feld charakteristisch ist ... Jeden-
falls kannst du Kleidungsstücke tragen, die du während deines 
Lebens ­ deines anderen Lebens ­ getragen hast, und sie auf die 
andere Ebene mitnehmen.« 
»Das wusste ich doch bereits«, erwiderte der andere Cole. 
»Ich weiß nicht, warum ich das überhaupt gefragt habe.« 
Sie lachten. 
Sie standen in einem Zeitkorridor, von dem aus betrachtet 
sich die Ereignisfrequenz der sie umgebenden Welt deutlich 
erhöhte. So entstanden auch die stroboskopischen Ereignisfol-
gen, Röhren mit menschlichen Umrissen, die zeigten, wo Leute 
die Straße entlanggingen. Wenn sie in einen Zeitkorridor mit 
niedrigerer Ereignisfrequenz wechselten, könnten sie die Welt 
mit den Augen der anderen Menschen sehen, einen menschli-
chen Schritt nach dem anderen, wie verschwommen, refraktär, 
vielschichtig auch immer. 

In ihrer Nähe kreuzte sich gerade ein ganzes Bündel strobo-
skopischer menschförmiger Röhren, blieben beisammen, was 
aussah wie zahlreiche große Bänder, die sich zu einer fleischfar-
benen Schleife wanden ... »An allen Straßenecken der City 
stehen Leute herum und debattieren darüber, warum all die 
Mafia-Dons umgelegt worden sind«, sagte Cole zu Cole. 
»Wahrscheinlich einigen sie sich darauf, dass ein rachsüchtiger 
Millionär sie hat heimlich umbringen lassen ­ wie die Vigilan-
ten, nur mit neuartigen technischen Mitteln ...« 
»Ich wusste, dass du das sagen würdest.« 
»Ich wusste, dass du das sagen würdest.« 
Sie lachten wie aus einem Munde und gingen gleichzeitig ih-
rer unterschiedlichen Wege. 
 
Cole spazierte leise kichernd neben seinem Körper her, der von 
der City besessen war. Die City, die neben ihm herlief ­ und auf 
mehreren Ebenen gleichzeitig existierte ­, benutzte Coles 
verlassenen Körper als Vehikel. Cole hatte allerdings Schwierig-
keiten damit, diese Manifestation von City als eine Version 
seiner selbst zu begreifen, als etwas, das von Stu Cole Besitz 
ergriffen hatte. Einerseits lag das an der Spiegelbrille, die sich an 
den Rändern in den Schädel gruben, der einmal ihm gehört 
hatte; andererseits lag es an den Gesichtszügen, so grimmig wie 
die Front eines heranrasenden Zuges. City hatte sich in eine 
grobe Khakiuniform und einen Schlapphut gekleidet. Seine 
Hosen waren aufgerissen von den Mauern, die er geschleift, und 
den Kugeln, die er aufgehalten hatte. Cole trug einen Anzug, 
war jedoch barfuß. Gemeinsam gingen sie eine spärlich be-
leuchtete Straße in San Rafael entlang. Im Dunkeln hätte Cole 

seine Umgebung fast für solide halten können. 
Er dachte bei sich, dass ihn der Raub seines Körpers nicht 
sonderlich wurmte. Es war unvermeidlich gewesen; er hatte ihn 
City fast freiwillig überlassen. Und City trug nicht allein die 
Schuld daran. Nicht mehr als jeder andere in San Francisco. Er 
war schlicht und einfach die physische Manifestation der unbe-
wussten Frustrationen, die sich im kollektiven Unterbewusst-
sein bildeten und wieder verschwanden. 
»Ich verstehe nicht ganz, warum sie sich immer noch zu-
sammen herumtreiben, schließlich sind ihre Arbeitgeber tot.« 
»Zur Sicherheit«, erwiderte City. »Ziemlich dumm von ih-
nen. Sie halten zueinander, weil sie fürchten, dass auch ihnen 
Gefahr droht. Sie haben Recht. Allerdings wäre das nicht der 
Fall, wenn sie keine Gruppen bilden würden. Als Einheit glei-
chen sie einem Krebsgeschwür und ich werde sie ausmerzen 
müssen. Und sie werden mich zerstören ­« 
»Ach? Ist das wirklich nötig?« 
City nickte kaum merklich. »Wie gehabt. Befruchtung durch 
Blut.« 
Cole sagte verträumt: »Wie damals, als sie dich mit dem Au-
to gerammt haben und dein Blut auf die Straße gelaufen ist. Die 
Straße ist erwacht und hat dich gerächt ... ein Ritual.« 
»Wenn du so willst. Es ist notwendig.« 
Jemand kam auf sie zu. Ein kleines Mädchen, dass einen 
kleinen Terrier spazieren führte. Das Mädchen und der Hund 
oszillierten zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit hin und 
her. Kurzzeitig waren ihre inneren Organe zu erkennen, das 
Muster ihres Blutkreislaufs umriss ihre Körper. Cole befand 
sich im gleichen Zeitrahmen wie sie, beobachtete sie an einem 

Ort nach dem anderen, Schritt für Schritt. Neben ihnen stand 
eine massive Gestalt, ein erwachsener Mann, der nackt war und 
weinte. Ein Mann, der bei seinem Tod ungefähr Mitte dreißig 
gewesen sein musste, schätzte Cole. Sie gingen rechts an Cole 
und City vorbei. Das Mädchen riss die Augen weit auf, als sie 
City sah, sagte jedoch nichts. Ihr Hund erstarrte und zerrte an 
der  Leine.  Er  sprang  in  den  Straßengraben,  um  so  weit  wie 
möglich von City wegzukommen. Das kleine Mädchen schien 
weder Cole noch den Mann neben sich zu sehen. Wahrschein-
lich war das ihr kürzlich verstorbener Vater. Das war die erste 
zwischenkörperliche Gestalt, die Cole ­ außer sich selbst ­ 
gesehen hatte. Doch der Mann nickte ihm nur zu und starrte 
weiter traurig seine Tochter an. »Twyla«, sagte er klagend. Sie 
hörte ihn nicht, doch der Hund spitzte die Ohren und riss sich 
los. Er hetzte über die Straße und schleifte die Leine hinter sich 
her. Das Mädchen jagte ihm laut schreiend nach, gefolgt von 
ihrem Vater, der ihr schluchzend hinterherstolperte. 
Cole lief es kalt den Rücken hinunter. Das erste Mal seit sei-
ner Verwandlung war er unglücklich. Und gleichzeitig vernahm 
er, wie ein anderer Ort nach ihm rief. Wo? 
»Du verlässt mich?«, fragte City. In seiner Stimme lag eine 
Spur von Bedauern. 
»Nein«, sagte Cole nach einer Weile. »Ich werde dich nie ver-
lassen. Nicht, solange es dich gibt. In ungefähr vierzig Jahren, 
nach  ihrer  Zeitrechnung, wird die Stadt fast tot sein. ITC und 
andere Systeme werden das Globale Dorf möglich machen. Es 
wird nur noch kleine Gemeinden geben ­ ein paar hundert 
Leute ­, und entsprechend wird sich eine andere Art kollektiven 
Bewusstseins bilden. Dann wirst du nicht mehr hier sein und 

mich nicht mehr brauchen, und ich werde jenen anderen Ort 
aufsuchen. Ich bin jetzt irgendwie freier. Ich werde in andere 
Städte  gehen.  Ich  muss  bald  nach  Chicago.  Aber  in  einem 
anderen Zeitrahmen werde ich immer hier sein, und der primä-
re Cole ­ relativ gesprochen ­, der primäre Cole, der sich in 
Übereinstimmung mit dem Zeitstrom entwickelt, wird immer 
zu dir zurückkehren.« 
Cole hatte leise und beruhigend gesprochen. City hatte ihm 
zugehört, ohne eine Miene zu verziehen, lief unerbittlich weiter 
durch die Nacht. Aber er hatte zugehört. Er, sie, alle wussten, 
dass ein unsichtbarer Freund unter ihnen wandelte. 
Sie blieben vor einem Gebäude im Landhausstil stehen, das 
von Flutlichtlampen auf dem ordentlich gemähten Rasen ange-
strahlt wurde. Zwei deutsche Schäferhunde knurrten sie an und 
zerrten vor der Veranda an ihren Ketten. »Da wären wir«, sagte 
Cole trocken. »Äh ­ wirst du dich hier irgendwie verwandeln?« 
»Ja. Dies ist ein Teil meiner Stadt. Im Keller haben sie ein 
Lager mit Plastiksprengstoff angelegt. Ich werde ihn zur Explo-
sion bringen. Vielleicht möchtest du mit hineinkommen und es 
genießen ­ das ist ein einmaliges Erlebnis. Du kannst auf der 
Schockwelle reiten, ohne dich zu verletzen. Es ist großartig.« 
»Alle Explosionen sind großartig«, stimmte Cole zu. »City ­ 
warum strahlst du im Augenblick keine Musik aus?« 
»House? Das ist jetzt nicht nötig. Das habe ich am Anfang 
gemacht, um dich herbeizulocken und an mich zu binden. 
Hypnose.« 
»Ich verstehe«, sagte Cole (obwohl er das auf einer anderen 
Ebene bereits gewusst hatte). »Ich habe eigentlich gefragt, weil 
...« 

»Du möchtest jetzt Musik hören?«, fragte City. »Du bist ein 
Romantiker.« 
»Nein. Es würde einfach nur passen, irgendwie.« 
City nickte und lief über den Rasen, gespenstisch und 
schrecklich im grellen Licht der Strahler. Er strahlte rhythmi-
sche, elektronische Musik aus. Von seiner neuen Perspektive 
aus konnte Cole die Musik sehen.  Die Schallwellen überkreuz-
ten sich und bildeten kubistische Muster, die aufs Schönste das 
musikalische Arrangement ergänzten. 
Cole folgte in einem Abstand von wenigen Schritten. Er lief 
auf Federn und Wolken. 
Die Hunde sprangen City sofort an, als er sich in Reichweite 
befand. Einen Augenblick später taumelten beide heulend 
zurück. Blut lief ihnen aus dem Maul, wo sie sich an Citys 
unnachgiebigem Fleisch die Zähne ausgebrochen hatten. 
Die Eingangstür ging auf und ein Mann mit einer Waffe ... 
starb, nur den Bruchteil einer Sekunde nachdem er sie abgefeu-
ert hatte, als City ihm seinen Arm durch den Bauch schob, als 
wäre er aus nasser Baumwolle. 
»Hee, ich kriege die Hintertür nicht auf!«, schrie jemand. 
»Und wenn schon«, schrie jemand zurück, als Cole City ins 
Haus folgte und das überladene, nach Schweiß stinkende 
Wohnzimmer betrat. Männer rannten aus dem Zimmer. Sie 
hatten Cole den Rücken zugewandt und drängten die Keller-
treppe hinunter. 
»Dieses Ding hat Billy abgemurkst! Das ist ein gottverdamm-
ter Roboter!« 
»Holt den verdammten Sprengstoff ­ seid vorsichtig!« 
»Stellt den Zeitzünder ein, dann verschwinden wir durchs 

Kellerfenster ­« 
»Das Fenster klemmt! Ich kann es nicht einschlagen!« 
»Hee, dreh nicht an dem ­« 
Cole war die Treppe zur Hälfte hinabgestiegen, als das Haus 
in die Luft flog. Er ritt auf den Schockwellen und betrachtete die 
Splitter, die durch ihn hindurchflogen, ohne ihn zu verletzen. 
Er überlegte, ob sie durch ihn hindurchflogen oder er durch sie. 
Angetan betrachtete er Beton, Holz, Plastik, Staub und Blut, 
die sich wellenförmig ausbreiteten. Die Explosion war großar-
tig. 
 

Outro 
 
Catz Wailen nahm
 die Kopfhörer ab. Sie war allein im 
dunklen Aufnahmestudio. Der Toningenieur war schon vor 
Stunden nach Hause gegangen. Er vertraute darauf, dass Catz 
abschließen würde. Die Kontrolllampen des Mischpults waren 
die einzige Lichtquelle. Sie war am ganzen Körper schweißge-
badet. Ihre Ohren klingelten. 
Sie hielt ihren Kopf in den Händen und zitterte, so plötzlich 
wich die Anspannung von ihr. Sie schluchzte, doch keine Träne 
rann aus ihren Augen. 
Nach einer Weile setzte sie sich auf. Mit vor Müdigkeit bre-
chender Stimme sagte sie: »Stu? Bist du jetzt bei mir?« 
Sie erhielt keine Antwort. Doch aus den düsteren Ecken des 
Raumes drang ein Flüstern. Ein Luftzug vielleicht. 
Sie stand auf und streckte sich. Ihre Gelenke knackten. Dann 
legte sie sich ausgestreckt auf den Teppich und versuchte sich 
zu entspannen. Ihr Mund bewegte sich nicht, und doch rief sie 
nach ihm. Die Rufe kamen tief aus ihrem Inneren. 
»Danke, dass du mir eine Brücke gebaut hast«, sagte Stu vom 
Oberlicht des Studios aus. Sie sah dort sein Spiegelbild, doch 
nichts, was sich hätte spiegeln können. 
Das spielte keine Rolle: Sie konnte ihn hören. »O Himmel du 

Schweinepriester, du Hundesohn ­« Sie machte noch eine 
Weile so weiter, und dieses Mal begleiteten Tränen ihren Wut-
anfall. 
Im Wechselspiel von hell und dunkel lächelte Coles Spiege-
lung, bis sie fertig war. »Jetzt besser?«, fragte er, als sie ver-
stummt war. 
»Du hast zugelassen, dass er sich deiner bemächtigt«, sagte 
sie tonlos. Sie setzte sich auf, die Beine auf dem Teppich ausge-
streckt. 
»Ich konnte nichts machen«, sagte er. »Aber ich bin bei dir. 
Ich bin immer noch ­« 
»Verdammte Scheiße! Kommst du mir jetzt mit diesem Ich-
werde-immer-bei-dir-sein-Schwachsinn? Keine Chance. Ich will 
nicht, dass du immer bei mir bist. Das würde mich wahnsinnig 
machen. Ich hab nicht vor, wie eine Nonne zu leben und um 
einen Waschlappen wie dich zu trauern, Cole. Ich habe vor, mit 
schöner Regelmäßigkeit zu vögeln, und ich möchte dabei nicht 
von dir angegafft werden.« 
Cole lachte. Catz nicht. 
Nach einer Weile sagte Cole: »Ich musste es dir sagen.« 
Ihre Stimme klang bitter, als sie antwortete: »Oh, ich verstehe 
schon.« 
»Ich muss jetzt zurück.« 
»Klar, was sonst.« 
»Ich kann deiner Karriere etwas nachhelfen. Ich glaube, ich ­« 
»Tu mir bloß keinen Gefallen«, sagte sie. Sie stand auf und 
ging rasch zur Tür. Auf dem Weg hinaus schlug sie wütend auf 
die Konsole und stieß gegen einen Kippschalter: Die Aufnahme, 
Musik von Catz' Band, erfüllte donnernd den Raum wie eine 

grandiose Explosion. Catz war weg. Cole blieb noch einen 
Augenblick und hörte zu. Dann zog er weiter, in eine andere 
Stadt, zu einer anderen Musik.